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#Die bunte Provokation

Die bunte Provokation

Der Ort, an dem die katholische Kirche herausgefordert wird, könnte kaum unscheinbarer sein. Von außen ist die Kirche Maria Hilf in Frankfurt ein schmuckloser Betonbau aus den Fünfzigerjahren. Drinnen stehen Holzbänke um einen Altar in der Mitte, gut 20 Männer sitzen in coronakonformem Abstand.

Dass neben der Organistin nur eine Frau da ist und keine Kinder, das fällt auf. Es ist aber der Altar, der die Provokation darstellt: eingehüllt in eine Regenbogenflagge, das Symbol der sexuellen Minderheiten.

Es ist der erste Sonntag im Monat, 18.30 Uhr, und zu dieser Zeit steht der Gottesdienst des Projekts „Schwul und katholisch“ im Plan. So bezeichnet sich die Gruppe offiziell, als „Projekt“, denn auch wenn sie hier als Gemeinde bezeichnet wird, ist sie das im kirchenrechtlichen Sinn nicht.

Als Homosexualität noch als Krankheit galt

In diesem Jahr feiert die Gemeinde ihr 30-Jähriges. Am 7. April 1991 war es, dem Weißen Sonntag, als eine Handvoll schwuler Gläubiger ihren ersten Gottesdienst feierte, in der Kapelle der katholischen Hochschulgemeinde. Der studierte Theologe Georg Trettin (Transparenzhinweis: damals bei der F.A.Z. beschäftigt) hatte die Idee, er fand Mitstreiter in zwei ehemaligen Kommilitonen. Schon zu Pfingsten zog die Initiative in die Kirche Maria Hilf um, wo sie von der Gemeinde akzeptiert wurde und auch deren Räume nutzen durfte. Sie blieb dort bis heute.

In anderen Städten, in München oder Münster oder Stuttgart, gründeten sich danach ähnliche Gemeinden – die in Frankfurt war die erste ihrer Art in Deutschland. Einmal in der Woche wurde fortan ein schwuler katholischer Gottesdienst gefeiert; heute findet er noch einmal im Monat statt. Dass hier nur von schwul die Rede ist, entspricht den Tatsachen: Lesben oder Transsexuelle kamen kaum, etwa neun von zehn Teilnehmern waren schwule Männer. Sie kamen aus dem ganzen Umkreis, aus Darmstadt oder Heidelberg, Mainz oder Kassel; so berichtet eine 2012 erschienene Dissertation des Theologen Gregor Schorberger, der selbst Mitglied der Gemeinde ist.

 Hat keine Erwartungen mehr an die Kirche: Thomas Pöschl


Hat keine Erwartungen mehr an die Kirche: Thomas Pöschl
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Bild: Nerea Lakuntza

Man muss diese Leistung anerkennen, Anfang der Neunziger eine solche Gemeinde zu gründen – nicht nur innerhalb der Kirche, sondern überhaupt. Das geschah in einer Zeit, als die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität noch in ihrer Klassifikation der Krankheiten führte – und als in Deutschland noch der Paragraph 175 StGB galt, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte; 1969 und 1973 entschärft, wurde er erst 1994 ersatzlos gestrichen. „Homosexualität war damals etwas, über das schlicht nicht geredet wurde“, sagt Thomas Pöschl.

Pöschl – 60, freundliche Augen hinter der roten Brille, der Bart mehr weiß als grau – ist unter den Aktiven in der Gemeinde mit am längsten dabei. Er sitzt in der Sakristei, an der Wand ein Kruzifix und ein Bild des Bischofs, als er seine Geschichte erzählt. Er wuchs im fränkischen Fürth auf, der Kirchgang gehörte in seiner Familie zum Sonntag wie das anschließende Mittagessen. Trotzdem sei er kein „Hardcore-Katholik“ gewesen, sagt er, er ging in keine Maiandacht, war kein Ministrant. Auf die nötige Distanz zur Kirche hätten die Eltern geachtet, schließlich hatten sie selbst ihre Konflikte mit ihr. Der Vater katholisch, die Mutter evangelisch – in den Sechzigern war das noch anstößig. Wenn der Vater sonntags mit den Söhnen die Messe besuchte, blieb die Mutter daheim und kochte.

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