Nachrichten

#„Detailperfektionismus – das ist typisch deutsch!“

Inhaltsverzeichnis

„Detailperfektionismus – das ist typisch deutsch!“

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist historisch niedrig. Gegenüber 2009 lag sie zuletzt um fast zwei Drittel tiefer. Seit einigen Jahren schon erwarten Beobachter einen deutlichen Anstieg, der aber auf sich warten lässt. In der Branche sei die Frage „Hast du die Welle schon gesehen?“ mittlerweile zu einer Art spöttischer Begrüßung geworden, sagt Rolf-Dieter Mönning, selbst Insolvenzverwalter und emeritierter Professor für Unternehmensrecht an der FH Aachen. „Es gibt weniger substanzielle Verfahren, auch Sanierungsverfahren nach dem neuen StaRUG, egal ob mittels Restrukturierungsplan oder Sanierungsmoderation, spielen keine Rolle“, sagt Mönning.

Einer der am häufigsten angeführten Gründe seien nicht zuletzt die Corona-Maßnahmen. Dazu gehöre zunächst einmal die scholzsche Bazooka. „Hinter vorgehaltener Hand hört man von manchem aus der Gastronomie, dass die Corona-Hilfen das beste Jahr denn je beschert hätten. Auf der einen Seite gab es Unterstützung, daneben wurde schwarz ausgeliefert.“ Das treffe natürlich nicht auf jeden Betrieb zu, sei aber eben auch die Kehrseite einer „Bazooka“, die nun einmal stets ausgesprochen wenig zielgenau sei. Und um die politisch heikle Lage nicht zu verschlimmern, habe man sicher bislang auch nicht allzu genau hingesehen.

Aber das ist wohl nur der eher kurzfristige Aspekt. Denn die Insolvenzzahlen sinken ja nicht erst seit 2020. Mönning sieht zwei wesentliche Faktoren für die rückläufige Entwicklung. Einer davon ist durchaus positiv. „20 Jahre lang haben wir gepredigt, dass Unternehmer frühzeitig Insolvenzanträge stellen sollen“, sagt er: „Aber erst die Generation der unter 50-Jährigen beherzigt dies wirklich. Sie denkt viel mehr haftungsvermeidend als der frühere Typus des beratungsresistenten Firmenpatriarchen. Sie kommen viel früher zur Beratung, sodass man frühzeitig außergerichtlich gegensteuern kann.“

Dass diese bitter notwendig ist, ist aber der zweite langfristige Aspekt der sinkenden Insolvenzzahlen. Das deutsche Insolvenzrecht sei mittlerweile vollkommen unübersichtlich geworden, sagt Mönning: „Regelverfahren, Eigenverwaltung, Schutzschirmverfahren, StaRUG, und das in diversen Spielarten. Als Unternehmer sind sie da hoffnungslos verratzt. Wenn jemand zu mir kommt und ich versuche ihm Möglichkeiten zu erklären, hat er oft das Gefühl, er bekomme ein juristisches Privatissime und keine praktische Handlungsempfehlung, die er aber eigentlich braucht.“

Kontraproduktive „Umkehrschübe“

Und was Mönning auch nicht bestreiten will, ist das Stigma, das der Insolvenz in Deutschland weiter anhaftet. In früheren Zeiten war das deutsche Konkursrecht ein Liquidationsrecht, neben dem es nur die Sequestration als Sanierungsform gab, die aber nicht gesetzlich geregelt war. Erst mit der Jahrtausendwende begann sich das zu ändern. Doch das Ergebnis hätte sich Mönning anders gewünscht: „Die Insolvenzordnung enthält mehr als 350 Vorschriften. Ohne die Begleitgesetze. Detailperfektionismus! Das ist typisch deutsch. Man versucht alles zu regeln, nicht zuletzt weil eine regelrechte Missbrauchsphobie herrscht. Aber ein Insolvenzantrag ist für einen Unternehmer immer eine Erschwernis, da steht der Missbrauch wahrlich nicht im Vordergrund.“

Vor allem die fortwährenden „Umkehrschübe“ seien kontraproduktiv, sagt Mönning: „Erst schafft man mit dem ESUG Zugangserleichterungen für die Eigenverwaltung, um wenige Jahre später mit dem ‚Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz‘ die Anforderungen so hochzuschrauben, dass diese wieder unattraktiv wird.“ Stets schwanke das Insolvenzrecht zwischen Schuldner- und Gläubigerzentriertheit. Dies sei nicht förderlich.

Das Misstrauen gegen das unverständliche Insolvenzrecht trage auch dazu bei, dass Insolvenzverwalter nicht von ihrem schlechten Image wegkämen, sagt Mönning. Hartnäckig halte sich das Bild des Abkassierers, der sich am Unglück der anderen bereichere. „Insolvenzverwalter werden scharf kontrolliert“, sagt Mönning: „Es gibt fast immer eine externe Schlussrechnung. Insolvenzverwalter sind vielmehr als kompetente Begleiter in einer schwierigen ökonomischen Situation zu begreifen.“ Mönning hat nun in seinem Buch „Krisenfälle – Insolvenzen hautnah“ versucht, die tatsächlichen Kernaufgaben eines Insolvenzverwalters „belletristisch darzustellen“, wie er sagt. In der Praxis gebe es gelegentlich auch eine faule Insolvenz, weil es nun einmal überall schwarze Schafe gebe. Und dass den häufig menschlich schwierigen Situationen nicht immer jeder zu jeder Zeit gewachsen sei, will Mönning auch nicht bestreiten.

In der Konsequenz habe diese Melange dazu geführt, dass Krisenfälle vermehrt außerhalb des Insolvenzrechts gelöst werden. Das viele Geld, das im Markt sei, neue Finanzierungsquellen wie Crowdfunding und die Kreditpolitik der Banken, die dann doch lieber einen Kredit ausreichten, als bei der EZB Negativzinsen zu bezahlen, habe dafür ein gutes Umfeld geschaffen. Kritisch seien allerdings die Folgen der Aussetzungen der Insolvenzpflicht zu bewerten, deren dritte, hochwasserbedingte, zum 1. Mai ausläuft. Der Nachweis dafür sei sehr streng gestaltet. Und Mönning will nicht ausschließen, dass in zwei, drei Jahren sich bei dem ein oder anderen Unternehmen herausstellen werde, dass der Anspruch nicht bestanden hatte. Auch diese Regelungen seien wieder sehr kompliziert gestaltet worden. Viel besser wäre es, findet Mönning, künftig in das Insolvenzrecht eine generelle Vorschrift für Naturkatastrophen aufzunehmen.

Für das laufende Jahr rechnet Mönning damit, dass die Verlagerung zu mehr Beratung und eher wenigen Insolvenzanträgen weitergeht. Eine Prognose zu den Insolvenzzahlen will er nicht abgeben, „aber ein Zuwachs von 5 Prozent, wie ihn etwa Creditreform erwartet, würde mich eher überraschen“.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!