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#Die Hauptwache, Tor zur Hölle

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Die Hauptwache, Tor zur Hölle

Nachts duckt sich hier Gastronomie, umzingelt von greller Reklame teils amerikanischer („Coca Cola“), teils einheimischer („Frankfurter Rundschau“) Prägung, ängstlich auf den Asphalt und erwartet Schläge, Schüsse oder einen knallroten Porsche, der gleich gegen eine Hauswand kracht, weil ein Geheimagent der USA an Lenkrad und Bremsen gefummelt hat. Die CIA bespitzelt von der Hauptwache aus nämlich den Bundesnachrichtendienst, was die Geliebte eines auswärtigen Spions mitgekriegt hat, die ihn mit diesem Wissen zur Heirat erpressen will. Ihr gehört das Auto; sie ist Model (typischer Frauenberuf im Westen) und dem Mistkerl rettungslos verfallen, der aber kaum Zeit für sie hat, da er eine Leipziger Außenhandelsexpertin (typischer Frauenberuf im Osten) zu manipulieren versucht, weil er nicht weiß, dass diese schon nach dem ersten Abwerbeversuch Kontakt mit dem Ministerium für Staatssicherheit aufgenommen hat. Das MfS füttert seither die Transatlantiker mit erstunkenem und erlogenem Material, bis es ihnen zu den Ohren rauskommt.

Diese komplexe Handlung hat sich für die DDR-Fernseh-Spielfilmproduktion „Pygmalion XII“ (1971) der findigste Thrillerautor aller Staaten des Warschauer Vertrags ausgedacht, Harry Thürk (unter anderem Verfasser des Anti-Dissidentenklassikers „Der Gaukler“, 1978), und die Regisseurin Ingrid Sander holt das Giftigste aus Thürks Schurken heraus, vor allem dem überragend miesen Jack Recknitz als Meuchelmörder Jack Treets, der auch in stockfinsterer Nacht nur getönte Brillen trägt.

Ein dekadentes Höllenloch

Das Stärkste an der irren Sache ist die Vision von Frankfurt am Main, die sie bietet: Ein dekadentes Höllenloch, in dem sich altansässige wie von auswärts hereingeschneite Ungeheuer in plüschverseuchten Kellerclubs von schmierigen Quizmastern Modeschauen ausrichten lassen, damit sie ihren Frauen allerlei Lack und Leder kaufen können, um diese in Villen, wo ständig neue, noch teurere Farbfernseher installiert werden, bei jeder Umarmung fast zu erwürgen. Halbseidene Intellektualität (Adorno!) hypnotisiert in dieser Stadt die jungen Leute, die dann orientierungslos auf Tanzschiffen im Main herumtorkeln, während nebenan bestechliche Anwälte Briefe mit wächsernen Siegeln an grinsende Killer verhökern.

Das DDR-Film-Thrillerschaffen der Siebziger hatte offenbar, das zeigt nicht nur dieser Hit, ein tiefes Hassliebe-Ding mit der internationalen Drehscheibe Hessens am Laufen. Man begegnet dem Phänomen sogar auf dem Gipfel des Genres, in der Serie „Das unsichtbare Visier“ (1973 bis 1979). Darin darf Armin Müller-Stahl als Aufklärungsspezialist Werner Bredebusch („James Bond des Ostens“) mit der Kollegin Winnie Winkelmann zusammenarbeiten, verkörpert von Jessy Rameik und installiert als angebliche Fotostudio-Freiberuflerin in einer Frankfurt-Version, die sich von der bei „Pygmalion XII“ gezeigten zwar formal, aber nicht inhaltlich unterscheidet: Im „Visier“ durchdringt amerikanischer Geld- und Vulgärdreck die Stadt nicht bis ins Innerste, sondern ist bloß Fassade wie das Coca-Cola-Schild, das man einer urdeutschen Imbissbude als Schamschürzchen der Modernisierung umhängt. Aber hinter so gut wie allem, was hier passiert, stecken alte Nazis, nicht weniger sündhaft als die Cowboys.

Ob also das NATO-Bündnis ein Trick der Deutschen ist, die Amerikaner für ihren Revanchismus einzuspannen, oder umgekehrt ein Kniff der Jungs aus Washington, gutgläubige Mitteleuropäer im Stellungskrieg gegen den Sozialismus zu verheizen, bleibt sich gleich, wenn nur erkennbar wird, dass das alles ganz fürchterliche Leute sind – schade, dass man den vollends verrückten Krimi, den die betreffenden DDR-Talente aus der Pointe „die NSA hört Merkel ab“ gezwirbelt hätten, nicht mehr zu sehen bekommen wird; fest steht indes für alle, die sich in der Geschichte dieser Unterhaltungsgattung auskennen, dass darin irgendeine Blutspur auf die Zeil oder nach Bockenheim geführt hätte.

Im „unsichtbaren Visier“ kann ja selbst ein lauschiger Spaziergang Winkelmanns mit Bredebusch im Palmengarten die beiden nicht davon ablenken, dass eine Stadt, in der persönliche Referenten eines Wehrmachtsverbrechers Unbedarfte mit den Worten „nichts Menschliches ist uns fremd“ ins Bahnhofsviertel einladen (zu Sauereien natürlich), ein Zentrum des Abscheulichen ist, welches die Westmächte nur deshalb nicht als BRD-Hauptstadt haben wollten, weil sich sonst auf dem Globus bald herumgesprochen hätte, dass es in diesem Staat nach Pech und Schwefel stinkt.

Im Rückblick auf solche reizvollen Gruselreißer aus der Ära des Systemkonflikts muss man jenen Westmächten zustimmen: Verwaltungsunfug sollte man wirklich eher in Bonn, Berlin und Brüssel treiben; Papierkram und politische Kulissenschieberei. Den Teufel darf man damit nicht behelligen; der trinkt lieber im Rotlicht (und in Ruhe) seinen Ebbelwoi.

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