#Der Projektleiter hat die Wahl
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„Der Projektleiter hat die Wahl“
Altersdiskriminierung ist ein wichtiges, jedoch auch ein sensibles Thema – insbesondere, wenn jemand als potenziell Betroffener darauf angesprochen wird, der gerade einmal 32 Jahre alt ist. Aber Hansi Flick hatte nun einmal in einem Interview gesagt, dass er sich bei zwei Spielern gleicher Qualität tendenziell für den jüngeren entscheiden würde. Und so sah sich am Dienstag eben Thomas Müller mit der Frage konfrontiert, die launig klingen sollte, aber schon auch einen ernsten Kern besaß: Was das denn für ihn bedeuten würde angesichts des breiten – und eben auch altersmäßig breiter gefächerten – Personalangebots in seinem Arbeitsgebiet bei der Nationalmannschaft. Müller antwortete nicht witzig, aber weise, und sogar ein bisschen überraschend.
Seine salomonische Formel nahm er nämlich nicht aus dem Phrasenbuch der Fußballprofis, wonach es keine jungen oder alten, sondern nur gute und schlechte Spieler gebe. Müllers definitorischer Dreh setzte an einem anderen Punkt an: Dass es gar keine „besseren“ oder „gleich guten“ Spieler gebe, sondern solche mit unterschiedlichen Profilen – und dass er seines noch als zeitgemäß betrachtet, zumindest bis zur WM im nächsten Jahr in Qatar, das hatte er da schon gesagt.
Müller kann und will vielleicht nicht mehr Teil einer Jugendbewegung sein, aber von der Erneuerung beim Nationalteam fühlt er sich offenkundig auch in einem für Fußballprofis fortgeschrittenen Alter mitgerissen. Am Dienstag schilderte er lebhaft das Erlebnis beim 6:0 gegen Armenien, als er auf der Tribüne „Mitmacher und Teil einer durchs Stadion gehenden Welle“ gewesen sei, er sprach aber auch von den Fortschritten auf dem Platz, es sei ja „nicht nur ein seriöses Spiel“ gewesen in Stuttgart, sondern es hätte „schöne Spielzüge, gute Tore“ und – nicht zuletzt – ein zu Null zu bestaunen gegeben, anders als bei vielen anderen Spielen in den letzten Jahren.
Wird Müller zum Profiteur?
Mehr als nur seriös – ob die Verwendung einer von Joachim Löws Lieblingsvokabeln einen tieferen Sinn haben sollte, sei einmal dahingestellt, immerhin hatte Müller nach der EM ein deutliches Urteil über dessen zögerliche Herangehensweise gesprochen: „Mit unserer Bestrebung, durch eine eher abwartende, kompakte Defensivstrategie ohne Gegentor zu bleiben, sind wir de facto gescheitert.“ Was man jedenfalls festhalten kann: Müller, der im Fußball schon ziemlich viel gesehen hat, klingt sehr einverstanden mit der (Neu-) Ausrichtung unter Flick. Der neue Bundestrainer gehe die Sache „mit sehr viel Leidenschaft und Sachverstand an“ sagte Müller, und er selbst möchte schon noch ein bisschen am Schwungrad mitdrehen, das Flick in Gang gesetzt hat. „Wir sind Teil dieser schwungvollen Bewegung“, sagte er.
Bei der Fortsetzung der WM-Qualifikation in Hamburg gegen Rumänien (20:45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zu den Länderspielen und bei RTL) könnte Müller das neue Gefühl erstmals auf dem Platz erleben, nachdem eine Adduktorenverletzung ihn vor Flicks Premiere im September außer Gefecht gesetzt hatte. Für sich beanspruchen wollte er die Rolle in der Offensivzentrale nicht. „Gerade im Offensivbereich haben wir sehr, sehr viele exzellente Alternativen“, sagte er, versicherte aber auch in eigener Sache: „Da wird es keine persönlichen Befindlichkeiten oder irgendwelche Ego-Spielchen geben, die den Aufschwung stören.“
Thomas Müller will das neue Gefühl im Nationalteam wieder auf dem Platz erleben.
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Bild: GES/Markus Gilliar
Von seinem Profil her, mit seiner Art, Fußball zu denken und zu spielen, könnte Müller ein Profiteur des neuen „Projektleiters“ werden, wie er Flick nannte. Wie zu dessen Münchner Zeit betrachtet er Fußball nicht primär als Versicherungsfall, sondern mit der ausdrücklichen Ermutigung, den Weg nach vorn zu suchen. Etwas, das am Dienstag aus anderer Perspektive auch Antonio Rüdiger lobend erwähnte, der nach Müller auf dem Podium Platz nahm. Den Gegner schon weit vorn, in dessen Hälfte zu pressen und zu Fehlern zu zwingen, „liegt uns einfach“, sagte der Innenverteidiger des FC Chelsea.
Nach dem Geschmack der Zuschauer dürfte das auch sein. 25 000 werden in Hamburg zugelassen sein, und dass der Deutsche Fußball-Bund am Dienstag von knapp 21 000 verkauften Tickets berichten konnte, war zumindest keine schlechte Nachricht in Zeiten, in denen der Fußball um seine Fans kämpfen muss. Die jüngste Kritik, dass die Nationalmannschaft sich in Hamburg bislang noch von ihrer distanzierten Seite zeigte, nahm Müller zum Anlass für einen differenzierten Exkurs zum Thema „Fan-Nähe“, an dessen Ende die Botschaft stand, dass „die Lust am Spiel das ist, was uns verbindet“.
Was das angeht, haben nicht nur die Fans Nachholbedarf, sondern auch Müller selbst. Ob das sogar zu einer Perspektive Richtung Heim-EM 2024 führt, ließ er sich aber nicht entlocken. Er sei jemand, der sich „auf die nächsten ein, zwei Wochen konzentriere“, sagte er, „wenn’s hoch kommt“. Was ihn am Dienstag etwas verdutzt erscheinen ließ, als nach seiner Meinung zu den vier Nations-League-Spielen im Anschluss an das Saisonende gefragt wurde. „Steht das schon länger fest, oder ist das neu?“, fragte er. Bislang sei er von einem freien Juni ausgegangen. Es wäre, wenn man das so sagen darf, das richtige für einen Mann in seinem Alter.
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