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#Die kulturelle Elite hat ein Faible für Opfer

Die kulturelle Elite hat ein Faible für Opfer

Ein Begriff, den Judith Sevinç Basad in ihrem Buch „Schäm dich!“ mit am häufigsten verwendet, lautet „natürlich“. „Natürlich“, schreibt sie, „gibt es Diskriminierungserfahrungen von Minderheiten.“ Oder: „Natürlich sollten wir eine sexismusfreie Gesellschaft anstreben.“ Und: „Natürlich ist es unangenehm für Menschen, die nicht wie der typische Deutsche aussehen, immer wieder dieselben Fragen nach der Herkunft zu hören.“ Oder: „Natürlich – das ist doch klar – sind Morddrohungen gegen Menschen mehr als verwerflich.“ So zieht es sich durch Basads Buch. Und stets folgt auf diese Feststellungen ein „Aber“.

Jörg Thomann

Redakteur im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Diskriminierte Migranten, Sexismus und Morddrohungen gegen – linke – Aktivisten nämlich sind nicht die Themen, mit denen Judith Sevinç Basad sich beschäftigen möchte, und die vielen „Natürlichs“ dienen ihr als Legitimation, sie weitestgehend außen vor zu lassen. Auf die „Abers“ wiederum folgen jene Themen, die ihr wirklich wichtig sind: die identitätspolitischen Umtriebe der „Social-Justice-Warriors“, eines von der amerikanischen Rechten geprägten Schmähwortes. Diese Gruppe, so Basads Urteil, hinterlasse auf ihrem Feldzug für soziale Gerechtigkeit nicht nur verbrannte Erde, sondern jede Menge Opfer. Und zwar nicht nur unter jenen, gegen die sich ihre Angriffe vorrangig richten, unter den heterosexuellen weißen Männern nämlich, sondern auch unter jenen, für die sie sich vermeintlich ins Gefecht werfen.

Raus aus der Rolle des unterprivilegierten Migranten

Es ist nicht so, dass Judith Sevinç Basad mit ihrem Buch ein Alleinstellungsmerkmal hätte. Die Identitätspolitik gilt mittlerweile recht vielen als ein Irrweg, auf den sich die Linke begeben hat, genauer: als eine Unzahl von Irrwegen, auf denen sich zersplitterte Grüppchen verloren haben ohne die Chance, je wieder eine stoßkräftige politische Bewegung bilden zu können. Fast so groß wie die Menge an Büchern über Identitätspolitik dürfte freilich allmählich die Menge jener Bücher sein, die mit ihr abrechnen. Jan Fleischhauer zählt zu diesen Autoren, Sahra Wagenknecht ebenfalls, und wenn deren Werke ihren Reiz daraus beziehen, dass sie beide aus dem linken Lager kommen, in welchem sich Wagenknecht noch immer verortet, dann zieht Basads Buch besondere Aufmerksamkeit auf sich, weil seine Autorin eine junge Frau mit türkischem Migrationshintergrund ist. Dieser Wertung allerdings könnten womöglich Rassismus und Sexismus zugrunde liegen. Oder, im schlimmsten Fall, Identitätspolitik.

Judith Sevinç Basad: „Schäm dich!“  Wie Ideologinnen und Ideologen bestimmen, was gut und böse ist.


Judith Sevinç Basad: „Schäm dich!“ Wie Ideologinnen und Ideologen bestimmen, was gut und böse ist.
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Bild: Westend Verlag

Denn mit den Begriffen „Rassismus“ und „Sexismus“ hantiert auch Basad, allerdings gegen jene gewendet, die sie zumeist im Munde führen. Einen „rassistischen Grundton“ vernimmt sie bereits in dem politischen Versuch, Migranten für eine Karriere in deutschen Behörden zu gewinnen, da sie „aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft“ so in „homogene Gruppen gepresst“ würden. Die „kulturelle Elite“, die sich für „Migranten, Frauen und Queers“ einsetze, „spuckt gerade auf die Bedürfnisse der Schwächsten“, beruhe doch ihre Macht darauf, dass jene in der Opferposition blieben.

Berechtigte Kritik, aber …

Sie selbst, beteuert die Autorin, habe sich trotz zahlreicher Ausgrenzungserfahrungen „nie als Opfer“ gesehen und nie „die Rolle des unterprivilegierten Migranten“ einnehmen wollen. Wollte man überhaupt pauschalisierend über Migranten sprechen, so Judith Sevinç Basad, dann seien diese „Kämpfer, keine Opfer“. Eine optimistische Betrachtung, die allerdings außer Betracht lässt, dass man auch kämpfend zum Opfer werden kann.

Ebenfalls fehlgeleitet sind für Basad alle, die sich politisch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie engagieren: „In meiner Welt handeln die Frauen, die Karriere machen wollen, mit ihren Männern vor dem Kinderkriegen aus, wer wen bei der Karriere unterstützt. Das nennt man Eigenverantwortung. Dass man Frauen per se diese Fähigkeiten abspricht, nur weil sie Frauen sind, ist vor allem eines: sexistisch.“ Ob es in dieser besten aller Welten, in der die Autorin lebt, auch vorgesehen ist, dass beide Partner einander unterstützen, weil dank einer familienfreundlichen Politik keiner auf seine Karriere verzichten muss?

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