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#Der Kolonialismus auf dem Kaminsims

Der Kolonialismus auf dem Kaminsims

Grellrosa Warnhinweise kleben auf den Treppenstufen zum Linden-Museum: „Stopp! Schwieriges Erbe!?“ steht auf ihnen. Die Klebestreifen sind Auftakt der gleichnamigen Ausstellung, mit der sich das Stuttgarter Völkerkundemuseum seiner kolonialen Vergangenheit nähert. Die schrille Farbe ist Stilmittel einer Schau, die kolonialzeitliche Spuren sichtbar machen und die Kolonialgeschichte dieses Museums, seiner Stadt und Region zur Diskussion stellen will – eines Museums, das seit 1911 unter dem Namen seines größten Förderers Graf Karl von Linden in einem neoklassizistischen Monumentalbau am Hegelplatz residiert.

Dieser Bau repräsentiert eine koloniale Weltsicht, die aus der Zeit gefallen ist: Sein Eingangsportal zeigt den Kopf eines Afrikaners mit wulstiger Lippe und breiter Nase. Es bedient rassistische Klischees. Jetzt ist der Kopf rosa angestrahlt, so dass die Besucher ihn nicht übersehen können, und ein Text erklärt die Ikonographie. Das ist das Grundprinzip dieser wichtigen Ausstellung: Sie macht die alltäglichen, kaum mehr bewusst wahrgenommenen Bilder, Objekte und Begriffe des Kolonialismus erkennbar, die uns bis heute in Denkmälern, Bezeichnungen oder Werbeanzeigen begegnen.

Auf Spurensuche in der eigenen Sammlung

Dafür haben die beiden Kuratoren Heiko Wegmann und Markus Himmelsbach, die früh schon die Kolonialgeschichte Badens aufbereitet haben, Archive und Sammlungen durchkämmt und eine Fülle von kolonialzeitlichen Spuren im Museum, der Stadt und dem württembergischen Landesteil gesichert. Der Ertrag war so reich, dass aus der ursprünglich geplanten Publikation eine Ausstellung werden konnte, der man ihre Geburt aus dem Archiv anmerkt: Es ist eine Leseausstellung geworden, die weniger von den Objekten als von den Archivalien und Texten lebt.

Blick in die aktuelle Kolonialismus-Ausstellung des Linden-Museums


Blick in die aktuelle Kolonialismus-Ausstellung des Linden-Museums
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Bild: Joshua Kaiss

Sie leistet Grundlagenforschung, weil sie die Kolonialzeit in Württemberg als regionalhistorische Verflechtungsgeschichte darstellt. Sauber und unaufgeregt dokumentiert sie, wie die Netzwerke und Aktivitäten von kolonialen Akteuren aussahen, wie viele Völkerschauen es in Stuttgart gab oder wo sich in Württemberg Straßennamen oder Denkmäler mit kolonialen Bezügen finden.

Bis heute fortwirkende Ideologie

Obwohl die Schau sich einer historischen Epoche widmet, die sie 1882 mit Gründung des Württembergischen Vereins für Handelsgeographie beginnen und 1943 enden lässt, als die Kolonialverbände und das Kolonialpolitische Amt der NSDAP aufgelöst wurden, verhandelt sie vor allem unsere Gegenwart. Der Kolonialismus gilt ihr nicht als abgeschlossene Epoche, sondern als Ideologie, die sich tief in den Alltag eingeschrieben hat und bis heute fortwirkt.

Das beginnt mit der Sprache, auf die das Museum besonders achtet: Das Nachdenken über die eigene Wort-, Objekt- und Motivwahl liegt als Metakommentar über der gesamten Schau, die Begriffe wie „Schutztruppen“ oder „Strafexpedition“ kritisch thematisiert. Was als aufklärerischer Impuls bei den Museumstexten gut funktioniert, entpuppt sich bei den Triggerwarnungen vor Archivalien, die Gefühle verletzten könnten, als problematisch. Wenn sie diskriminierende Bezeichnungen auf Inventarschildern gelb übermalt oder mit Warndreiecken historische Abbildungen überklebt, balanciert die Schau auf einem schmalen Grat zwischen Rücksichtnahme und Tabuisierung.

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