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#Paris zeigt eine Ausstellung zum Flughafenarchitekten Paul Andreu

Tendenz zur Entmaterialisierung: Der französische Architekt Paul Andreu hat das Erscheinungsbild vieler Flughäfen in aller Welt geprägt. Eine Pariser Schau würdigt ihn aber auch als Maler und Autor.

Unter Frankreichs Baukünstlern von internationaler Statur nimmt Paul Andreu (1938 – 2018) eine Außenseiterrolle ein. Trotz seiner Bekanntheit ist der in frühen Jahren zum Wahlpariser gewordene Bordelaiser weder im eigentlichen Sinne bekannt noch wirklich anerkannt. Keine befriedigende Monographie beleuchtet bisher sein Leben und Werk, eine Lücke, die jetzt der materialreiche Katalog zu einer Ausstellung in der Pariser Cité de l’architecture et du patrimoine füllt. Hauptkuratorin Stéphanie Quantin-Biancalani gründet ihre Recherchearbeit namentlich auf Gespräche mit zwanzig ehemaligen Mitarbeitern und Vertrauten von Andreu sowie auf das Durchforsten der Archive von Aéroports de Paris.

Bei diesem staatlichen Unternehmen war der Architekt und Ingenieur zwischen 1963 und 2002 angestellt. Weder Chef eines eigenen Büros (ein solches gründete er erst im Rentneralter von 65 Jahren) noch Schöpfer ikonischer Wohn- oder Kulturbauten (eine Handvoll Ausnahmen bestätigt die Regel), entspricht Andreu nicht dem gängigen Bild des Stararchitekten.

Organisches Wachstum um eine starre Achse

Dabei wurde er, noch nicht dreißigjährig, mit dem Bau eines der wichtigsten Lufthäfen Europas betraut: der 1974 in Betrieb genommenen Aérogare 1 des nach Charles de Gaulle benannten Flugplatzes in Roissy nordöstlich von Paris. Von außen mag der brutalistische Betondiskus an Entwürfe der klassizistischen Architekten Boullée und Ledoux gemahnen, im Innern ist er ein Kind des Nachkriegsbooms. Eine psychosoziale Erhebung verortete seinerzeit die (gemischten) Gefühle der Gäste vor dem Abflug zwischen den Polen Fremdheit und Vertrautheit, Beklemmung und Vorfreude, Nostalgie und Euphorie. Adrian Frutigers gelbe Signaletik und Joseph-André Mottes schlangenförmige Sitzbänke in saftigem Orange (sie wurden 2004 ersetzt) suchten die entsprechenden Spannungen abzubauen.

Frühwerk: Aérogare 1 des Flughafens Roissy-Charles-de-Gaulle folgt noch dem Gestaltungsideal des Brutalismus.


Frühwerk: Aérogare 1 des Flughafens Roissy-Charles-de-Gaulle folgt noch dem Gestaltungsideal des Brutalismus.
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Bild: Pariser Cité de l’architecture et du patrimoine

Die Aérogare 2, die Andreu mitsamt Regionalzug- und TGV-Link zwischen 1969 und 1995 errichtete, setzt im Gegensatz zur Aérogare 1 auf gläserne Transparenz und auf ein quasi organisches Wachstumsprinzip: An die Starrachse des Straßensystems können je nach Bedarf neue Satelliten, Module oder Hallen angebaut werden. Mit der Visitenkarte dieser beiden so gegensätzlichen Terminals baute Andreu für Aéroports de Paris (ADP) von 1974 an Flughäfen in – chronologisch – Abu Dhabi, Jakarta, Dakka, Daressalam, Kairo, Nizza, Brunei, Conakry, Montpellier, Santiago de Chile, Bordeaux, Manila, Pointe-à-Pitre, Sanya (China), Eldoret (Kenia), Teheran und Dubai.

Einen Höhe- wie Tiefpunkt seiner internationalen Bautätigkeit bildete Ende der Achtzigerjahre der Wettbewerb für die Konzeption des Kansai-Flughafens auf einer künstlichen Insel in der Bucht von Osaka. Andreu gewann die Ausschreibung mit einem funktionalen Entwurf, der drei Niveaus für Inlandflüge sowie für internationale Ankünfte und Abflüge in einem „Canyon“ übereinander lagerte, solcherart die Gehdistanzen drastisch reduzierend. Aber kurz darauf rief der Bauherr einen internationalen Wettbewerb für die Wahl eines „design architect“ aus, in dem Renzo Piano und Noriaki Okabe mit einem lyrischen Hightech-Projekt obsiegten.

Paul Andreu während einer Vernissage im April 1991


Paul Andreu während einer Vernissage im April 1991
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Bild: Pariser Cité de l’architecture et du patrimoine

Die Episode zeugt vom eingangs erwähnten Mangel an Anerkennung für Andreu als Baukünstler. Aber auch von der Wertschätzung, die ADP als „Ermöglicher“ von Bauvorhaben mit Übergröße genießt. Unter Andreus Leitung rivalisierte die vierhundertköpfige Direction de l’architecture et de l’ingénierie des Staatsunternehmens mit den größten privaten angelsächsischen Ingenieurbüros.

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