Nachrichten

#Der Tod lässt sich nicht berechnen

Der Tod lässt sich nicht berechnen

Zur ersten Gruppe der gegen Corona zu Impfenden gehören auch schwerstkranke Palliativpatienten mit kurzer Lebenserwartung und Hospizbewohner. Ist es sinnvoll, Sterbende zu impfen?

Sandra Kegel

Sandra Kegel

Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton.

Nein, meine persönliche Meinung ist, dass es keinen Sinn macht, Menschen nahe am Prozess des Sterbens zu impfen. Das Problem aber ist ein anderes. Denn der Tod lässt sich nicht genau berechnen. Meist weiß man nicht, wie lange Menschen noch zu leben haben. Palliativ bedeutet doch nur, dass keine neue Therapie mehr angefangen wird. Aber diese Kranken können noch länger leben. Und da fängt das Problem an, ethisch und medizinisch, nämlich zu definieren, wem man den Nutzen der Impfung noch zugestehen soll und wem nicht mehr, weil die Impfung eine zusätzliche Belastung darstellt. Der Arzt muss de facto entscheiden: Ich impfe den Patienten nicht mehr, das bedeutet, dass ich ihm dann den Impfschutz vorenthalte. Und sollte der Patient danach doch an Covid-19 versterben, was so unrealistisch ja nicht ist, dann hat der Arzt etwas unterlassen, was das hätte vermeiden können.

Was folgt daraus?

Ich bin kein Fachmann in Fragen der Ethik, aber das ethische und medizinische Dilemma dieser Abwägung ist äußerst schwierig und muss letztlich von den impfenden Ärzten geleistet werden. Viele Ärzte, die sich dankenswerterweise freiwillig gemeldet haben für die Verabreichung des Impfstoffs, haben aber im Hinblick auf die Indikationsstellung einer Impfung oftmals keine große Erfahrung. Und es ist ein echtes Problem. Natürlich ergibt es keinen Sinn, einen Sterbenden noch zu impfen. Das weiß die Ständige Impfkommission, das wissen wir alle. Das ethische Problem ist die Nutzenabwägung in vielen Fällen, die nicht wie ein konstruierter Fall so klar auf der Hand liegen.

Das Problem entsteht überhaupt nur dadurch, dass wir nicht genügend Impfstoff zur Verfügung haben.

Das kommt noch hinzu. Und das ist auch eine der Vorgaben, dass die Priorisierung der Empfehlung nur so lange Sinn macht und auch Gültigkeit hat, solange der Impfstoff ein knappes Gut ist. Denn nach wie vor gilt der Grundsatz, die Schwächsten auf jeden Fall zuerst zu schützen. Da müssen wir jetzt die Frage beantworten: Wann hört ein Schwächster auf, ein Schwächster zu sein?

Wann ist das der Fall?

In einem ständigen ethischen Dilemma: Thomas Mertens


In einem ständigen ethischen Dilemma: Thomas Mertens
:


Bild: Stefan Boness/Ipon

Das ist schwierig zu definieren. Und praktisch unmöglich, das in einer Leitlinie zu spezifizieren. Dass also ein impfender Arzt vor Ort dies in relativ kurzer Zeit formal abarbeiten könnte. Im Grunde ist und bleibt das die klassisch ärztliche Entscheidung, die ihm in dem Augenblick auch von niemandem abgenommen werden kann.

Wie soll er abwägen, wenn er dies aus medizinischen wie ethischen Gründen gar nicht abwägen darf?

Darin steckt das ganze Dilemma.

Auch der Todkranke hat einen Vorteil durch die Impfung. Ihm wird ein womöglich grausamer Corona-Tod erspart.

Richtig. Einen kranken Menschen der Gefahr eines schrecklichen Erstickungstodes durch eine Lungenentzündung auszusetzen, das muss auch bedacht sein. Ein Schwerstkranker, der die Impfung noch bekommt, erhält so die Chance, seines natürlichen Todes zu sterben. Das Problem liegt immer in der Differenzierung: Wann stirbt ein Mensch, und kann er das Anrecht auf den bestmöglichen Schutz eben des Schwächsten verlieren?

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!