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#Die Jüngsten zum Nutzen der Älteren impfen?

Die Jüngsten zum Nutzen der Älteren impfen?

Kinder erkranken sehr viel seltener als Erwachsene an Covid-19, im Mittel eines von tausend. Ältere Infizierte trifft es viele hundertmal häufiger. „Fremdnützig“ bezeichnen viele Experten deshalb die Impfung von Kindern gegen den Sars-CoV-2-Erreger. Einen Kinderimpfstoff gibt es noch nicht, wohlgemerkt, doch die ethische Debatte darum ist schon vorgezeichnet.

Joachim Müller-Jung

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

Zum Nutzen anderer, der Risikopersonen nämlich, sollen Kinder also geimpft werden – um sie als Überträger des Virus auszuschalten. Aber ist das wirklich alles? Schon die wiederholten Lockdown-Diskussionen über die Schließung und Öffnung von Schulen und Kitas zeigen: Kindeswohl ist ein Politikum, für viele in den mittleren Generationen sogar das Wichtigste.

Eine ethische Frage

Die pragmatisch-epidemiologische Frage nach der Rolle der Kinder als Virusüberträger drängt dabei zwar immer wieder in den Vordergrund, und auch in der dritten Welle wird wieder viel darüber gestritten. Aber im Kern berührt der Konflikt um die Kinder in der Pandemie doch viele Ebenen, auch in gesundheitlicher Hinsicht. Die psychischen Folgen der Seuche etwa spielen eine immer größere Rolle. Und auch hier gilt: Kinder sind keine kleine Erwachsenen.

Sollten die Kinder also am besten ausgelassen werden in der Impfstrategie? Ist es vielleicht sogar für sie und die Eltern besonders schädlich, wenn ihnen so viel Verantwortung in der Pandemiebewältigung zugeschrieben wird? Klar ist: Mit jedem Impffortschritt stellt sich die Frage dringlicher.

Einstweilen ist die Zahl der Bürger mit einem stark erhöhten Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung immer noch groß – und die Impffortschritte sind klein. Das Robert-Koch-Institut hat die Risikogruppe nach Auswertung der deutschen Geda-Studie Anfang März beziffert: 30,6 Prozent der Bevölkerung im Alter über 15 Jahren oder 21,6 Millionen Menschen haben ein stark erhöhtes Risiko, nimmt man jene mit moderatem Risiko dazu kommt man auf 36,5 Millionen Bürger.

Bisher nur Biontech/Pfizer für Jugendliche zugelassen

Und die meisten von ihnen bleiben auch die nächsten Wochen und Monate noch ungeimpft. Anders allerdings als in ihrem Fall ist bei den Kindern praktisch ans Impfen noch gar nicht zu denken.

Bis jetzt wird keiner der weltweit zugelassenen Impfstoffe an Kinder, jedenfalls nicht an kleine Kinder, verabreicht. Lediglich der mRNA-Impfstoff von Pfizer-Biontech ist für Jugendliche ab einem Alter von 16 Jahren zugelassen. Kinder ebenso wie Schwangere oder immunologisch Kranke – solche mit Autoimmunleiden etwa – werden fast nie in die großen klinischen Zulassungsstudien eingeschlossen.

Ihre besondere Physiologie macht es nötig, spezielle Dosierungsschemata zu testen. Das ist aufwendig. Folglich gab es nach Abschluss und Auswertung der Impfstoffstudien kaum Daten, die eine Zulassung für Kinder und Jugendliche gleich von Anfang an rechtfertigen. Inzwischen allerdings hat sich dahin gehend einiges getan.

Moderna hat als zweiter mRNA-Impfstoffanbieter Anfang dieser Woche den Start der „KidCove“-Studie bekanntgegeben: 6750 Kinder werden in den nächsten Wochen in den Vereinigten Staaten und Kanada mit unterschiedlichen Dosierungen geimpft. Sechs Monate alte Säuglinge und Kinder bis zu zwölf Jahren werden für die Wirksamkeitstests unterschiedliche Impfdosen erhalten, die geringste Impfstoffmenge liegt bei einem Viertel der für Erwachsenen geltenden Mengen.

Hohe Hürden vor einer Zulassung

Zwölf Monate lang und in zwei Phasen soll dann nach Gabe der zweiten Dosis die Effektivität des Wirkstoffs ermittelt werden. Biontech/Pfizer ist schon mitten drin in Kinderstudien mit 12- bis 15-Jährigen, und auch Johnson & Johnson ist bereits in der Studienplanung. Für sie alle aber gilt: Weil Kinder so selten krank werden oder überhaupt Symptome zeigen, sind die statistischen Hürden für die Zulassung eines Kinderimpfstoffs hoch.

Bisher waren die Impfstoffe an Erwachsenen danach bewertet worden, wie gut und sicher sie vor einer Covid-19-Erkrankung geschützt sind. Bei den Kindern sollen nun vor allem die Mengen neutralisierender Antikörper im Blut als Indikator für den Schutz vor einer Virusvermehrung im Körper ermittelt werden.

Lohnt es sich überhaupt noch?

Nach Einschätzung der Beteiligten und unabhängiger Fachleute wird es mutmaßlich Ende des Jahres werden, vielleicht sogar erst nächstes Jahr, bis das Impfangebot auch für Kinder gilt. Erst mit den dann vorliegenden Daten lassen sich überhaupt Schlüsse hinsichtlich des Ansteckungspotentials geimpfter Kinder machen.

Bis dahin allerdings dürften die meisten Risikopersonen, falls keine weiteren Impfstopps und unkalkulierbare Immun-Fluchtmutationen auf Seiten des Erregers dazwischenkommen, längst geimpft sein – und damit vor schweren Erkrankungen geschützt sein. Lohnt sich dann also überhaupt noch die Kinderimpfung?

Die Kinder- und Jugendärzte im Land haben sich mit ihrem Berufsverband in der Hinsicht bereits positioniert: Sie dringen darauf, die Impfung der Minderjährigen zu beschleunigen – nicht zuletzt, um mit Blick auf Schul- und Kita-Schließungen deren Benachteiligung zu beenden. Doch das ist medizinisch gesehen keineswegs der einzige Grund, weshalb der Ruf nach einem gleichwertigen Schutz der Kinder lauter werden dürfte.

In den vergangenen Wochen wurde aus zahlreichen klinischen Studien deutlich, dass auch Millionen Kinder künftig durch Folgeschäden einer Infektion gehandicapt werden könnten. Neben dem neuen, akuten Krankheitsbild „Multisystemisches inflammatorisches Syndrom“, eine Überreaktion des Immunsystems, treten Langzeitschäden – „Long Covid“ – nach Infektionen in den Vordergrund. Italienische Ärzte etwa berichten aktuell von 129 minderjährigen Covid-19-Opfern der ersten und zweiten Welle, von denen mehr als die Hälfte auch vier Monate nach der Erkrankung noch an Symptomen litten und knapp ein Drittel, die deswegen auch im Alltag eingeschränkt waren.

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