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#Der russische Van Gogh

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Der russische Van Gogh

Die Neue Tretjakow-Galerie zeigt derzeit eine Retrospektive des Jugendstilmalers Michail Wrubel (1856 bis 1910), den russische Kunsthistoriker oft mit Van Gogh vergleichen, weil er zu Lebzeiten verkannt wurde, in späteren Jahren in der Psychiatrie landete und mit seiner Bildsprache weit ins zwanzigste Jahrhundert vorauswies. Die mehr als dreihundert, teils extrem großformatigen Gemälde und Zeichnungen aus den Tretjakow-Beständen, aus dem Petersburger Russischen Museum, aus Privatsammlungen, aber auch etwa aus Wrubels Geburtsstadt Omsk werden bewusst nichtchronologisch präsentiert, um die motivbezogene Denk- und Arbeitsweise des Künstlers in Kristallstrukturen erlebbar zu machen. Der zwischen Petersburg und Berlin lebende Architekt Sergej Choban hat dafür eine konzentrische Flucht aus Räumen ohne rechten Winkel gebaut, in denen polyedrische Fenster Bezüge eröffnen. So wird auch überspielt, dass die christlich modernistischen Malereien aus Wrubels Kiewer Phase von 1884 und 1889 fehlen, von denen einige immerhin im umfangreichen Katalog abgebildet sind.

Mit dem Segen der vergleichsweise aufgeschlossenen Kiewer Kirchenobrigkeit entstanden dort Darstellungen des auferstandenen Christus und der Jungfrau Maria, deren kugelige Manga-Augen die pantheistisch-mythologische Weltwahrnehmung des hochgebildeten Künstlers spürbar machen. Ein eigener Saal würdigt seinen Moskauer Entdecker und Mäzen Sawwa Mamontow, der in seiner Künstlerkolonie Abramzewo Wrubel eine Keramikwerkstatt bereitstellte und Bühnendekor für seine Privatoper bei ihm in Auftrag gab. Doch ein Schlüsselwerk des russischen Jugendstil, die siebeneinhalb Meter breite „Traumprinzessin“, die in Anlehnung an den französischen Neuromantiker Edmond Rostand die transformierende Wirkung der Schönheit beschwört, wurde, als sie 1896 bei der Industrie- und Kunstschau in Nischni Nowgorod erstmals zu sehen war, als dekadent geschmäht. Maxim Gorki fand die von byzantinischen Mosaiken inspirierte Flächigkeit und die kantige Linienführung ganz erbärmlich.

Verwunschene Blüten: „Flieder“ malte Michail Wrubel im Jahr 1901.


Verwunschene Blüten: „Flieder“ malte Michail Wrubel im Jahr 1901.
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Bild: Tretjakow-Galerie / Katalog

Im Zentrum der Schau stehen Wrubels monumental-enigmatische Dämon-Bilder, die, zunächst entstanden als Illustration von Michail Lermontows gleichnamigem Poem, zugleich den aufrührerischen Geist der Zeit personifizieren. Der abtrünnige Engel erscheint 1890 in fraktaler Farbschraffur und mit himmelblauem Tuch um die Knie erstmals als grübelnde Sitzfigur. Nach einer Pause von fast einem Jahrzehnt malt Wrubel 1899 den „Fliegenden Dämon“, ein extremes Querformat, auf dem die Figur in anatomisch unmöglicher Verdrehung mächtige finstere Flügel ausbreitet und vom Raum zugleich wie in einer Höhle eingequetscht wirkt. Das lange als unvollendet abgetane Bild landete zu Sowjetzeiten im Russischen Museum. Der „Gestürzte Dämon“, der in nahezu der gleichen Verrenkung im Pfauenfederkranz in einer Senke hingestreckt liegt, schließt 1902 das Thema ab. Das Bild wurde von den Zeitgenossen sogleich als tragische Prophezeiung wahrgenommen, und Wrubel, der fieberhaft daran arbeitete, es veränderte und variierte, wurde danach zum Psychiatriepatienten.

Den Nervenärzten sei Dank

Wrubels zunehmend selbstwertige Farbflächen gehen oft an die Grenze der Gegenstandslosigkeit. Die Gemälde „Morgen“ und „Flieder“ bestehen weitgehend aus lilagrünen Wucherungen, aus denen nur zwei kleine Köpfe wie Naturgeister hervorlugen. Doch der polyglotte Künstler, der Homer im Original las, fühlte sich in seiner wohl glücklichsten Phase als Auftragsmaler für Moskauer Industrielle vor allem als neuer Renaissance-Maler und schuf etwa für die palladianisch konzipierte Dunker-Villa „Die Wahl des Paris“ als Triptychon, das den drei Göttinnen Juno, Venus und Minerva die Elemente Luft, Wasser und Erde zuordnete. Seinen griechischen Naturgott Pan versetzt Wrubel ins Dämmerlicht einer russischen Birkenlichtung und verleiht ihm märchenhafte Züge des slawischen Waldgeistes Leschi.

Dass Wrubels großes grafisches Werk aus den letzten Jahren weitgehend erhalten blieb, ist vor allem seinen behandelnden Nervenärzten zu verdanken. Unter der Aufsicht von W. Pomorzow entstehen eindringliche Farbstiftporträts an der Grenze zwischen Wahn und Expressivität, in der Klinik von Fjodor Usolzew zeichnet er Ärzte, Pfleger, aber auch seine Bettstatt oder eine Schneewehe, wobei er fast konstruktivistisch eckig-kristalline Strukturen herausarbeitet. Nach seiner Entlassung wurde ihm daheim eine ihm einst als Aschenbecher geschenkte Perlmuttmuschel zum Bildkosmos, deren Wölbungen, Brüche und Farbnuancen er mit Pastell und Zeichenstift in feinsten und fantastischen Nuancen einfing und sogar noch kleine Nymphenfiguren in ihnen erspähen konnte.

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