Nachrichten

#Die Krise nach der Krise

Die Krise nach der Krise

Anfangs habe sie gar nicht bemerkt, wie sich ihr Sohn verändere, erzählt Anne Bergmann. Das sei schleichend passiert. Es begann mit Albträumen: Max, 10 Jahre alt, wurde laut schreiend wach und beruhigte sich nur, wenn man ihn in den Arm nahm. Nach und nach zog er sich zurück, wurde stiller, hatte kaum noch Appetit. Max, sonst ein sportlicher, aktiver Junge, der Fußball und Gitarrespielen liebt, war im zweiten Lockdown Anfang des Jahres plötzlich traurig und antriebslos. Manchmal saß er stundenlang allein in seinem Zimmer, ohne etwas zu tun. Anne Bergmann, deren Namen wir wie den ihres Sohnes geändert haben, bemühte sich um psychologische Hilfe – und fand sie nicht. „Wir haben uns große Sorgen gemacht“, sagt sie.

Die Bergmanns sind eine Familie aus Bonn, drei Kinder, beide Eltern sind Ärzte. Ihre Geschichte ist eine von vielen. Denn mehr als ein Jahr Pandemie, ein halbes Jahr Dauerlockdown, das belastet Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsene, insbesondere, wenn sie schon vor der Corona-Krise psychisch krank oder anfällig waren. Aber nicht nur dann. Das Homeschooling, die soziale Isolation, finanzielle Sorgen, die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren oder in der Schule nicht mehr mithalten zu können, all das macht Menschen zu schaffen. Nicht immer ist eine Therapie nötig. Doch die „Copsy“-Studie der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf ergab, dass in der zweiten Welle fast jedes dritte Kind zwischen sieben und 17 Jahren psychische Auffälligkeiten zeigte. Vor der Krise war es jedes fünfte.

Viel mehr Anfragen bei Psychotherapeuten

In der Corona-Pandemie schrieb sich zunächst ein langfristiger Trend fort, der sich zum Beispiel an den Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen ablesen lässt. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) hat kürzlich Daten ihrer 2,4 Millionen beschäftigten Versicherten ausgewertet. Demnach stieg die Zahl der Krankheitstage auf 265 je 100 Versicherte. Das waren 56 Prozent mehr als vor einem Jahrzehnt. Ein Anstieg durch Corona zeigte sich dagegen nicht. Kurze Krankschreibungen bis zu einer Woche gingen sogar um ein Fünftel zurück, Ausfälle von mehr als zwei Wochen nahmen dagegen zu.

Mehr über die Dynamik und psychische Last der Pandemie lässt sich an Zahlen ablesen, die der größte deutsche private Krankenversicherer Debeka mit mehr als 2 Millionen Versicherten kürzlich veröffentlichte. Bis Juni ging die Zahl in Anspruch genommener Psychotherapiestunden gegenüber dem Vorjahreszeitraum erst einmal zurück. Von Juni an stiegen die Stunden jeweils gegenüber dem Vorjahresmonat dann deutlich – im Oktober und Dezember um je 12 Prozent, im November um 27 Prozent. Das war die Zeit der zweiten Welle, in der die Zuversicht verloren ging, die Pandemie könne bald vorbei sein.

Seit Beginn des Jahres berichten Psychiatrie-Ärzte und therapeutische Psychologen von einer wachsenden Nachfrage. In einer Blitzumfrage unter knapp 4700 Mitgliedern hat die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung im Februar einen Anstieg der Anfragen in den Praxen um 40 Prozent zum Vorjahr ermittelt. Fragt man diese Experten, sprechen sie von ausgelaugten und sozial isolierten Jugendlichen, von wachsenden Ängsten und Depressionen und von Eltern, die in ihrer Mehrfachrolle an ihre Grenzen stoßen.

„Zunahme psychischer Leiden kommt erst mit Verzögerung“

Viele Fachleute gehen davon aus, dass sich die wahren Folgen der Pandemie in all den Zahlen des Jahres 2020 noch nicht widerspiegeln. „Eine echte Zunahme psychischer Leiden kommt erst mit Verzögerung“, sagt Thomas Pollmächer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Denn solche Erkrankungen entstünden oft erst, wenn eine Krise länger andauere, „wenn die Menschen den Mut verlieren, etwa weil ihr Geschäft seit Monaten geschlossen ist oder sie länger arbeitslos sind“, sagt Pollmächer, der auch Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Ingolstadt ist.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!