Wissenschaft

#„Boarding“ per Elektro-Sprung

Video: Ein Fadenwurm springt auf den haarigen Körper einer elektrostatisch geladenen Hummel. © Current Biology/Chiba et al.

Würmer können nur kriechen, könnte man meinen. Doch nun zeigt eine Studie, dass zumindest kleine Fadenwürmer auch zu Sprüngen fähig sind: Diese Modelltiere der Forschung nutzen offenbar gezielt elektrostatische Anziehungskräfte, um von A nach B durch die Luft zu sausen. So können sie etwa auf Hummeln landen, um sich von ihnen anschließend durch die Luft befördern zu lassen. Möglicherweise ist diese Elektro-Methode zum „Boarding“ auch bei anderen Winzlingen verbreitet, sagen die Forscher.

Er ist der Wurm der Wissenschaft: Der Nematode Caenorhabditis elegans wird vor allem in der Entwicklungsbiologie und der Genetik weltweit als Modellorganismus in Laboren genutzt. Natürlicherweise lebt dieser bis zu etwa einem Millimeter lange Vertreter der Fadenwürmer in Böden und ernährt sich dort von Bakterien. C. elegans lässt sich aber auch vergleichsweise einfach für Untersuchungszwecke in Kulturgefäßen züchten. Durch die intensive Forschung an diesem Tierchen ist bereits viel über seine Merkmale und Verhaltensweisen bekannt. Doch nun hat ein japanisches Forscherteam noch eine weitere, buchstäblich spannende Fähigkeit der Winzlinge aufgezeigt.

Wie kommen die Würmchen an den Deckel?

Wie die Wissenschaftler berichten, stand am Anfang der Entdeckung eine Beobachtung im Rahmen der üblichen Arbeit mit den Versuchstieren im Labor: Es fiel ihnen auf, dass die von ihnen gezüchteten Würmer sich überraschend häufig auf den Deckeln der Petrischalen aufhalten, die dem Nährmedium gegenüberliegen. So fragten sich die Forscher, auf welche Weise sie sich dorthin bewegen. Um dies zu klären, nahmen sie die Winzlinge mit Videokameras ins Visier. Durch die Aufzeichnungen entdeckten die Wissenschaftler dann, dass die Würmchen nicht nur an den Wänden der Schale hochkrochen: Sie beobachteten, wie einige Nematoden vom Boden der Schale an die Decke sprangen.

Diesem Phänomen gingen die Forscher anschließend durch Experimente genauer auf den Grund. Schnell wurde klar, dass den Sprüngen eine elektrostatische Kraft zugrunde liegt: Der Deckel der Petrischalen kann im Vergleich zur Unterlage eine elektrische Ladung besitzen, die ausreicht, um für eine Anziehungskraft mit Sprung-Wirkung zu sorgen. Es handelt sich dabei um den Effekt, der beispielsweise auch Haare zu Berge stehen lässt, wenn sich ein durch Reibung aufgeladener Luftballon nähert.

Durch Versuche mit geladenen Glaselektroden konnten die Forscher schließlich genauer zeigen, wie die Würmer auf Potenzialunterschiede reagieren. Dabei zeichnete sich ab, dass es sich nicht nur um einen passiven Effekt handelt: Die Würmer richten sich offenbar bei der Wahrnehmung einer elektrostatischen Kraft gezielt auf, um sich von ihr mitreißen zu lassen. „Die Würmer stellen sich auf den Schwanz, um die Oberflächenenergie zwischen ihrem Körper und dem Substrat zu verringern und sich so leichter an Objekte anheften zu können“, sagt Co-Autor Takuma Sugi von der Hiroshima Universität.

Hop-on-Methode für Flugreisen

Doch warum sollten sie das tun? Wie das Team erklärt, könnte das Verhalten der Verbreitung der Würmer „per Anhalter“ dienen: Es ist bekannt, dass sich C. elegans etwa an Schnecken anheftet, um sich von ihnen energiesparend fortbewegen zu lassen. Die Würmer wurden aber auch schon auf geflügelten Insekten gefunden. Im Gegensatz zu Schnecken erschien dabei unklar, wie die Winzlinge diese Transportmittel besteigen. Die aktuelle Entdeckung bietet dafür nun eine mögliche Erklärung. „Es ist bekannt, dass Bestäuber wie Insekten und Kolibris elektrisch geladen sind“, sagt Sugi.

Um auszuloten, inwieweit die Würmer dieses Potenzial zum Aufspringen tatsächlich nutzen können, führten er und seine Kollegen Versuche mit Hummeln durch. Sie verpassten den Insekten dazu elektrostatische Ladungen, wie sie auch natürlicherweise auftreten können und setzten sie für Experimente mit C. elegans ein. Dabei zeigte sich: Wenn die Würmer in die Nähe der Hummeln kamen und die Ladung spürten, stellten sie sich auf den Schwanz und sprangen dann schließlich über eine maximale Distanz von 2,4 Millimetern an Bord. Einige Würmer stapelten sich sogar übereinander und sprangen dann gemeinsam in Kolonnen auf die Hummeln. Es wurde somit deutlich, dass das Phänomen eine ökologische Bedeutung für Fadenwürmer und möglicherweise auch für andere kleine Organismen haben kann, resümieren die Forscher.

Video: Eine zusammenhängende Gruppe von Würmern hebt gemeinsam ab. © Current Biology/Chiba et al

Durch weitere Untersuchungen wollen sie sich nun der Frage widmen, worauf die „Begabung“ von C. elegans zum Elektro-Springen basiert. Dabei ist ihnen zufolge günstig, dass es sich um einen Modellorganismus handelt: „Es gibt gut etablierte genetische Methoden zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Verhalten, neuronaler Aktivität und Genen“, schreiben die Wissenschaftler. Möglicherweise lassen sich also bestimmte Veranlagungen aufdecken, die bei dem elektrostatischen Sprungverhalten eine Rolle spielen, so das Team.

Quelle: Cell Press, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.05.042

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