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#Der Teufel hat uns die Kohle gebracht

„Der Teufel hat uns die Kohle gebracht“

Es ist heiß im brandenburgischen Braunkohlerevier. Polizisten und Verbrecher schwitzen. Die Erde in den Gärten der Häuser mit den altmodischen Tapeten ist hart wie Beton. Mit ihren verblassten Farben zeigen sich der Lausitzer Tagebau und die Gegend an seinen Rändern in der sechsteiligen Miniserie „Lauchhammer“ noch un­wirtlicher als in Wirklichkeit. Auch der Regen ist ohne Segen. Er zerstört den Ermittlern Spuren bei der Leiche von Ramona (Jule Hermann), einer siebzehnjährigen Schülerin. In der Nähe des Fundorts am Rand des Kohleabbaustreifens verspricht die Werbung des windigen Immobilienverkäufers Florian Langendorff (Arnd Klawitter) „Wohnen am See“.

Für die, die so schlau seien, jetzt in die Zukunft zu investieren, wenn die Grundwasserpumpen abgeschaltet werden. Man redet über den Klimawandel, allerdings wie über den SED-Parteisekretär früher. Kann man we­nig machen, wenn der sich überall einmischt. Lieber ducken und die anderen machen lassen. Zukunftsvorstellungen scheinen Mangelware.

Hier hängt man in der Aufarbeitung des DDR-Unrechts fest und an der Flasche wie Karl Briegand (Uwe Preuss) oder verwaltet bloß den Personalnotstand wie die jetzige Polizei. Manche essen sich ums Leben, andere wollen einfach weg. An Struktur- und Kulturwandel glauben wenige, auf Versprechen folgte immer noch Betrug, so sehen es die meisten. Im Überfluss gibt es in der Gegend bloß Crystal Meth, verkauft von angeblichen Zeitschriftenabo-Drückern, von Polizisten wie André Pötschke (Marc Hosemann) sichergestellt, in Asservatenkammern verwahrt und in „Lauchhammer“ so flächendeckend verbreitet wie die Kohle, die, so die lokale Sage, der Teufel unter die von Gott geschaffene wunderschöne Lausitz gelegt habe.

Jetzt besichtigen Touristen die Reste der Industrie

In dieser sechsteiligen Serie mit ihren etwa zwei Dutzend Rollen ist der Tagebau ein optisch überwältigender Mitspieler (Drehbuch Frauke Hunfeld und Silke Zertz). Drohnenaufnahmen der aufgerissenen Landschaft zeigen Geröllwüsten wie versteinerte Eingeweide eines einst lebendigen Landschaftsorganismus (die Kamera führt Felix Novo de Oliveira). Riesige Bagger schaufeln sich wie Dinosaurier aus Stahl an die restlichen Wälder heran. Wälder, in denen in „Lauchhammer“ jugendliche Klimaschützer aus der ganzen Welt ihr Camp aufgeschlagen haben, argwöhnisch beäugt von den ehemaligen Bergmannsfamilien, die immer noch stolz sind, mit ihrer Kohle einst das ganze Land warm gehalten zu haben. Auch wenn die weiße, bestickte sorbische Tracht am Hochzeitstag nach kurzer Zeit grau war vom Ruß in der Luft, ein Sinnbild, wie es in der Serie manche gibt. Jetzt besichtigen Touristen die Reste der Industrie, bestaunen das Ausmaß der Naturzerstörung und hören Geschichten von überlebtem Arbeiterstolz. Der auch eine Rolle spielt in den vielschichtigen Folgen, die nun bei Arte laufen (und in der Arte-Mediathek), im Oktober im Ersten (Regie Till Franzen).

„Lauchhammer“, als Krimi angelegt, gewinnt epischen Charakter, greift in Mentalitäten- und Industriegeschichte aus, ist Generationendrama und Emanzipationsgeschichte, konkrete Zustandsbeschreibung und vorsichtige Vision. Die Kohle ist nicht nur Motiv, sondern Bezugspunkt, einst Lebensgrundlage, emotionale Identifikation – und gleichzeitig Planetenzerstörer. Die Serie vermeidet den Debattierclub-Gestus fast durchweg, setzt stattdessen auf fiktionale Konkretion.

Misel Maticevic und Odine Johne sind als Maik Briegand und Annalena Gottknecht ein ungleiches Ermittlerpaar, dessen Kompetenzen und Herkunft sich ohne persönliches Tamtam ergänzen. Beide kommen vom LKA, von außen, nach Lauchhammer, um Ramonas Tod zu untersuchen. Gottknecht arbeitet überkorrekt, Briegand ist in Lauchhammer in einer Polizistenfamilie aufgewachsen und vor den Verhältnissen geflüchtet. Während Gottknecht ermittelnd Boden ge­winnt, muss Briegand sich um Tochter Jackie (Ella Lee) kümmern, die mit den Klimaschützern Aktionen plant. Der Fall Ramona weitet sich. Spuren verweisen auf Vertuschungen zu DDR-Zeiten, als es perverse Serienmörder nur beim Klassenfeind geben durfte.

Dass DDR-Unrecht in Fernsehserien fiktional aufgearbeitet wird, ist nicht neu. Von „Weissensee“ bis „Die Toten von Marnow“ reichen die Beispiele, die oft familiäre Beziehungen ins Zentrum stellen. In „Lauchhammer“ wird keine Familie, sondern eine Gemeinde erzählt. Der eigentliche Schluss betrifft nicht nur die Aufklärung der Verbrechen, sondern bemüht sich um die Basis einer Zukunft, die alle angeht.

Lauchhammer – Tod in der Lausitz, um 20.15 Uhr bei Arte und in der Mediathek.

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