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#Die Düttmann-Legende

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Die Düttmann-Legende

Wie Montessori-Lehrmaterial sehen die alten Pläne der Friedrichstadt aus, des nach dem ersten preußischen König benannten Teils von Berlin. Im Straßennetz der mit dem Lineal entworfenen Musterstadt klaffen zwecks Demonstration des Spielraums der geometrischen Möglichkeiten drei Löcher: ein (als solches bezeichnetes) „Achteck“ am Potsdamer Tor (heute der Leipziger Platz), ein (quadratisches) „Viereck“ am Brandenburger Tor (heute der Pariser Platz) und ein „Rondell“. Der Rundplatz am Halleschen Tor hieß seit 1815 Belle-Alliance-Platz, nach dem „schönen Bündnis“, auf dessen Sieg Blücher und Wellington anstießen, als sie am Abend der Schlacht von Waterloo in dem Gasthaus zusammentrafen, in dem Napoleon sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. 1947 wurde der Belle-Alliance-Platz in Mehringplatz umbenannt, nach Franz Mehring, dem Historiker der Sozialdemokratie, dessen bekanntestes Buch „Die Lessing-Legende“ ist, die Kritik der Rekrutierung des aufgeklärten Dichters für den Hohenzollernkult des nationalliberalen Bürgertums.

Patrick Bahners

Patrick Bahners

Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

Die Umwidmung zu Ehren eines „sozialistischen Theoretikers“ nannte Wolf Jobst Siedler 1993 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abschätzig einen „wunderlichen Akt der Demokratisierung“. Aber der Akt hatte geschichtsphilosophischen Sinn: Mit seiner mondänen Bebauung war der Belle-Alliance-Platz der Geschichtsort eines militärisch-kulturindustriellen Ideenkomplexes gewesen, der noch heute als großbürgerlich-idealistisches Berlinbild fortlebt. 1945 war die Bebauung zerstört, und bald zerschnitt die Sektorengrenze die Friedrichstraße. Mit dem Wiederaufbau des Viertels um den Mehringplatz wurde Hans Scharoun beauftragt, der die Aufgabe an seinen Schüler Werner Düttmann weitergab.

Der neue Mehringplatz, 1975 eingeweiht, wurde als geschichtsfeindlich geschmäht: Blücher sei rangegangen wie Blücher. Dabei ist der Platz buchstäblich um die barocke Grundidee zentriert: Düttmann hob das Rondell hervor, indem er einen doppelten Ring von Wohn- und Geschäftshäusern um den Platz mit dem Siegesengel Christian Daniel Rauchs legte. Runder Pflock ins runde Loch: So hatte Düttmann es gemacht, aber den Feinden des früheren Senatsbaudirektors kam es falsch vor.

Zu Düttmanns hundertstem Geburtstag am heutigen 6. März hat das von ihm erbaute Brücke-Museum eine Ausstellung organisiert, deren im Stadtraum begehbarer Teil von heute an zugänglich ist. Am Mehringplatz konkurrieren die in einem Metallgestell bereitstehenden Informationstafeln am nördlichen Zugang des Rondells mit gerahmten Informationen, die zu einem unbekannten Zeitpunkt in einem der Durchgänge des inneren Rings im Süden angebracht wurden. Dort wird die Geschichte des Ortes wie ein Musterfall des neuen Bauens der Nachkriegszeit erzählt, nach dem Schema von Verheißung und Enttäuschung. Der Bezirksbürgermeister habe 1975 noch von einem der „schönsten Plätze Berlins“ gesprochen, doch „viele Hoffnungen“ hätten sich nicht erfüllt.

Der Streit um die autogerechte Stadt

Zwei Gründe des Missfallens werden hier unter der Überschrift „Der Mehringplatz 1947 bis heute“ genannt, die aus der architekturkritischen Publizistik geläufig sind und sich nicht auf das Rondell beziehen, sondern auf dessen unmittelbare Umgebung, die Scharoun gemäß dem Programm der sogenannten autogerechten Stadt geplant hatte. „Wilhelm- und Lindenstraße laufen jetzt am Platz vorbei. Die Randbebauung, ursprünglich als Abschirmung für die dann nie gebaute Stadtautobahn gedacht, wirkt erdrückend und unproportioniert.“ Fiel der Ortsgeist dem Zeitgeist zum Opfer, dem sozialtechnologischen Glauben an die Planung? Zu diesem Verdacht passt die Tatsache, dass die Wohngebäude am Mehringplatz von der Neuen Heimat errichtet wurden. Michael Mönninger, früherer Architekturredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, hat unlängst in seinem Buch über die Hauszeitschrift der Gewerkschaftsfirma als Chronik einer utopischen Bauepoche auch den Artikel über den Mehringplatz aus Heft Nr. 4 des Jahrgangs 1971 faksimiliert.

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