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#Der friedlose Sohn

Der friedlose Sohn

Wir werden den Weihnachtsabend unten in der leerstehenden großen Stube feiern“, schreibt Theodor Storm am 11. Dezember 1872 aus Husum an seinen ältesten Sohn Hans, der in Kiel studiert: „Wenn Du kommst, wollen wir dort Tannenbaum machen und die Wände mit alten und neuen Bilderbogen behängen; zu Puppenküchen, zu einem Wunderknäuel hat Tante Wussow allerlei in Berlin besorgen müssen.“ Auch andere Vorbereitungen auf das Fest sind längst im Gange: „In der Küche nebenan werden schon Weihnachtskuchen gebacken; die drei Kleinen sind, alle in weißen Nachthemden, eifrig dabei, Kringel zu drehen. Nur Lute“ – Storms zwölfjährige Tochter Lucie –, „die eine Art Rötheln hat, sitzt bei mir und liest die Geschichte von der Bartholomäusnacht.“

Dass es damit noch längst nicht genug ist im Haus des Dichters, der wie kein anderer in der deutschen Literatur des Realismus von Weihnachten erzählt, liegt auf der Hand. Das Fest wird von ihm lange zuvor im Jahr herbeigesehnt und in Briefen an Freunde und die Familie beschworen. Schon die handfesten Vorbereitungen, die bisweilen Anfang Dezember oder noch früher beginnen, werden ausführlich mitgeteilt, etwa dass der dritte Sohn Karl, ein Musiker, im Advent 1871 am Weihnachtsbaum „Welt und Musik vergessend, mehrere Tage gearbeitet“ hat, und aus dem Vergolden der Tannenzapfen, die dann an den Baum gehängt werden, macht Storm eine große Aktion. Weihnachtskisten an die Angehörigen werden gepackt und verschickt, der Inhalt brieflich aufgelistet: So erhält Hans, damals Student in Erlangen, 1870 ein Halstuch, viereinhalb Taler, Schuhe, Kuchen, ein Visitenkartenbüchlein, Fotos von Familienmitgliedern und – „als ein Principalstück“, schreibt Storm – das gerade von ihm herausgegebene „Hausbuch aus deutschen Dichtern seit Claudius“.

Zwei Jahre später geht es nicht mehr um Weihnachtskisten. Diesmal soll Hans selbst zum Fest nach Husum kommen, und die Briefe, die ihn dahin rufen, haben einen langen Vorlauf – und sie werden von Mal zu Mal dringlicher. Bereits ein halbes Jahr zuvor, am 30. Juni 1872, schreibt Storm: „Worauf ich mich freue, mein lieber Junge, das ist Weihnachten. Da wollen wir suchen, wieder einmal, wie in alter Zeit recht warm und traulich bei einander zu sein.“ Wenig später heißt es aus Schloss Leopoldskron, wo Storm einige Sommerwochen verbringt: „Von meinem Aufenthalt hier Weihnachten mündlich!“ Am 1. September schickt der Vater ernste Worte dazu, wie Hans sein Studium anzugehen habe, und schließt: „Nun mach’ mein lieber Junge, daß wir recht in Freuden und Zufriedenheit demnächst unsere Weihnacht feiern können.“ Am 1. Oktober verschärft sich der Ton: Ohne bestandenes Doktorexamen dürfe der Kieler Medizinstudent zu Weihnachten „nicht wieder nach Husum kommen; das muß nun unerbittlich und fest von Dir erledigt werden“. Und als sich abzeichnet, dass es mit dem Examen nichts wird, schreibt Storm am 20. November: „Was soll aus unserm Weihnachten werden?“

Ja, was? Wie man das Fest symbolisch auflädt, wie man gerade hinsichtlich des familiären Zusammenhalts schlechthin alles davon erwartet und naturgemäß enttäuscht wird, lässt sich am Beispiel Theodor Storms und seiner acht Kinder besonders gut beobachten. Und das nicht nur, weil die Situation, in der sich der Dichter mit seiner Familie befand, schwierig genug war. Storm, geboren 1817 in Husum, hatte 1846 seine Cousine Constanze geheiratet und mit ihr – obwohl er in der Verlobungszeit verkündete, er wolle eigentlich gar nicht Vater werden – insgesamt sieben Kinder bekommen, angefangen mit Hans, der am ersten Weihnachtstag 1848 geboren wurde. Die Ehe war damals durch Storms Liebe zu der jungen Dorothea Jensen in eine Krise geraten, die Ankunft von Hans scheint zu einer Klärung beigetragen zu haben. Und Storm schrieb über den pausbäckigen Sohn das entzückende Märchen vom fordernden, welterobernden „kleinen Häwelmann“.

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