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#Die Krux mit dem Service

Die Krux mit dem Service

Waschen, Schneiden, Legen – da ist keine Hand mehr frei für das Telefon, das klingelt. Ein Störfaktor, den Friseurmeisterin Mesuda Gazibara dennoch so zeitnah wie möglich bedient: „Das ist Service, und ich finde, das kann der Kunde auch erwarten“, betont die Einzelunternehmerin. Sie ist selbst Kundin, etwa in einem Hamburger „Spa & Fitness Club“, wo sie sich vom stundenlangen Stehen mit vorgeneigtem Oberkörper erholt. Sofern es klappt mit dem rückenfreundlichen Kurs, der oft schon neun Tage im Voraus ausgebucht ist, aber andererseits auch nicht risikofrei storniert werden kann.

Als Gazibara einmal ein beruflicher Termin dazwischengrätschte und sie 24 Stunden vor der Rückenstunde per App absagte, reagierte der Club prompt: „Vielen Dank Mesuda, dass du dir die Zeit genommen hast, den Kurs abzusagen.“ Aus Sicht von Gazibara war das eine übertrieben devote Formulierung, die mit der Vergabe eines Strafpunktes, neudeutsch „Strike“ genannt, ins Gegenteil kippte.

Das langjährige Club-Mitglied fühlte sich nicht ernst genommen, griff zum Handy – und landete bei einer halbautomatisierten Sprachassistenz. Diese bot englischsprachige Services, Beauty- oder Trainer-Termine zur Auswahl an, aber keine Beschwerdestelle. Gazibara drückte irgendwelche Tasten, entnahm einer säuselnden Stimme vom Band, dass „leider zurzeit keine Mitarbeiter verfügbar“ waren, und gab nicht auf: „Das hat ewig und drei Tage gedauert, ich habe es immer wieder probiert“, erzählt sie. Tatsächlich war schließlich ein Mensch dran, zeigte Verständnis, schaute ins System und buchte einen der gewünschten Termine. Eine Beruhigungspille für die aufgebrachte Kundin, aber keine Lösung von Dauer: „Ich bin unzufrieden mit dem neuen Buchungssystem“, so Gazibara.

Service wird überall ausgelagert

Eine Unzufriedenheit, die an den Servicekräften am anderen Ende der Leitung nicht spurlos vorbeigeht: „Das merkt man schon bei der Begrüßung“, sagt Christine Loerke, Sprecherin des Freizeitunternehmens David Lloyd Leisure (DLL), zu dem inzwischen auch Gazibaras Sportclub gehört. Die Bandbreite reiche von „Na, endlich geht mal jemand ran“ bis „das geht ja heute fix“, von polternd genervt bis „gut erzogen freundlich: Es sind ja Menschen auf der anderen Seite, die nichts dafür können“, betont die Sprecherin. Das Dialogsystem entlaste die Mitarbeiter durch die Vorsortierung. Es habe aber weder das Telefonaufkommen noch die Redezeit verkürzt – schon gar nicht in Zeiten einer Pandemie: „Der Redebedarf ist größer geworden“, sagt Loerke. Zumindest bei den Menschen, die der Kommunikation mit der Maschine nicht ausgewichen und geduldig in der Warteschleife geblieben sind. Für die Mitarbeiter heißt das: „Der Berater braucht empathisches Fingerspitzengefühl, aber auch inhaltliches Wissen, das ist kein Job für einfache Hilfskräfte.“

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Dass eine Sprecherin und nicht eine Servicekraft selbst Rede und Antwort steht, ist typisch für die Branche. Die Berater stehen zwischen Kunden und Arbeitgebern, neuerdings auch zwischen Maschine und Mitschnitt und sind einem erheblichen psychologischen Druck ausgesetzt, weiß Regina Zimmerling von der Gewerkschaft Verdi. „Die Überwachung nimmt zu, und die Interaktion wird schwieriger: Wenn die Kunden den KI-Anteil hinter sich haben, ist ihr Frust oft groß.“ Helfen würden eine genauere Kenntlichmachung, wann man mit Technik und wann mit Menschen spricht. „Das ist für den Kunden nicht immer zu erkennen“, meint die Gewerkschafterin. Die Servicekräfte, die Verdi vertritt, arbeiten vor allem in Call-Centern und wollen anonym bleiben: „Menschen, die von den Arbeitsbedingungen im Call-Center berichten, bekommen nicht nur Probleme mit ihrem Arbeitgeber. Auch die Auftraggeber üben Druck aus.“

 „Kunde will hundertprozentige Lösung – und nicht die neunzigprozentige“

Mit Call-Centern spricht man viel häufiger, als man denkt, etwa bei einer Corona-Hotline. Service wird überall ausgelagert und ständig umstrukturiert. Die Digitalisierung macht die Kommunikation auch für die Mitarbeitenden technologischer, aber nicht menschlicher. „Sie sollen stets freundlich bleiben und keine eigenen Gefühle zeigen – egal, was sie sich anhören müssen“, so Zimmerling. Dabei ist der unaufgeregte, gleichbleibend freundliche Ton genau das Merkmal von Sprachcomputern, die unter dem Stichwort „Chatbots“ vor fünf Jahren einen regelrechten Hype erlebten, sagt Kommunikationsberater Armin Sieber. Der Autor von „Dialogroboter“ hat sich damals in einem Forschungsprojekt der Universität Regensburg mit der natürlichsprachlichen Mensch-Maschine-Interaktion befasst und ist zu dem Schluss gekommen: „Bots sind eigentlich ziemlich dumme Maschinen, viel interessantere Phänomene sind die Sprachdialogsysteme.“

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