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#„Die Hilfen sind unwirksam“

„Die Hilfen sind unwirksam“

Noch mal drei Wochen Lockdown, noch mal drei Wochen Stillstand zahlreicher Wirtschaftszweige: Trotz der damit verbundenen hohen Kosten stehen viele Ökonomen aber nach wie vor hinter dem Corona-Kurs von Bund und Ländern.

Julia Löhr

Niklas Záboji

„An Lockerungen sollte man nur dort denken, wo der Inzidenzwert von 50 unterschritten wird“, sagte Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, der F.A.Z. „Neue Exit-Strategien sind meines Erachtens verfrüht.“ Die Zahl der Geimpften sei noch nicht sehr hoch, und vor allem wisse man derzeit noch nicht, wie sich die Feiertage auf die Infektionslage auswirkten.

Es gibt aber auch Kritik, dass es angesichts der drohenden irreparablen Schäden nach diesem Monat so nicht mehr weitergehen könne. „Ab Ende Januar ist auch deshalb eine schrittweise Öffnung von Hotels, Gaststätten und Einzelhandel geboten, weil nach drei Monaten Schließung für viele die Existenzfrage unausweichlich ist“, sagte Michael Hüther, der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

Das liege nicht zuletzt an den Mängeln der Staatshilfen. Diese wirkten „nicht wirklich“, moniert Hüther mit Blick darauf, dass von den 127 Milliarden Euro an Sofort-, Überbrückungs-, November- sowie Dezemberhilfen bislang nur rund 20 Milliarden Euro abgeflossen sind.

Vor allem größere Unternehmen dürften Probleme haben

Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass das Bundeswirtschaftsministerium ausgerechnet kurz vor dem neuen Bund-Länder-Krisengipfel am Dienstag vermeldete, dass nun die ersten Überweisungen aus der Dezemberhilfe erfolgen.

Dabei handelt es sich jedoch noch nicht um den 75-prozentigen Umsatzersatz, mit dem der Bund Gastronomie, Hotellerie und Veranstaltungswirtschaft für die angeordneten Schließungen entschädigen will. Zunächst gibt es Abschlagszahlungen, eine Art Vorschuss. Bis zu 50.000 Euro erhalten Unternehmen, Solo-Selbständige bis zu 5000 Euro.

Eine Neuauflage dieses Hilfsprogramms ist derzeit nicht geplant. Für den Januar gibt es für die geschlossenen Betriebe Zuschüsse zu den Fixkosten von bis zu 500.000 Euro im Monat, die sogenannte Überbrückungshilfe III. Allerdings gestaltet sich schon die Auszahlung der Überbrückungshilfe II aus dem vergangenen Jahr schleppend, was in der Wirtschaft seit Wochen für Unmut sorgt.

Mit den ersten regulären Auszahlungen aus der Überbrückungshilfe III rechnen Bund und Länder „im ersten Quartal 2021“. Damit werden Befürchtungen bestätigt, das Geld könnte erst im März fließen. Vor allem größere Unternehmen dürften Probleme haben, mit den Vorschüssen so lange über die Runden zu kommen.

„Die Hilfen sind unwirksam“

Unter den großen Wirtschaftsverbänden stellt sich langsam, aber sicher Ernüchterung ein. „Den Lockdown einfach nur zu verlängern und keinerlei Perspektiven oder Pläne für eine Wiedereröffnung der Geschäfte zu präsentieren – das reicht nicht“, kritisiert Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE. Was die finanzielle Unterstützung betrifft, fordert Genth Nachbesserungen. „Der gesamte deutsche Einzelhandel hat bisher Überbrückungshilfen in Höhe von 90 Millionen Euro erhalten.“

Der Teil des Handels, der keine Lebensmittel verkaufe, habe bislang aber 36 Milliarden Euro Umsatz in der Corona-Krise verloren, bei Fixkosten von 12 Milliarden Euro. „Die Zahl der bisherigen Wirtschaftshilfen für den Handel ist also verschwindend gering.“

Zwar haben die deutschen Einzelhändler ihren Umsatz im vergangenen Jahr trotz Corona erheblich gesteigert – nach einer aktuellen Schätzung des Statistischen Bundesamtes um voraussichtlich 4,1 Prozent. Der HDE beklagt allerdings eine wachsende Kluft innerhalb der Branche. Während der Internethandel boome, bangten kleinere Geschäfte in den Städten ums Überleben.

Für IW-Direktor Hüther steht fest: „Die Hilfen sind unwirksam, sie versanden in zu hohen Zugangshürden und schlechter Administration. Schon deshalb muss der Lockdown Ende Januar enden.“

Die Maßnahmen besser kombinieren

Die Wirtschaftsweise und Verhaltensökonomin Veronika Grimm will so weit nicht gehen. Doch auch sie betont, dass man sich nicht bis zum Frühjahr von einem zum nächsten Bund-Länder-Treffen hangeln könne. „Berechenbarkeit ist extrem wichtig für die Wirtschaft, aber auch für die Akzeptanz der Bevölkerung“, sagt Grimm.

Unsicherheiten bezüglich der Kinderbetreuung hätten auch Konsequenzen für die Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Bund und Länder wollen nun wie schon im vergangenen Jahr je Elternteil zehn zusätzliche Tage Kinderkrankengeld bezahlen.

Wolle man die Akzeptanz der Einschränkungen erhöhen und zugleich so viele Menschenleben wie möglich retten, müsse es darum gehen, Maßnahmen besser zu kombinieren, betont Grimm. Schließlich beobachte man schon jetzt, dass der Lockdown nicht so effektiv wirke wie im Frühjahr.

Konkret rät sie dazu, die Corona-App effektiver einzusetzen, auch mit Anreizen zur Nutzung. „Die Umsetzung der App, die den Datenschutz extrem hoch hält, verhindert leider in großen Teilen eine effektive Verfolgung von Infektionsketten.“ Daneben seien die forcierte Digitalisierung der Gesundheitsämter geboten sowie der konsequentere Schutz der Risikogruppen.

In eine ähnliche Richtung denkt auch IW-Ökonom Hüther. Man wisse heute mehr über das Virus und seine Wirkungen. Die Politik müsste deshalb anders als im Frühjahr 2020 bei Öffnungen den Mut zur Differenzierung haben. „Seit November wurde das Infektionsgeschehen in der jüngeren Bevölkerung gebremst, wächst aber in der älteren Bevölkerung kontinuierlich fort.“

Nehme man die Impfungen hinzu, gebe es in absehbarer Zeit jedoch keinen Grund mehr für die Fortsetzung des flächendeckenden Lockdowns. „Die Impfung der Risikogruppen schafft Raum für eine Öffnung in den geschlossenen Bereichen“, sagte der Ökonom. Ob dies allerdings noch im Lauf des ersten Quartals gelingt, ist angesichts des schleppenden Impfbeginns fraglich.

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