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#Die Kommunikation aller Figuren

Die Kommunikation aller Figuren

Er wurde 1975 kampflos Schachweltmeister, weil Bobby Fischer damals nicht antrat. Danach schien es, als wolle ihm die Schachgeschichte diese Leichtigkeit seines ersten Titelgewinns nicht verzeihen. Denn Anatoli Karpow, der am Sonntag siebzig Jahre alt wird, bestritt von 1978 bis 1998 nur noch Weltmeisterschaften, die schwierig zu nennen eine starke Untertreibung wäre.

Es begann mit den Kämpfen gegen Viktor Kortschnoi, der aus der Sowjetunion geflüchtet war und auf dem Weg zum Finale drei sowjetische Spieler geschlagen hatte. Karpow hingegen war nicht nur der beste Spieler seiner Zeit, sondern auch schon lange der Liebling der kommunistischen Sportfunktionäre. Die Begegnung im philippinischen Baguio, auf sechs Siege angesetzt, fand unter kinoreifen Umständen statt: Die Farbe der Karpow während der Spiele gereichten Joghurts musste vorher bekanntgegeben werden, damit sie nicht der Kommunikation dienen konnten. Kortschnoi trug eine verspiegelte Sonnenbrille, um Karpows Blicken zu entgehen. Karpows Delegation ließ den Spielsaal erfolglos auf radioaktive Strahlung untersuchen, die womöglich von der Brille ausgehe. Ein Mitglied von Karpows Team war Parapsychologe und hatte angeblich die Aufgabe, Kortschnoi durch Anstarren zu stören. Dieser antwortete mit indischen Meditationskünstlern im Publikum.

Schach wurde auch gespielt. Lange lag Karpow vorn, dann gewann Kortschnoi dreimal in rascher Folge, es stand 5 zu 5, und Karpow wurde in der nächsten Partie Weltmeister, indem er die schwarze Stellung in aller Ruhe zerlegte. Starke Impulse waren seinem Spiel fremd. Am meisten lag ihm an der „guten Kommunikation der Figuren“. Einmal gab ein Gegner, der deutsche Großmeister Wolfgang Unzicker, nach dem 22. Zug auf, und es war bis dahin nur ein einziger Bauer getauscht und keine Figur geschlagen worden.

Nachdem der zweite Kampf mit Kortschnoi deutlich gewonnen worden war, begann die Leidenszeit. Fünfmal maß Karpow sich mit Garri Kasparow, dem Symbol der „Perestroika“: von 1984 bis 1990. Im ersten Match hatte Karpow von den ersten neun Partien vier gewonnen, nach der 32. Partie führte er 5:1, um nach vierzehn Remisen in Folge und zwei Niederlagen völlig erschöpft und nervlich zerrüttet in den Genuss eines ominösen Kampfabbruchs durch den Präsidenten des Weltschachverbands zu kommen. Danach verlor er in vier weiteren Duellen jedes Mal knapp gegen denselben Gegner; insgesamt waren es vierzehn Monate Zweikampf in 144 Partien. Als Kasparow auf die Idee kam, einen neuen eigenen Schachverband zu gründen, holte sich Karpow beim alten bis 1999 noch dreimal den Weltmeistertitel.

All diese sportpolitischen Händel konnten nicht verdecken, welch ein Jahrhundertspieler Karpow war. Er verblüffte dabei nur selten, spielte sehr zweckmäßig, war weder ein Forscher noch ein Zauberer und verlor oft nur dann, wenn er meinte, etwas wagen zu müssen. Jahr um Jahr holte er aber Preise für die besten Partien ab, weil seine Siege oft von derjenigen Eleganz waren, die dem Kaffeehausblick auf das Schachbrett zu kühl, zu ausgeglichen und zu durchdacht erscheinen mag. „Wenn er einen Vorteil hatte, begann er auf der Stelle zu treten, und der Vorteil wurde immer größer“ (Wladimir Kramnik). Eines seiner besten Bücher hat den lakonischen Titel „Stellungsbeurteilung und Plan“. Die Herzen der Zuschauer haben sich andere Weltmeister erobert, Michail Tal oder Kasparow eben, doch was die Technik angeht, ist er unerreicht.

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