Wissenschaft

#Der falsche Mondrian

Piet stammt aus einfachen Verhältnissen und ist im Lauf der Jahre als Kaufmann auf mehr oder weniger ehrliche Art und Weise zu Wohlstand gelangt. Mit der Wahrheit nimmt er es nicht besonders genau. „Was ist Wahrheit?“, pflegt er immer Pontius Pilatus zu zitieren und gibt dann gleich selbst die Antwort: „Wahrheit ist das, was die Menschen für Wahrheit halten.“

Als ich vor ein paar Tagen nach längerer Zeit einmal wieder bei Piet zu Hause war, entdeckte ich ein Bild über dem Sofa, das bei meinem vorherigen Besuch dort noch nicht hing. Es war ein abstraktes und sehr geometrisches Werk aus schwarz umrandeten bunten Quadraten und Rechtecken. „Das Bild sieht ja fast aus wie ein Mondrian“, sagte ich. „Es ist ein Mondrian und zwar ein Original“, erwidert Piet mit Stolz in der Stimme. „Wie bist du denn an den gekommen?“, fragte ich. „Das ist eine seltsame Geschichte“, sagt er. „Ich habe das Bild in einer kleinen, aber sehr exklusiven Galerie in Berlin-Kreuzberg entdeckt und mich sofort in es vernarrt. Es heißt Komposition LXII, und Mondrian hat es 1921 gemalt. Das Bild sollte nur 100.000 Euro kosten. Für einen Mondrian also ein wahres Schnäppchen. ,Ich kaufe es‘, sagte ich zu dem Galeristen. ‚Ich auch‘, sagte da eine Stimme hinter mir. ,Und ich war zuerst hier.‘ ,Aber ich habe zuerst gesagt, dass ich das Bild kaufe‘, erwiderte ich und drehte 

mich um. Vor mir stand ein älterer Mann in einem schäbigen Anzug. ,Können Sie sich das Bild überhaupt leisten?‘, fragte ich ihn. Der Mann holte tief Luft und wollte gerade zu einer Antwort ausholen, als der Galerist beschwichtigend seine Hände hob und sagte: ,Ruhig Blut, meine Herren. Wer das Bild bekommt, entscheide immer noch ich.‘ Dann sah er uns nacheinander an. ,Ich könnte das Bild natürlich zwischen Ihnen beiden versteigern und mehr daran verdienen, aber das will ich nicht. Mir ist wichtiger, dass es zu einem klugen Menschen kommt. Deshalb ­frage ich Sie: Wie viele Rechtecke enthält das Bild? Wer mir als Erster die richtige Antwort gibt, bekommt es für 100.000 Euro.‘ Zählen ist eine Kunst, die ich als Kaufmann natürlich perfekt beherrsche, und so konnte ich dem Galeristen schon nach wenigen Sekunden die richtige Antwort nennen. Dass mein Kontrahent erfolglos war, sieht man hier über dem Sofa.“ Er deutete auf das Bild. Dann ging er in den Keller, um eine Flasche Wein zu holen.

„Glaube ihm kein Wort“, sagte seine Frau, als wir allein waren. „Er will dich nur auf den Arm nehmen. Das Bild hat unsere vierzehnjährige Nichte Frieda gemalt, nachdem sie mit uns im Kunstmuseum in Den Haag gewesen war, in dem fast 300 Werke von Mondrian hängen. Sie hat es Piet zum Geburtstag geschenkt.“ Als sie in der Küche verschwand, versuchte ich, die Rechtecke in dem falschen Mondrian zu zählen, geriet aber immer wieder durcheinander. Schließlich gab ich auf.

© llustration: Matthias Schwoerer

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