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#Der Mann, der die Sowjetunion retten wollte

Der Mann, der die Sowjetunion retten wollte

Ein Programmpunkt an diesem Dienstag steht für Russlands Präsidenten Wladimir Putin schon fest: eine Gratulation für Michail Gorbatschow, den ersten und letzten Präsidenten der Sowjetunion, zum 90. Geburtstag. Dabei kommt er in der Darstellung des Kremls sonst nicht gut weg: Russland würde unter Angriffen des Westens zerfallen, heißt es regelmäßig, wenn an seiner Spitze kein starker Führer wie Putin stünde, sondern ein Gorbatschow, der gegen innere und äußere Gegner nicht hart durchgreife. Gorbatschow, der seit längerem im Krankenhaus behandelt wird, muss Hetze hinnehmen. Dennoch schickt ihm Putin jährlich ein Geburtstagstelegramm. „Das ist ein Mensch, der Teil unserer Geschichte ist, und genau so sehen wir ihn auch – mit großem Respekt“, sagte Putins Sprecher am Montag.

Friedrich Schmidt

Im Westen ist „Gorbi“ der Friedensengel, der half, das Wettrüsten zu beenden und die in der DDR stationierten Soldaten in den Kasernen ließ, als das Volk auf die Straße ging. In Russland wirft man ihm vor, das Imperium verspielt zu haben. Dabei wollte der selbsterklärte „Mann des Systems“ die Sowjetunion bewahren; sein Scheitern war das des Systems.

1931 im nordkaukasischen Gebiet Stawropol geboren, trat Gorbatschow mit 19 Jahren in die Kommunistische Partei ein. Er studierte Jura in Moskau, lernte dort Raissa kennen, die Liebe seines Lebens, kehrte nach Stawropol zurück, stieg auf. 1985 wurde Gorbatschow mit 54 Jahren jüngster Generalsekretär in der Geschichte der Partei. Er pflegte einen offenen Umgangsstil, wurde beliebt, ein Symbol der Hoffnung. Sein Programm des Umbaus („Perestrojka“) wollte Eigeninitiative fördern, die Produktion mehr an der Nachfrage ausrichten. Finanznot und die Einsicht, dass ein Nuklearkrieg nicht zu gewinnen wäre, brachten Gorbatschow zu der Erkenntnis, dass das Wettrüsten fatal war. Es folgten Abrüstungsabkommen mit den Vereinigten Staaten. Wenn sich Gorbatschow noch äußert, geht es um dieses Erbe: Dialog, Vertrauen, Furcht vor Krieg.

1988 leitete Gorbatschow den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan ein. Auch rückte er von der Breschnew-Doktrin ab, welche die Souveränität der Mitgliedstaaten des Warschauer Pakts den Interessen Moskaus unterordnete. An die Adresse der DDR-Führung, die den neuen Kurs ablehnte, sagte Gorbatschow: „Gefahren lauern nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren.“ 1990 erhielt er den Friedensnobelpreis.

Dank Gorbatschows Politik konnte ausgesprochen werden, was viele Russen bis heute nicht wahrhaben wollen: dass die Sowjetunion für viele Völker ein Gefängnis war. 1987 versprach der Generalsekretär „Glasnost“ (Offenheit), um das Volk im Ringen mit reaktionären Kräften auf seine Seite zu ziehen. Zugleich flammten Nationalitätenkonflikte wieder auf. 1989 wurden bei der Auflösung einer Demonstration für die georgische Unabhängigkeit in Tiflis 21 Menschen getötet. Im Sommer 1990 erklärte sich eine Reihe von Republiken für souverän im Rahmen der Sowjetunion, auch das russische Kernland. Die Wahl zum Kongress der Volksdeputierten Ende Mai hatte die Gegensätze zwischen Reformern und Reaktionären stärker hervortreten lassen.

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Der Kongress wählte Gorbatschow zum Präsidenten der Sowjetunion. Gefordert wurde, die Rüstungsausgaben deutlich zu kürzen. Das lehnten die reaktionären Kräfte ab – und Gorbatschow lenkte ein. Im Herbst 1990 umgab er sich mit Kräften aus dem Lager der Reformgegner. Im Januar 1991 gingen Sondereinheiten des Innenministeriums in Litauens Hauptstadt Vilnius gegen Demonstranten vor, mindestens 15 Personen wurden getötet. Im lettischen Riga waren es fünf. Gorbatschow verurteilte das Vorgehen nur halbherzig, der Zerfall der Sowjetunion schritt fort. Der Präsident ließ eine Volksabstimmung über eine Bewahrung einer Union abhalten, welche die Menschenrechte achte. Doch sechs Republiken nahmen daran nicht teil. Gorbatschow verhandelte mit den übrigen über einen neuen Vertrag, der aus der Sowjetunion eine Konföderation gemacht hätte.

Außenpolitisch an Putins Seite, innenpolitisch auf Distanz

Das ging den Reaktionären zu weit: Sie putschten im August 1991 gegen Gorbatschow, der im Urlaub auf der Krim weilte. Boris Jelzin, seit kurzem Präsident der Russischen Sowjetrepublik, rief zum Widerstand auf. Der Umsturz scheiterte, aber Gorbatschow war nun Präsident von Gnaden Jelzins, der die Kommunistische Partei in seinem Herrschaftsbereich verbot. Gorbatschow trat vom Amt des Generalsekretärs zurück. Bald darauf vereinbarten Jelzin und die Präsidenten von Belarus und der Ukraine die Auflösung der Sowjetunion. Am letzten Tag ihres Bestehens, am 25. Dezember 1991, trat Gorbatschow als Präsident zurück. Im Ausland blieb Gorbatschow gefeierter Elder Statesman – in Russland drang er nicht mehr durch.

Gorbatschow klagte, Putin habe eine „Imitation von Demokratie“ geschaffen und der heutigen Führung Russlands gehe es darum, „ohne jegliche Kontrolle regieren zu können und ihren eigenen materiellen Wohlstand zu sichern“. Aber mit Blick auf die Außenpolitik war Gorbatschow in den vergangenen Jahren stets bei Putin, verteidigte die Intervention in Georgien 2008 und die Annexion der Krim 2014. Erst spät wies er ein Axiom der Kreml-Propaganda, ihm sei in Gesprächen über die deutsche Vereinigung 1990 ein Verzicht auf eine Nato-Ost-Erweiterung versprochen worden, als „Mythos“ zurück.

Verehrt wird Gorbatschow in seiner Heimat im Umfeld der kremlkritischen „Nowaja Gaseta“, deren Aktionär er wurde. Die Zeitung erinnerte jetzt an eine Gedenkfeier 2009 zu Ehren des zehnten Todestages von Gorbatschows Frau in einem Moskauer Kloster. „Ihnen, Michail Sergejewitsch“, habe der Metropolit gesagt, „wünsche ich, dass Sie die 90 Jahre erreichen, die 100 …“ Gorbatschow habe unterbrochen: „Eure Heiligkeit, lassen Sie uns doch im Rahmen von Fünfjahresplänen denken.“

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