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#Denn sie wissen nicht, was sie erwartet

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Denn sie wissen nicht, was sie erwartet

Wie kommen junge Straftäter zurück in die Spur? Die Positionen in der Talkshow, die den bücherschreibenden Psychologen Lars Sellien (Franz Hartwig) eingeladen hat, sind kantig wie üblich. Hier der smarte Autor, der für sein Buch „Strafe? Neue Wege der Erziehung“ wirbt; sein Plädoyer gilt erlebnispädagogischen Touren, die junge Täter aus ihren Denkmustern reißen, bis der „Kern ihrer Persönlichkeit“ freiliegt und bearbeitet werden kann. Dort der kopfschüttelnde Vertreter der Schule „Strafe muss sein“.

Die achtteilige Serie „Wild Republic“, eine schmuck und selbstsicher aufgezogene Koproduktion von Magenta TV und öffentlich-rechtlichen Partnern, die auf eine Idee des damaligen Filmstudenten Eric Bouley zurückgeht, hat zur Auseinandersetzung mit dem Thema mehr Zeit als jede Talkshow: vierhundert Minuten. Und doch steigt sie per Talkrunde ein – ein bewährter Kniff zur Verdichtung

Vorher sehen wir allerdings noch die junge Erwachsene Kim (Emma Drogunova). Entsetzt sitzt sie im Dunkel, starrt abwechselnd auf ihre Hand und ins Nichts. Vielleicht hat sie eine Straftat begangen, vielleicht eine erlebt. Dann plötzlich Schnitt und viel Licht. Die Kamera schwebt durch die Alpen. Kim im Bus, fernschachspielend mit ihrem Handy. Der Bus in der großen Kulisse ganz klein.

Als er anhält, denken wir für einen Moment an „5vor12“, eine preisgekrönte Produktion des Kinderkanals Kika, die 2017 ohne Zwölf-Millionen-Budget von einem Erziehungsprojekt in den Bergen erzählte. „Wild Republic“ ist anders gelagert. Schon der Einstieg und die langgezogenen Streicher, die ernst-schimmernd zu einer Art Vorspiel ansetzen (die Musik stammt vom international gefragten Komponisten Volker „Hauschka“ Bertelmann), deuten auf Spannung und Drama. Kim stiefelt mit dem Rest ihrer Reisegruppe vom Parkplatz Richtung Wildnis. Und auf ein Floß. Hätten sie einen Dolmetscher mitgenommen, hätten sie die Ansagen des Flößers „Baumi“ (Roland Silbernagl) auch wirklich verstanden: „Hau ruck, hau ruck!“ Wie auf der Galeere.

Wie sollen sie sich bessern?

In dem Augenblick, in dem Sellien in der Talkshow auftritt, ist eine Gruppe junger Krimineller also längst im Gebirge. Viele von ihnen sind „selbstbezogen, manipulativ, antisozial und in vielerlei Hinsicht eine Gefahr für die Gesellschaft“. Aber genau das treibt Sellien an: „Bestrafung hat noch nie dazu geführt, dass Menschen sich bessern.“

Auch seine Lebensgefährtin, die Sozialarbeiterin Rebecca (Verena Altenberger), die trotz Schwangerschaft das Kommando mit „Baumi“ und einigen Aufpassern führt, glaubt an den heilsamen Effekt des Experiments. Bis ein Mensch im Zeltlager ums Leben kommt.

Die Reaktion der Gruppe heißt Flucht. Sie steigt in Kanus und kentert, zieht hoch ins Gebirge und versteckt sich in einer Höhle, die in einer frühen Drehbuchfassung noch ein Bunker aus Weltkriegszeiten gewesen sein soll. Ein seltsamer Ort mit Altar und Konservenlager. Die Kulisse, die „Wild Republic“ in einer Halle in Köln bauen ließ, ist grandios.

Noch reizvoller sind die Rückblenden à la „Lost“, die das Lebenspuzzle der Gestrauchelten zusammenlegen. Im Mittelpunkt der ersten Episode steht Kim, die in prekären Verhältnissen mit einem behinderten Bruder aufwuchs, im Fokus der zweiten ist der angehende Revolutionsführer Ron (Merlin Rose), der gegen die Welt seines reichen Vaters (Ulrich Tukur) zu Felde zog. So ziemlich alle Rollen sind glänzend besetzt. Und Deutschland sieht aus, wie Deutschland eben aussieht.

Man kann darüber streiten, inwiefern diese Einzelgeschichten in der Gesamtschau ein realistisches Generationenporträt ergeben. Aber so ist es offensichtlich gedacht; zur Gruppe gehören ein muslimischer Jugendlicher (Aaron Altaras), eine Beauty-Bloggerin (Camille Dombrowsky), eine Tochter zweier Mütter (Luna Jordan) und ein sadistisches Heimkind (Béla Gabor Lenz). Die Regisseure Markus Goller und Lennart Ruff halten zwischen den Rückblenden und der Berggeschichte gewandt die Balance. Der Spannungsbogen hält auch.

Wo die Hauptstory dieser allerneuesten Variation von „Herr der Fliegen“ hinführt (die letzte dürfte die Netflix-Serie „The Society“ gewesen sein), ist nach den vorab einsehbaren vier Folgen nicht zu sagen. Während der Dreharbeiten hieß es stolz, dass sich die Gruppe ja irgendwann organisieren und Regeln für das Zusammenleben entwickeln müsse: daher der Titel.

Hoffentlich war mehr gemeint als das improvisierte Gerichtsverfahren, das die Truppe nach einem zweiten Zwischenfall in der Höhle abhält. Es endet mit drakonischen Strafen für den Angeklagten, weil die Mitglieder des Experiments in ihrem Leben bislang eben nur solche kennengelernt haben.

Wild Republic startet heute bei Magenta TV.

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