Nachrichten

#Der Elephant im Raum

Inhaltsverzeichnis

Der Elephant im Raum

Der Wartesaal kann alles. Normalerweise. Wenn die Mischung aus ansehnlich gewandeten Gestalten mit Gesichtern, die Geschichten versprechen, stimmt, ist er ganz Euphorie und Erwartung. Und das allein genährt von dem Versprechen, eine Handvoll großartiger Passagiere unverbindlich auf kurze Zeit kennenlernen zu dürfen, weil sie zufällig mit dem gleichen Ziel unterwegs sind wie wir selbst.

Oft schlägt die fiebrige Nervosität aber auch schlagartig beim Betreten in Schweigen um. Schiere Panik breitet sich dann aus, wenn die versammelte Menge aus Langweilern, die sich auch noch wohl fühlen, aus den unmittelbar bevorstehenden Stunden eine zähe, gegen unendlich sich dehnende Masse an verlorener Lebenszeit zu formen droht.

Keiner unter uns hätte es je für möglich gehalten, dass man sich dereinst sogar nach diesem worst case scenario eines Aufbruchs zurücksehnt. Normalerweise. Aber seit ziemlich genau einem Jahr ist festzustellen: Der Wartesaal ist alles – was uns bleibt. Und kann nichts – dafür oder dagegen tun. Er hat sich vom angenehm vorübergehenden Aufenthaltsort in eine jener beklemmenden Sturmschutzplätze verwandelt, die sich Menschen teilen müssen, weil sie eine Naturkatastrophe auszusitzen haben. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Pandemie anders als ein Hurrikan oder ein Erdbeben einfach nicht vorübergehen will. Und Warten ist im Moment alles, was dem Reiseenthusiasten bleibt.

Alle verschwinden hinter Masken

Denn wer zurzeit unterwegs sein muss, erlebt nichts weiter als eine gehobene Form von Krankentransport. Ob Passagiere oder Personal – alle verschwinden gleichermaßen hinter medizinischen Masken oder gleich in jenen dank dem viralen Thriller „Outbreak“ bekannten Ganzkörper-Chemielaboranzügen und vermeiden so tunlichst unnötigen Kontakt miteinander. Auch Essen auf Rädern oder zwischen Tragflächen entbehrt zumeist in Wegwerf-Vollplastik serviert jeglicher Charmanz und wird nur als widerwillig akzeptierte Überlebensmaßnahme mehr geduldet als genossen.

Und wie sich Wartende gegen die Angst vor dem tosenden Sturm draußen Mut machen, indem sie sich gegenseitig Geschichten erzählen, so beginnen wir fast unbewusst und viel zu früh im Leben zum Reisen ein nostalgisches Verhältnis zu entwickeln, das vor allem in der Erinnerung auflebt und sich in ihr verströmt. Viel zu früh und, ja, vor der Zeit, weil das norwegische Popduo Kings of Convenience eigentlich erst zum Lebensabend in ihrem phänomenalen Song rieten: Live long, save ten years to remember. Riefen die antiken Dichter im Proömium ihrer Werke noch die Götter oder Musen an, um eine große Reisesage im Erinnerungsmodus zu beginnen, dann klang das, wie in Homers „Odyssee“, so: „Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, welcher so weit geirrt nach der heiligen Troja Zerstörung, vieler Menschen Städte gesehn, und Sitte gelernt hat, und auf dem Meere so viel’ unnennbare Leiden erduldet, seine Seele zu retten und seiner Freunde Zurückkunft.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!