#Der Start ist hart
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„Der Start ist hart“
In wenigen Monaten beginnt für Christian Nötzold der Ernst des Lebens – zum dritten Mal. Nach der Einschulung und dem Wechsel von der Schule an die Universität endet bald sein Sportstudium an der Uni Mainz. Dann beginnt der Übergang ins Berufsleben. „So langsam kommt jetzt die Erkenntnis, dass das Studium bald vorbei ist“, sagt er. Seine Bachelorarbeit hat er im Sommer abgegeben, es fehlen noch zwei Praxisprüfungen und ein Praktikum.
Nötzold therapiert dann in einer Klinik Menschen mit psychischen und psychosomatischen Krankheiten mithilfe von Sport. „Ursprünglich wollte ich nach dem Studium ins Sportmanagement gehen“, sagt er. Aber die Sportpsychologie habe ihm dann während des Studiums besonders gefallen. Nach dem Bachelor will er noch einige Praktika absolvieren, um genau herauszufinden, was er später machen möchte. „Ich habe schon bei der Praktikumssuche gemerkt, dass der Übergang von Studium zu Beruf ganz schön schwierig wird“, sagt Nötzold. Es gebe zu viele Sportstudenten für zu wenige Jobs.
So wie ihm geht es vielen Studierenden. „Besonders in den Sprach- oder Geisteswissenschaften tun sich Studierende mit dem Übergang ins Berufsleben schwer“, sagt Kerstin Koch, die für die Bundesagentur für Arbeit in Darmstadt Schüler und Studierende in Berufsfragen berät. Dort seien die späteren Berufe nicht so klar definiert wie etwa in der Medizin oder im Lehramt. „Dass ein Historiker einen Job im Archiv oder Museum findet, ist eher unwahrscheinlich.“
Ein Drittel befürchtete Gehaltseinbußen
Etwa drei Monate brauchen Berufseinsteiger hierzulande nach dem Studium für die Stellensuche, weiß Kai Mühleck. Er forscht am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) unter anderem an Bildungsverläufen. Im internationalen Vergleich gelinge Hochschulabsolventen in Deutschland der Einstieg in den Arbeitsmarkt relativ gut. „Das liegt unter anderem an der guten Arbeitsmarktlage in Deutschland.“ Wer einen Abschluss an einer Fachhochschule oder einen Master an der Universität macht, finde in Deutschland meist eine „adäquate Beschäftigung“, erhält also eine Position und ein Gehalt entsprechend der Qualifikation. Nur wer nach einem Bachelor die Uni verlasse, habe etwas schlechtere Chancen auf eine passende Stelle.
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Doch durch Corona hat sich die Komplexität des Übergangs für viele verschärft. Viele Betriebe verhängten Einstellungsstopps, Werkstudenten verloren ihre Stellen, Karrieremessen fielen aus. „Durch Corona war es viel schwieriger für Studierende, Kontakte bei Unternehmen zu knüpfen und sich ein Netzwerk aufzubauen“, sagt Berufsberaterin Koch. Laut einer Umfrage des DZHW aus dem vergangenen Sommer rechneten vier von zehn Studierenden durch Corona mit Verzögerungen beim Eintritt auf den Arbeitsmarkt, ein Drittel befürchtete Gehaltseinbußen.
Selbst wer einen der begehrten Praktikumsplätze oder Studentenjobs ergattern konnte, startete meist im Homeoffice. „Das macht es ungleich schwieriger, die Teamstrukturen und Abläufe zu verstehen und sich zu integrieren“, sagt Ursula Krämer, die Studierende an der Uni Frankfurt in Berufsfragen berät. Dabei sei genau das für einen möglichst reibungslosen Übergang ins Berufsleben wichtig. Die meisten Stellenausschreibungen verlangten nicht nur Fachkenntnis, sondern auch praktische Erfahrung. Sie empfiehlt daher dringend Praktika, freie Mitarbeiten oder Werkstudentenjobs. „Ein Job während des Studiums wirkt sich positiv auf die Jobsuche und das künftige Einkommen aus“, sagt auch Mühleck. Und er hilft beim Netzwerken. Denn Unternehmen entscheiden bei Ausschreibungen weniger nach formalen Qualifikationen, sondern danach, ob sie die Bewerber schon kennen, meint Kerstin Koch. „Dann wissen sie, dass man sich auf eine Person verlassen kann und sie die Arbeitsabläufe bereits kennt.“
Steigendes Bedürfnis nach sicheren Arbeitsplätzen
Deshalb sollte man gerade in Studiengängen mit ungewisser beruflicher Perspektive möglichst früh die eigenen Stärken und Kompetenzen reflektieren. Das helfe nicht nur, die richtigen Praktika auszuwählen, sondern mache auch selbstbewusster für Bewerbungsgespräche. Denn im Zeitalter virtueller Assessment-Center ist die Hemmschwelle gestiegen, sich etwa in Gruppendiskussionen zu beteiligen.
Viele Unis bieten ihren Studierenden neben der Berufsberatung auch Karrieremessen oder Bewerbertage, bei denen Unternehmen und der akademische Nachwuchs einander kennenlernen. In Deutschland gebe es eine relativ enge Bindung zwischen Bildung und Beruf, sagt Hochschulforscher Mühleck. Dennoch sind die meisten Studiengänge sehr theoretisch geprägt. Nicht überall gibt es Pflichtpraktika. „Studierende sollten sich daher überlegen, wie sie ihr Wissen in die Praxis übertragen und kommunizieren können“, sagt Koch. Das Thema ihrer Abschlussarbeit etwa sollten Studierende auch einem fachfremden Personalmanager verständlich erklären können. In der Pandemie beobachtet sie bei immer mehr Studierenden ein steigendes Bedürfnis nach sicheren Arbeitsplätzen. „Es ist auch wichtiger geworden, in einer sicheren Branche zu arbeiten, die eine Zukunft hat.“ Das Sicherheitsbedürfnis zeige sich auch in Gehaltswünschen. „Vor Corona war das Thema Geld nicht so vordergründig.“ Da sei es eher darum gegangen, die richtige Stelle zu finden, etwas Sinnvolles zu tun. Aber auch das habe sich gewandelt.
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