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#„Die deutsche Autoindustrie wird es so in 20 bis 30 Jahren nicht mehr geben“

„„Die deutsche Autoindustrie wird es so in 20 bis 30 Jahren nicht mehr geben““

Herr Dustmann, die ganz Welt redet gerade über ChatGPT und darüber, dass diese Künstliche Intelligenz den Menschen viele Aufgaben abnehmen kann. Wird diese Innovation schon bald unser Fachkräfteproblem lösen?

Sie kann viele Probleme lösen, aber das eher nicht. Denn trotz aller beeindruckenden Fortschritte schafft diese Technologie noch lange nicht, was Menschen in gut organisierten Arbeitsprozessen leisten – vor allem nicht deren Kreativität, die wesentlich aus Teambildung und Interaktion am Arbeitsplatz entsteht. Künstliche Intelligenz kann riesige Mengen von Information verarbeiten und verknüpfen. Aber an die Fähigkeit von Menschen, Dinge zu beurteilen und zu entscheiden, reicht sie bisher nicht heran.

Aber menschliche Arbeit besteht ja nicht allein aus kreativen Prozessen. Kann KI nicht zumindest viele Routinearbeiten übernehmen?

Natürlich kann sie vieles automatisieren, was bisher Menschen tun. Das führt im Ergebnis aber eher dazu, dass sich Tätigkeiten wandeln und oft anspruchsvoller werden. Wenig deutet darauf hin, dass damit die Nachfrage nach menschlicher Arbeit insgesamt sinkt. Als vor 30, 40 Jahren die ersten Computer in die Betriebe kamen, galten diese als große Gefahr für viele Arbeitsplätze – aus heutiger Sicht eine unbegründete Sorge.

Für die einzelnen Beschäftigten kann das aber doch zu Unsicherheit oder gar Arbeitsplatzverlust führen.

Ohne Frage. Die Herausforderungen am Arbeitsplatz sind größer geworden, und zugleich nimmt auch noch die Dynamik des Wandels zu. Allerdings wachsen in einer dynamischen Wirtschaft auch die Chancen für betroffene Arbeitskräfte, neue Bereiche und Aufgaben zu finden, die zu ihren Fähigkeiten passen.

Ist das für die einzelnen Betroffenen nicht ein eher schwacher Trost?

Ich will das auf keinen Fall kleinreden. Nähere Analysen zeigen aber, dass dieser Prozess, zumindest in Deutschland, sehr häufig ohne Arbeitsplatzverlust abläuft: Der Wandel findet meist innerhalb der Betriebe statt und damit erstaunlich friktionsarm – also gerade nicht über Massenentlassungen und Personalaustausch im großen Stil, wie oft vermutet wird. Betriebe führen neue Technologien ein, verändern ihre Produktionsabläufe – aber ihre Beschäftigten bleiben dabei, passen sich durch Einlernen und Weiterbildung an die veränderten Anforderungen an – und profitieren am Ende häufig sogar durch höhere Löhne.

Es geht also viel um Qualifizierung. Wenn der Wandel so abläuft – was kann oder soll Politik dann fördernd tun?

Deutschland ist in der günstigen Lage, dass es seit jeher ein hochwirksames und weltweit ziemlich einmaliges Fördermodell hat: sein System der beruflichen Bildung, die nach anerkannten Lehrplänen läuft und zugleich ganz eng an die Betriebe angebunden ist. Dieses Modell ist im Grunde existenziell für die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft.

Was macht es so besonders?

Allein dieses System bereitet fortlaufend mehr als die Hälfte jedes Altersjahrgangs gleich nach der Schulzeit für den Arbeitsmarkt vor. Es funktioniert dezentral und marktnah: Die Betriebe einer Region bieten Ausbildungsplätze vor allem in Berufen an, in denen sie auch Arbeitskräfte suchen. Deswegen klappt der Übergang in Beschäftigung besser als in Ländern mit akademisch geprägter Berufsbildung wie beispielsweise in den USA: Dort gehen junge Leute nach der Schule erst zum College, der Eintritt in den Arbeitsmarkt erfolgt dadurch später. Deutschland hat sozusagen Tausende kleine Hochschulen in Stadt und auf dem Land – die Praxis und Theorie im Zusammenspiel von Betrieb und Berufsschule auf einzigartige Art verzahnen. Und es werden damit die unterschiedlichen Potentiale verschieden begabter Menschen gut gefördert und ausgeschöpft.

Christian Dustmann ist Professor am University College London und einer der weltweit führenden Arbeitsmarkt- und Migrationsforscher.


Christian Dustmann ist Professor am University College London und einer der weltweit führenden Arbeitsmarkt- und Migrationsforscher.
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Bild: Micha Theiner/Visum

Muss Politik also gar nicht mehr viel tun, um Qualifizierung fördern?

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