#Der Pate gegen den Anwalt des Volkes
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„Der Pate gegen den Anwalt des Volkes“
Ist es nur ein Machtkampf um die Führung und die „Seele“ der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung? Oder wird der Zwist zwischen Beppe Grillo, dem irrlichternden Gründer des „Movimento Cinque Stelle“, und dem einstigen Regierungschef Giuseppe Conte sogar den gegenwärtigen Ministerpräsidenten Mario Draghi mitsamt seiner Koalition ins Wanken bringen?
Denn die Fünf Sterne, Sieger bei den Parlamentswahlen vom März 2018 mit knapp 33 Prozent der Stimmen, sind die stärkste politische Kraft in Draghis sehr breitem, aber auch sehr heterogenem Regierungsbündnis. Zwar hat die Bewegung in den vergangenen drei Jahren bei allen Abstimmungen – von der Europawahl 2019 bis zu diversen Regionalwahlen – schwere Verluste hinnehmen müssen und kommt in jüngsten Umfragen auf nur noch 16 Prozent Zustimmung.
Aber die Fünf Sterne stellen noch immer in beiden Parlamentskammern die größten Fraktionen, wenngleich im Abgeordnetenhaus rund ein Viertel und im Senat sogar fast ein Drittel der 2018 gewählten Fünf-Sterne-Parlamentarier inzwischen zu anderen Fraktionen oder Parteien übergelaufen sind.
Conte fordert innerparteiliche Demokratie
Die Führungskrise bei den Fünf Sternen schwelt seit Monaten. Im Januar 2020 war Außenminister Luigi Di Maio von seinem Amt des „capo politico“, so etwas wie ein geschäftsführender Vorsitzender, zurückgetreten. Weder Grillo noch Conte haben ein gewähltes Amt inne, nicht in der Partei und auch nicht im Parlament. Der Fernsehkomiker Grillo ist der „garante“ der Bewegung, ein für ihn geschaffener, zeitlich nicht befristeter Posten als allmächtiger „Pate“ der Fünf Sterne.
Der Juraprofessor Conte, der sich während seiner Regierungszeit von Juni 2018 bis Februar 2021 als „Anwalt des Volkes“ zu beschreiben pflegte, hat noch nie für irgendein gewähltes Amt kandidiert: Der weithin unbekannte Akademiker war nach den Wahlen 2018 von der Fünf-Sterne-Bewegung, der er bis heute nicht angehört, ins höchste Regierungsamt gehievt worden. Conte hat auch kein Mandat im Parlament. Sein politisches Kapital ist seine anhaltende Popularität.
Eine Gruppe von Granden der Fünf Sterne war nach dem Sturz Contes als Regierungschef vom Februar auf die Idee gekommen, ihrer moribunden Bewegung mit Conte als „capo politico“ neue Vitalität einzuhauchen. Doch der „Anwalt des Volkes“ stellte Bedingungen: Er bestand darauf, die neue Satzung zu verfassen und die Bewegung auf einer wahrhaft demokratischen Grundlage neu aufzustellen. Denn tatsächlich werden die angeblich basisdemokratischen Fünf Sterne seit je von dem absolutistischen Sonnenkönig Grillo geführt.
„Ich bin ein ,garante‘ und kein Arschloch“
Grillo verordnete der Bewegung nach dem Wahlsieg von 2018 zunächst, mit der rechtsnationalen Lega von Matteo Salvini zusammenzugehen. Dann steuerte der Gründer der Bewegung im September 2019 die Fünf Sterne in die Linkskoalition mit den Sozialdemokraten – jener ultimativen Partei des politischen Establishments, gegen welche die Bewegung seit ihrer Gründung 2009 immer aufbegehrt hatte. Und schließlich ordnete Grillo im Februar 2021 an, dass die Fünf Sterne auch in der Koalition unter dem ehemaligen EZB-Chef Mario Draghi mitwirken sollten – ein weiterer Vertreter des verhassten polit-ökonomischen Establishments.
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Conte, mit 56 Jahren im besten Politikeralter, ist der Überzeugung, dass die Fünf Sterne nur als berechenbare Linkspartei und verlässliche Verbündete der Sozialdemokraten eine Zukunft haben werden; und als Partei mit inneren demokratischen Strukturen, wo ein egomanischer Patriarch nicht länger Kandidaten und Koalitionen nach seinem wechselnden Gusto bestimmt. Doch von einer Aufgabe seiner absoluten Macht über die Bewegung will der 72 Jahre alte „garante“ nichts wissen.
Vergangene Woche reiste Grillo von seinem Wohnort Genua für zwei Tage nach Rom und warf vor der versammelten Mannschaft der Fünf-Sterne-Parlamentarier dem aufmüpfigen Conte den Fehdehandschuh hin. „Ich bin ein ,garante‘ und kein Arschloch“, wetterte Grillo. Den 32 Seiten umfassenden Satzungsentwurf Contes, den er in Händen hielt, zerriss Grillo zwar nicht buchstäblich in der Luft. Mit Worten aber schon: Conte müsse „erst noch lernen, bevor es uns helfen kann“, brüllte Grillo nach übereinstimmenden Berichten von Ohrenzeugen: „Er kennt unsere Geschichte nicht!“ Und weiter ereiferte sich Grillo: „Es ist Conte, der mich braucht, nicht umgekehrt! Ich bin der Visionär, er ist nur ein Vernunftmensch.“
Kommt es an diesem Montag zum Bruch?
Das wiederum konnte Conte nicht auf sich sitzen lassen. Er forderte ultimativ eine öffentliche Entschuldigung von Grillo, ein einfacher Telefonanruf bei ihm tue es nicht. Tatsächlich bringt auch Conte einiges auf die Waage in diesem Kampf zweier Alphamännchen um die Führung einer Bewegung, die angeblich dem Machismo in der Politik abgeschworen hat. Nach Umfragen könnte eine von Conte gegründete Partei mit bis zu 15 Prozent Wählerstimmen rechnen, davon würden nach Ansicht der Demoskopen bis zu 70 Prozent von Wählern der Fünf Sterne kommen, der Rest von den Sozialdemokraten und anderen Linksparteien.
Conte persönlich genießt nach wie vor hohe Wertschätzung in der Bevölkerung, die ihn als besonnene Führungskraft durchs erste Jahr der Pandemie in Erinnerung behalten hat: Bis zu 40 Prozent Zustimmung sind es in jüngsten Umfragen, ein sehr hoher Wert für einen „Ehemaligen“ ohne gegenwärtiges Amt in Regierung oder Partei.
Für diesen Montag hat Conte eine Pressekonferenz angekündigt. Kommt es zum endgültigen Bruch oder gelingt es den hektisch tätigen Vermittlern – allen voran Außenminister Di Maio – doch noch, eine Versöhnung oder wenigstens einen Burgfrieden zwischen Grillo und Conte zu erreichen? Unter den maßgeblichen Gestalten der Bewegung gibt es etwa gleich viele Anhänger Grillos und Contes. Beide Fraktionen fürchten einen Bruch. Denn der würde für viele das Ende ihrer politischen Laufbahn bedeuten, spätestens nach den Parlamentswahlen vom Frühjahr 2023.
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