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Der Tod hielt ihn wach

Seine folgenreichste Ausstellung, es war seine erste überhaupt, hatte niemand gesehen. Sie fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt: die „Ausstellung einer mit Heftpflaster zusammengezogenen Wunde“. Den Tatsachen entsprechend datierte Joseph Beuys sie auf das Jahr 1921, einer eigenen künstlerischen Intuition folgte er allerdings, indem er sie von Krefeld nach Kleve verlegte, seinen langjährigen Lebensmittelpunkt am Niederrhein. Dass er die eigene Geburt in seinem „Lebenslauf/Werklauf“ 1964 als Ausstellung auswies, mag befremdlich erscheinen, Zufall war es gewiss nicht, denn Beuys gilt als exemplarischer „Ausstellungskünstler“ im vorigen Jahrhundert – einer, der den Mehrwert des Arrangements und der Konstellation im Raum unnachahmlich auszuschöpfen wusste. Mit Heftpflaster hatte er schon 1960 eine Badewanne beklebt, in der er selbst angeblich als Säugling gebadet worden war, Beuys reagierte damit wohl auf das Urinal namens „Fountain“ von Marcel Duchamp, auf dessen OEuvre er 1958 in einer Dada-Ausstellung im Düsseldorfer Kunstverein aufmerksam geworden sein dürfte.

Tatsächlich hallt Beuys bis heute der Ruf eines genialen Gestalters in eigener Sache nach, der übrigens auch in pragmatischer Hinsicht schlau zu Werke ging. Als 1982 im Atrium des Martin-Gropius-Baus zu Berlin seine schwere Pyramide aus Lehm die Statik des Bodens allzu ernsthaft auf die Probe gestellt hätte, unterfütterte er jenes „Hirschdenkmal“ einfach mit einem Skelett aus Styropor. Aber nicht wegen solcher gewieften Einfälle galt Beuys als Ausnahmeerscheinung im Ausstellungsbetrieb. Er stiftete eine nur ihm gegebene Aura im Raum, eine unverwechselbare Schwingung, einen, wie man heute sagen würde, sehr speziellen „vibe“. Weshalb die wenigen Museen, in welchen er seine Werke einst eigenhändig eingerichtet hat, diese Räume heute wie die Sixtinische Kapelle hüten. Allen voran das Hessische Landesmuseum Darmstadt mit seinem „Block Beuys“ – um den war vor fünfzehn Jahren denn auch ein echter Glaubenskrieg ausgebrochen, als dieses seltsamste Kunstensemble der Moderne im Zuge einer Renovierung des gesamten Museums ebenfalls restauriert wurde. Der Streit um die mit Jute bespannten Wände, deren „teebraune“ Verfärbung Beuys warnend vorausgesehen, dann aber doch als unabänderlich hingenommen hatte, fiel heftig aus und endete nicht mit der richtigen Entscheidung, die Räume zu restaurieren anstatt sie einzubalsamieren.

Denkbar puristisch und kanonisch aus

Auch das Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum weiß sich noch im Besitz eines vom niederrheinischen Meister installierten Werkkomplexes mit der großartigen Atelier-Allegorie der „Barraque D’Dull Odde“ (1961/67); auch diese Hütte der Inspiration an verschrobenem Ort blieb übrigens nach Restaurierung des Museums dessen Stolz, wenn auch gerupft durch den Verkauf von Werken aus Sammlungsbesitz, der dem Haus lange als Leihgabe zur Verfügung gestanden hatte.

Seit Beuys’ Tod im Jahr 1986 aber muss die Museumswelt ohne dessen magischen Touch auskommen, Räume atmosphärisch aufzuladen, der sich bei der Einrichtung von Ausstellungen allenfalls rekonstruieren, nicht aber kopieren lässt. Diese Einsicht beherzigte anfangs kaum jemand so konsequent wie Armin Zweite, der am Münchner Lenbachhaus einen Kulturkampf für den Mann mit dem Hut ausgefochten hatte, als er 1992 mit der Beuys-Schau „Natur, Materie, Form“ als Direktor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen debütierte. Für dieses Solo räumte er die Landesgalerie weitgehend leer (eine Praxis, wie sie später im Frankfurter Museum für Moderne Kunst Schule machen sollte) und breitete das Werk denkbar puristisch und kanonisch aus – ganz und gar museal.

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