Nachrichten

#Der Rohstoffhandel birgt Risiken für die Schweiz

Metalle, Öl aus Russland, Getreide oder Zucker: Dank einer vergleichsweise schwachen Regulierung ist die Schweiz im Rohstoffhandel eine Macht. Das birgt Risiken – die Regierung sollte genauer hinschauen.

Die Schweiz ist ein beliebter Standort für Vermögensverwalter; dass sie außerdem auch ein Dorado für Rohstoffhändler ist, gelangte erst nach Russlands Angriff auf die Ukraine richtig ins Bewusstsein. Plötzlich machte die Runde, dass mehr als die Hälfte des russischen Erdöls und drei Viertel der von Russland exportierten Kohle über die Schweiz gehandelt wurden. Das kleine Land ist auch global betrachtet einsame Spitze im Handel mit Öl, Metallen, Getreide, Zucker und Kaffee. Vier der fünf umsatzstärksten Konzerne der Schweiz sind Rohstoffhändler; ihre Namen sind – mit Ausnahme der börsennotierten Glencore – in der Öffentlichkeit kaum bekannt.

Die von Privatunternehmen dominierte Branche agiert gerne abseits der Öffentlichkeit. Doch die Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Entourage hat sie ins Scheinwerferlicht gezerrt. Wie die Schweizer Banken, die zig Milliarden russischer Gelder verwalten, spielen auch sie eine wichtige Rolle in der Durchsetzung der westlichen Sanktionen.

Verstöße gegen Sanktionen?

Allerdings bestehen Zweifel, dass die Rohstoffhändler dieser Rolle gerecht werden. Dies lässt sich anhand von zwei Ereignissen illustrieren. Im Juli reisten Vertreter des amerikanischen Finanzministeriums in die Schweiz, um sich ein Bild von der notorisch intransparenten Branche zu machen. Im September beauftragte das Parlament in Bern die Regierung, in einem Bericht darzulegen, „inwieweit die Sanktionen gegen Russland im Rohstoffsektor derzeit eingehalten werden und wo noch Mängel bestehen“. Ihren Vorstoß begründeten die Parlamentarier mit der großen Bedeutung des Rohstoffsektors, der 8 bis 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmache. Dies bedeute sowohl ein erhebliches Reputationsrisiko als auch eine besondere Verantwortung in der Kontrolle.

An dieser Kontrolle hapert es indes, auch und gerade was die Anwendung der Sanktionen betrifft. Sie sehen vor, dass in Tankern verschifftes russisches Öl nur noch für höchstens 60 Dollar pro Barrel gekauft werden darf. So sollen die Einnahmen des Kremls geschmälert werden. Die in der Schweiz angesiedelten Ölhändler halten sich lediglich im Rahmen einer Selbstverpflichtung an diese Vorgabe – oder auch nicht. Wiederholt ist der Verdacht aufgetaucht, dass sie die Sanktionen umgehen, etwa indem sie die Geschäfte über angeblich unabhängige ausländische Tochterfirmen abwickeln.

Bestechung im Ausland war lange Zeit legal

Die – auch im Vergleich zur EU – milde Regulierung erklärt, warum sich inzwischen fast tausend Rohstoffhandelsfirmen in der Schweiz niedergelassen haben. Der Zuzug begann nach dem Zweiten Weltkrieg; die politische Stabilität und die Neu­tralität wirkten verlockend. Letztere erleichterte es den Händlern, auch mit Schurkenstaaten ungestraft Geschäfte zu machen. Lange war es legal, Geschäftspartner im Ausland zu bestechen. Man durfte diese Beträge sogar von der Steuer absetzen.

Ein-Kilogramm Goldbarren im Lager der Schweizer Goldverarbeitungsfirma Argor-Heraeus in Mendrisio, Tessin, Schweiz.


Ein-Kilogramm Goldbarren im Lager der Schweizer Goldverarbeitungsfirma Argor-Heraeus in Mendrisio, Tessin, Schweiz.
:


Bild: dpa

Wichtig für den Aufschwung der Branche war und ist zudem, dass Banken den Händlern mit Krediten, Garantien, Absicherungen und pfiffigen Finanzierungsmodellen zur Seite stehen – und nebenbei diskret deren Vermögen verwalten. Hinzu kommen hoch spezialisierte Wirtschaftsprüfer, Anwälte und Treuhänder, die jeden Kniff kennen, um Schwächen der Regulierung zum Wohl ihrer Klientel zu nutzen. Die niedrigen Steuern tun ihr Übriges.

Rohstoffroulette könnte weitergehen

Die Schattenseiten dieses Laisser-faire zeigen sich in dem skandalösen Fehlverhalten, das immer wieder zutage tritt. Der Branchenprimus Glencore bekannte sich im vergangenen Jahr schuldig, Erdölmärkte manipuliert und in mehreren afrikanischen Ländern Schmiergelder gezahlt zu haben. Dafür bekam der Konzern eine milliardenschwere Strafe aufgebrummt – wohlgemerkt nicht von Schweizer Behörden, sondern von Amerikanern und Briten.

Die Schweiz täte gut daran, den Rohstoffhändlern genauer auf die Finger zu schauen, ebenso wie den Goldraffinerien, denn auch in Bezug auf diese hinkt die Gesetzgebung internationalen Standards hinterher. Die Nichtregierungsorganisation Public Eye fordert seit Jahren, diesen „Hochrisikosektor“ einer staatlichen Aufsichtsbehörde zu unterstellen.

Dazu müsste zunächst der Rechtsrahmen angepasst werden. Zwar gibt es tatsächlich Bewegung in diese Richtung: Die große Kammer des Parlaments stimmte jüngst mehrheitlich für einen Vorstoß, der von der Regierung verlangt, ein Rohstoffhandelsgesetz auszuarbeiten. Doch es dürfte schwierig werden, dieses Ansinnen auch in der wirtschaftsliberaleren kleinen Kammer durchzusetzen. Das Schweizer Rohstoffroulette könnte also weitergehen.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!