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#Mit dem Aufzug durch die Spätgotik

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Mit dem Aufzug durch die Spätgotik

Während manche deutsche Großkirchen im Lockdown geschlossen waren, blieb St. Lorenz als Nürnbergs Hauptkirche bislang durchgängig geöffnet, und das trotz derzeitiger Sanierung. Nun soll in aufwendigen Baumaßnahmen auch noch der bisherige Eingang vom Südportal auf das Hauptportal in der Westfassade verlegt werden. Dieses soll dafür wieder geöffnet werden, und zugleich wird der Westteil der Kirche mit einem dreigeschossigen Einbau aus Glas auf Bronzerippen angefüllt. Renderings stellen den massiven Eingriff als „minimal-invasive“ Intervention dar. Und dabei bliebe es nicht: Ein Einbau von je elf Metern in Höhe und Länge in den Seitenschiffen, der sich U-förmig über die vierundzwanzig Meter Breite des Baus zöge, würde mit 190 Quadratmetern Fläche fast ein Drittel der Langhauses füllen. Er wird unter anderem Raum für Stuhllager bieten, die evangelische Kirchengemeinde will dort außerdem eine Mesnerstube, Büros für die Kirchenführer sowie Wärmeräume für eine „niedrigschwellige Willkommenskultur“ und eine „zeitgenössische“ Nutzung der Kirche implantieren. Dafür wird außerdem ein Aufzug gebraucht. Die Kosten sind auf fast viereinhalb Millionen Euro veranschlagt.

Offen schon seit achthundert Jahren: Die 1243 begonnene Kirche St. Lorenz in Nürnberg soll künftig wieder über das Westportal als Haupteingang zugänglich sein, wie hier im Rendering des Büros Brückner & Brückner.


Offen schon seit achthundert Jahren: Die 1243 begonnene Kirche St. Lorenz in Nürnberg soll künftig wieder über das Westportal als Haupteingang zugänglich sein, wie hier im Rendering des Büros Brückner & Brückner.
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Bild: Brückner & Brückner

Zweites Haus im Gotteshaus

Stefan Trinks

Nun ist St. Lorenz nicht nur die wichtigste Kirche der einstigen Reichsstadt; sie ist ein weit überregional bedeutsames spätgotisches Gesamtkunstwerk mit dem weltberühmten „Englischen Gruß“ von Veit Stoß, mit zahlreichen Altarretabeln etwa von Dürers Lehrer Wolgemut und mit dem himmelstürmenden Sakramentshaus Adam Krafts in Stein. In Zukunft sei diese kostbare Hülle für mehr Öffentlichkeit „aufzubrechen“, wie Pfarrerin Voigt-Grabenstein sagt. Das geschieht für ein monumentales „Gemeindezentrum“ innerhalb der Kirche, um die kunstliebenden Besucher – so wohl die Hoffnung angesichts schwindender Gläubigenzahlen – länger in diesem neuen, gläsern-schicken Pfarr-Center St. Laurence in Shopping-Mall-Optik zu halten.

Wenn das beauftragte Würzburger Architekturbüro Brückner & Brückner auf Anfrage sagt, es wolle für die Einbauten keine modernen Materialien verwenden, scheint dies bei einer Mehrgeschossigkeit von elf Metern Höhe konstruktiv und brandschutztechnisch nahezu unmöglich. Wenn die Baumaßnahmen des weiteren als sich „atmosphärisch in die mittelalterliche Kirche einfügend“ beschrieben werden, ist das beschönigende Architekten-Lyrik – eine Stuhllager-Kaaba von elf mal elf mal vierundzwanzig Metern verheißt eine atmosphärische Leichtigkeit wie der stählerne Todesstern aus „Krieg der Sterne“. Auch die behauptete Reversibilität wirkt wenig glaubhaft, da die Raumteiler kaum berührungsfrei ohne massive Verankerungen zwischen die Arkaden und ohne Eingriffe in die Bodenarchäologie aufgestellt werden könnten. Die buchstäblich fundamentalen, weil eben in Boden und gotische Westwand notwendigerweise eingreifenden Umbaumaßnahmen wurden noch nicht öffentlich diskutiert, obwohl die Planungen intern seit 2018 laufen – coronaerschwerte Diskussionsbedingungen können mithin nicht das Argument sein. Wenig überraschend laufen die nicht früh genug eingeschalteten Denkmalpfleger der Stadt und Freunde der Architektur von St. Lorenz nun Sturm.

Dabei sind den Architekten keine großen Vorwürfe zu machen. Sie führten nur aus, was der Zeitgeist bestellt. Bis zum evangelischen Kirchentag 2023 sollen die Stuhllager und inklusiven Räume in den Seitenschiffen fertig sein. Das wäre dann kein Willkommenheißen der Gläubigen mit einem schwebend-atmosphärischen Engelsgruß á la Veit Stoß, es wäre ein entschieden grober Gruß. Aber vielleicht wird ja die Hoffnung des Architekten erhört: Er würde gerne – sobald möglich – in aller Öffentlichkeit diskutieren, was eine „moderne Kirche im 21. Jahrhundert braucht“. Und schließt leise an: Ob sie wirklich so viel Stauraum innerhalb ihrer alten Mauern benötigt.

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