Nachrichten

#„Der Atomausstieg ist ein Erfolg“

„„Der Atomausstieg ist ein Erfolg““

Herr Uekötter, Sie sind Historiker und haben ein Buch über die Geschichte der Atomkraft in Deutschland geschrieben. Nach dem Atomunfall von Fukushima wollten wir raus aus der Kernkraft, jetzt wird wegen der Energiekrise hitzig über längere Laufzeiten diskutiert. Warum ist das bei uns so ein Durcheinander?

Sebastian Balzter

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Marcus Theurer

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Im internationalen Vergleich ist der deutsche Atomausstieg eigentlich ziemlich geordnet, mit einem klaren Fahrplan und rechtlichen Rahmen. Das ist mir lieber als das Improvisationstheater, das wir etwa in Belgien sehen, wo mal eben wegen des Ukrainekriegs die Laufzeiten der Atomkraftwerke um zehn Jahre verlängert wurden – ohne sicherheitstechnische Prüfung.

Der Beschluss zum Atomausstieg war 2011 eine hastige Kehrtwende nach der Katastrophe von Fukushima. Was soll daran geordnet sein?

Ich glaube, Bundeskanzlerin Angela Merkel war bei der Atomkraft ein bisschen Überzeugungstäterin. Sie glaubte zunächst wirklich daran, man könne noch mal einen neuen Atomreaktor in Deutschland bauen, obwohl die Stromerzeuger schon lange keine Lust mehr darauf hatten. Bedenken Sie: Der letzte neue bundesdeutsche Meiler wurde 1982 in Auftrag gegeben. Ich sehe Merkels Kehrtwende nach Fukushima als das Ende ihres erfolglosen Versuchs, noch mal irgendwie eine Zukunft der Atomwirtschaft herbeizuzaubern.

Müssen wir jetzt angesichts der akut gefährdeten Energieversorgung den Ausstieg nicht dringend überdenken?

In Deutschland sind heute noch drei Kernkraftwerke in Betrieb. Wenn die nicht wie geplant zum Jahresende abgeschaltet werden, macht das keinen allzu großen Unterschied für unsere Energieversorgung. Und wenn jetzt die Forderung nach längeren Laufzeiten damit begründet wird, dass wir die Abhängigkeit von russischer Energie beenden wollen, dann muss man auch sagen: An diesem Punkt war die deutsche Atomwirtschaft bereits 1982. Schon damals kam die Hälfte des Urans aus der Sowjetunion, und bis heute ist Russland einer der größten Uranlieferanten der Welt.

Sie bezeichnen die jahrzehntelange Auseinandersetzung um die Atomkraft in Ihrem Buch als eine Erfolgsgeschichte der Verhandlungsdemokratie. Ist das angesichts der Schlachten um die Kernkraftwerke mit Wasserwerfern und Tränengas nicht ziemlich beschönigend?

Frank Uekötterist Professor an der Universität im britischen Birmingham. Sein neues Buch trägt den Titel  „Atomare Demokratie“.


Frank Uekötterist Professor an der Universität im britischen Birmingham. Sein neues Buch trägt den Titel „Atomare Demokratie“.
:


Bild: privat

Das Bedenkliche an den Protesten war ja nicht, dass es ein Häuflein Linksextreme gab, die prügeln wollten, sondern dass auch viele Normalbürger Wut im Bauch hatten. Das meine ich mit Erfolg der Demokratie: Wir haben in der Atomdebatte den Schritt zurück von einer abschüssigen Ebene der Gewalt geschafft und uns in einem 20 Jahre dauernden demokratischen Lernprozess darauf verständigt, wo die roten Linien für legitimen Protest liegen. Einen ähnlichen Prozess gab es übrigens auch in der Atomwirtschaft: Ein überdimensioniertes Bauprogramm wurde eingedampft, ohne dass deshalb die Preise explodierten oder ein Großkonzern bankrottging.

Über einen Standort für ein Atommüllendlager diskutiert Deutschland allerdings seit Jahrzehnten ergebnislos. Ist das nicht eher Ausdruck kollektiver Verantwortungslosigkeit als ein demokratischer Erfolg?

Die Endlagerdiskussion ist eine große Tragödie. Die Ursache dafür lag schon ganz am Anfang des Atomzeitalters: Man stieg in Deutschland in den Fünfzigerjahren in diese Technik ein, ohne eine Lösung für den Atommüll zu haben. Das ist ein Versagen der Atomwirtschaft, die jahrzehntelang eine Lösung für das Atommüllproblem versprochen hat, ohne diese Lösung jemals zu liefern.

Auch in Deutschland galt die Atomkraft mal als die Zukunft.

Ja, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren gab es einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass das eine Zukunftstechnologie ist, bei der wir mit dabei sein müssen. Darin waren sich Konservative wie Franz Josef Strauß und Marxisten wie Ernst Bloch einig. Die klügsten Köpfe einer ganzen Generation befassten sich damit, diese Atom-Zukunft zu bauen. Es wurden riesige Summen investiert. Aber ich bin mir nicht sicher, ob man das auch mit dem Wissen getan hätte, dass die Atomkraft nur eine andere Form fossiler Energieerzeugung werden würde.

Wie meinen Sie das?

Die Hoffnung war am Anfang, dass man einen schnellen Brüter bauen kann, der mit dem Strom auch neues spaltbares Material produziert. Dass also ein endloser Kreislauf der Energieerzeugung geschaffen werden kann. Um 1970 war die Erwartung: In drei Jahrzehnten sind die meisten Reaktoren schnelle Brüter. In den folgenden Jahren zeigte sich dann aber, wie schwierig, teuer und störanfällig diese waren. Es blieb also bei Leichtwasserreaktoren, die auf den Uranbergbau angewiesen sind, um den Nachschub an Brennmaterial zu sichern. Ganz ähnlich wie bei den anderen fossilen Energiequellen.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!