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#Die Kartonflieger von Frankfurt

Die Kartonflieger von Frankfurt

Die Welt des Fliegens ist durcheinander, weil die Welt durcheinander ist. Passagierflugzeuge sind kaum noch unterwegs, aber Hilfsgüter müssen zu den Menschen. Das hat Folgen etwa für die Abfertigung am Flughafen Frankfurt. Dort werden gewöhnlich allein 120.000 Tonnen Pharmazeutika im Jahr umgeschlagen, verpackt in Containern oder auf Paletten. Der Flughafen bezeichnet sich als führende Pharma-Drehscheibe in Europa mit einer beispiellosen Infrastruktur für zu kühlende Produkte. Wird die Fracht nicht in eigens dafür gebauten Cargo-Flugzeugen transportiert, nehmen sie Passagiermaschinen im Laderaum mit.

Holger  Appel

Holger Appel

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Technik und Motor“.

Doch weil die nicht fliegen, fehlt es allerorten an Kapazität. Und das in einer Zeit, da Masken, Handschuhe und Kittel zum Schutze vor dem Coronavirus massenweise benötigt werden. Die Dimension macht der Zoll deutlich. Nach seiner Erhebung sind seit Ausbruch der Pandemie im vergangenen Jahr sechs Milliarden Masken in Frankfurt gelandet.

Diese Mengen können nur transportiert werden, wenn die für Passagiere gedachte Kabine mit beladen wird, die Arbeiter am Flughafen sprechen von Cabin Load. Manche Gesellschaften wie Condor oder Lufthansa haben Sitze ausgebaut, andere verzurren die Fracht mit Netzen auf den Sitzen. Die Kartons sind leicht, aber groß und zahlreich. „Wir hatten kürzlich eine Aeroflot mit 11,7 Tonnen Hilfsgütern an Bord. Jeden der rund 800 Kartons muss meine Mannschaft einzeln in die Hand nehmen“, sagt Hakan Sener, Geschäftsführer der Wisag Ground Service. Flugzeuge aus Russland und China sind derzeit Dauergast in Frankfurt, oft Charter, die noch nie oder lange Zeit nicht mehr am Main gelandet sind. Gerne werden die großen Flugzeugmuster genommen, gerade rollt eine Boeing 777 mit russischer Kennung heran. 4,8 Tonnen Masken sind an Bord, 514 Kartons.

Eine 12 Meter lange Rarität: Das spezielle Förderband wurde ausgemottet.


Eine 12 Meter lange Rarität: Das spezielle Förderband wurde ausgemottet.
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Bild: Appel

10 bis 15 Mitarbeiter je Maschine muss Sener aufbieten. Sie bilden eine Kette und reichen die Kartons nach draußen. Dort feiert ein Dinosaurier Auferstehung. Als es in Frankfurt noch den Poststern gab, wurden bis an die Kabine reichende Förderbänder gebaut. Seit Jahren fristeten sie ein trostloses Dasein im Depot, jetzt geht ohne sie nichts. Denn normale Förderbänder reichen nur bis an die Frachttür. Die höher gelegene Kabinentür kann nur mit den 12 Meter langen Spezialbändern erreicht werden.

Die Wisag hat zwei Stück im Einsatz, der Flughafenbetreiber Fraport drei weitere. Reichen die nicht aus, werden kürzere Bänder und Treppen kombiniert, die Entlader müssen dann erst ein paar Stufen hinabsteigen. „Flexibilität und Organisationstalent sind gefragt. Es kommen so viele Flugzeuge mit Fracht in der Kabine wie nie. Da müssen wir kreativ sein“, sagt Sener, während die russische Flugbegleiterin aufs Tempo drückt. In drei Stunden wolle sie wieder in der Luft sein. Das ist nicht viel Zeit für Hunderte Kartons.

Sie in Containern zu bündeln, scheidet als Alternative aus. „Die passen nicht durch die Tür“, sagt Maria Linden, Sprecherin von Fraport. Auch sie berichtet von nie dagewesenen Herausforderungen. „Normalerweise werden 40 Prozent der Fracht in den Bäuchen der Passagierflugzeuge transportiert. Das fällt fast vollständig weg“, sagt sie. Als Notlösung sind seit März 2020 zusätzlich rund 9500 nur mit Fracht beladene Passagiermaschinen gelandet. Jeder Raum in der Kabine wird genutzt, bisweilen werden selbst die Gepäckfächer an der Decke befüllt. Masken, Kittel, Einmalhandschuhe sind vor allem in den Kartons. Aber auch Roh- und Ausgangsstoffe, Proben, Medikamente gegen Corona-Symptome, Testkits und medizinische Geräte.

Sehr schwere Dinge können in der Kabine nicht transportiert werden, dafür ist der Boden nicht ausgelegt. Eigentlich. An der Tür einer Maschine steht eine Kiste, 150 Kilogramm schwer. Drei Männer aus Seners Truppe wuchten sie nach draußen, geschafft. Sein Telefon klingelt, der Lademeister von der russischen Maschine ist dran. Alle Kisten ausgeladen, Türen zu. Die Boeing 777 hebt pünktlich wieder ab, die nächste Ladung Hilfsgüter holen.

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