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#Der Tod in seinem Blut

„Der Tod in seinem Blut“

Meyer mit „ey“: wie der Klassiker Conrad Ferdinand und der Zeitgenosse E. Y. Meyer. Auch Meiers gibt es ein paar in der Schweizer Literatur – mehr jedenfalls als Müllers. Schweizerischer als Fritz Meyer kann man nicht heißen. Und vielleicht hat sein Schicksal auch damit zu tun: dass ein Schweizer Schriftsteller dieses Namens zur tragischen Figur der Literaturgeschichte und vergessen wurde.

„Ich unter anderem“, erschienen 1957, ist ein existenzialistischer Roman aus der Unterschicht und beginnt mit einem Skiunfall. Wochenlang liegt der Ich-Erzähler im Krankenhaus, er ist „der Beinbruch auf Zimmer 24“. Seine Eltern hat er verloren, er arbeitet als Lehrling, abends besucht er Vorlesungen der Volkshochschule. Hier lernt er die aus besseren Kreisen stammende Katharina kennen. Sie zieht ihn in ihren Bann – auch erotisch. Ihre Besuche bei dem Havarierten, der sie liebt, werden jedoch seltener. Die Krankenschwester Veronika bringt dem Patienten jede Nacht eine Orange.

Die Abgründe der menschlichen Existenz

Fritz Meyer erzählt mit Phantasien, Träumen, Erinnerungen und Sehnsüchten, die sich vermischen. Immer wieder setzt er zu ordnenden Zusammenfassungen an. Der Ich-Erzähler hört das Sterben anderer Patienten, die ins Badezimmer verlegt werden, „so beiläufig wie das Knarren eines Fensterladens im Wind“. Nach seiner Entlassung geht er an Krücken. „Das Grauen jener Minuten kann ich nicht wiedergeben, denn es hat nicht die geringste Beziehung zur Sprache“: Es ist der Moment, in dem er entdeckt, dass sich Katharina mit dem Professor eingelassen hat. „Ich müsste mich äußern in der Weise des Wurms, wenn er sich windet und krümmt.“

Fritz Meyer: „Ich unter anderem“.


Fritz Meyer: „Ich unter anderem“.
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Bild: Atlantis Verlag

Wenige Personen bevölkern die Erzählung, die in die Abgründe der menschlichen Existenz führt. Meyer verleiht seiner Geschichte einer unglücklichen Jugendliebe eine mythische Dimension. Katharinas Mutter hat ihre unerfüllten Sehnsüchte und existenziellen Enttäuschungen auf den Waisenjungen projiziert. Als dieser einsam und verzweifelt Katharina anruft, hört er im Hintergrund ihre Stimme: „Ist es Emil?“ Durch die Mutter bekommt er also am Ende der Erzählung einen Namen. Sie stirbt in der Nacht an einem Herzinfarkt. Von „Mörder“-Rufen begleitet verlässt er das Haus.

Veröffentlicht wurde „Ich unter anderem“ im längst abgewickelten Zürcher Verlag Fretz & Wasmuth, der ehedem eine erste Adresse war und eine Gesamtausgabe der Werke von Hermann Hesse herausgab. Die nunmehrige Neuauflage ist ein Ereignis. Felix E. Müller, langjähriger Chefredakteur der „NZZ am Sonntag“, wurde über Fritz Meyer promoviert. In einem Nachwort rekapituliert er das Leben des 1964 verstorbenen Schriftstellers, der drei Jahre älter als Max Frisch war. Meyer arbeitete als Lehrer in einem Vorort von Zürich. Unter „Horizontverengung“ habe er in den Jahren der geistigen Landesverteidigung gelitten. Müller vergleicht ihn mit Paul Nizon – für beide wurde Paris zum Fluchtort aus der Enge der Schweiz.

Raum und Zeit öffnen sich

Für Müller ist „Ich unter anderem“ das modernste Werk der Schweizer Literatur vor 1960. Die mangelnde Aufmerksamkeit und das Vergessen erklärt er mit dem Aufkommen einer neuen Generation. Die jungen Schriftsteller befreiten sich von den „Hemmnissen“ der geistigen Landesverteidigung. Im Gegensatz zu Max Frisch verpasste Fritz Meyer aus der Ferne den Anschluss an sie. Felix E. Müller misst dessen Buch an Frischs „Stiller“, dessen „Identitätssuche er bis in die letzte Konsequenz getrieben“ habe.

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