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#Debatte über Fabrikerweiterung: Die Kehrseite der „Tesla-Geschwindigkeit“

Nach dem Anschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Fabrik in Grünheide läuft die Produktion wieder. Elon Musk nimmt das zum Anlass für eine Stippvisite. Doch die Lage vor Ort bleibt verfahren – und die Probleme sind teils hausgemacht.

Elon Musk zu Besuch in Grünheide, das ist immer ein Ereignis. Doch in dieser Woche ist die Stippvisite des Tesla-Chefs am einzigen Produktionsstandort des US-Elektroautoherstellers in Europa von besonderer Bedeutung. Der Privatjet des Firmenmitgründers landete am Mittwoch nur wenige Tage nach einem Brandanschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Werks in Grünheide am Hauptstadtflughafen BER. Damit sendet Musk ein starkes Zeichen für den Standort an die mittlerweile mehr als 12.000 Beschäftigten der Fabrik.

Der Kurzbesuch ist auch deshalb ein willkommenes Signal, weil die Drahtzieher hinter dem Angriff auf einen Hochspannungsmast in der Nähe der Tesla-Fabrik nicht den Eindruck bekommen dürfen, mit diesem Mittel ihr Ziel zu erreichen. Eine vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestufte Gruppe hat sich zu dem Angriff bekannt. Tesla erwartet einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe, nachdem die Produktion am Mittwoch wieder angelaufen ist. Musk lässt sich von dem Angriff nicht beeindrucken, und das ist gut so. Würden Anschläge auf kritische Infrastruktur als Mittel des Protests gegen Industrieansiedlungen in Deutschland Schule machen, wäre der Schaden für den Standort immens.

Streit mit dem Wasserverband

Es ist wichtig, dass Musk in Grünheide Präsenz gezeigt hat. An der geringen Akzeptanz für die Ansiedlung von Tesla wird sich aber auch nach seiner Visite wohl nichts ändern. Denn die Lage ist verfahren. Erst im Februar haben sich die Einwohner von Grünheide mit überraschend deutlicher Mehrheit gegen eine Erweiterung des Fabrikgeländes ausgesprochen, obwohl Tesla die zusätzliche Fläche zum größten Teil für den Anschluss an das Schienengüternetz nutzen wollte.

Mit dem zuständigen Wasserverband streitet Tesla seit Monaten über die Beschaffenheit der eingeleiteten Abwässer, obwohl der Konzern den Großteil des industriellen Prozesswassers aufbereitet und im Branchenvergleich einen geringeren Wasserverbrauch aufweist. In dem an das Fabrikgelände angrenzenden Forst haben sich in den vergangenen Wochen Protestbewegungen aller Art in Baumhäusern eingerichtet und machen Tesla für fast alle Übel der Welt verantwortlich, während das Unternehmen stets beteuert, mit seinen Elektroautos die Speerspitze im Kampf gegen den Klimawandel zu bilden. Ein vernünftiger Ausgleich zwischen den Zumutungen und dem Nutzen einer Industrieansiedlung ist kaum möglich.

Nicht nur am Konzernsitz von Tesla in Austin, sondern auch in der Staatskanzlei in Potsdam reibt man sich verwundert die Augen. Bis zu 40.000 Arbeitsplätze bei einem der immer noch aufregendsten Unternehmen der Welt, eine Sonderkonjunktur für Brandenburg mit einem Wirtschaftswachstum von zuletzt 6 Prozent, Aussichten auf weitere Milliardeninvestitionen am Standort entlang der Wertschöpfungskette Elektromobilität – und ein halbes Jahr vor der Landtagswahl dennoch fast ausschließlich negative Schlagzeilen über das von der Landesregierung als Meisterstück gepriesene Projekt?

Wie steht es um die Kapazitätserweiterung?

Jetzt rächt sich, dass die Ansiedlung nicht schon früher mit einer Beteiligung der Bevölkerung flankiert wurde, die für Transparenz und Vertrauen hätte sorgen können. Die „Tesla-Geschwindigkeit“, in der das Projekt verwirklicht wurde, verträgt sich nicht gut mit einem verschlafenen Nest im Speckgürtel von Berlin, das keine Tradition als Industriestandort hat und eher moderat von der Ansiedlung profitiert, weil die meisten Arbeitskräfte aus Berlin, aus Ostbrandenburg und aus Polen pendeln.

An den Plänen für die Kapazitätserweiterung auf den vorhandenen Flächen in Grünheide hält Tesla trotz der aktuellen Absatzschwäche fest. Irgendwann sollen jährlich bis zu eine Million Elektroautos vom Band rollen. Für die Anbindung an das Schienengüternetz wird mit der Landesregierung schon nach Alternativen für das von den Bürgern abgelehnte Vorhaben gesucht. Bleibt zu hoffen, dass der Konzern die Anstrengungen verstärkt, Akzeptanz für seine Aktivitäten zu schaffen. Das würde auch künftigen Ansiedlungen in der Region helfen.

Die Politik sollte aus den Erfahrungen mit Tesla ebenfalls Lehren ziehen. Der Streit um die Ressource Wasser, der in Grünheide besonders heftig geführt wird, seit Musk bei einem anderen Besuch vor Ort nur müde über das Thema lächelte, droht in einer der trockensten Regionen Deutschlands auch für die geplanten Ansiedelungen von Rechenzentren, Batteriefabriken und Zulieferern zum limitierenden Faktor zu werden. Berlin und Brandenburg arbeiten deshalb an einer gemeinsamen Wasserstrategie. Offenkundig haben auch die Regierungen erkannt, dass sie sich auf industriepolitischen Erfolgen nicht ausruhen dürfen.

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