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#Die Massenmörder bitten zu Tisch

Die Massenmörder bitten zu Tisch

Die Verfilmung historischer Ereignisse hat einen doppelten Effekt. Einerseits macht sie sichtbar, was nicht oder nur bruchstückhaft in Text- und Bilddokumenten erhalten ist. Andererseits bringt sie gerade das zum Verschwinden, was sie vergegenwärtigen will. Sie übermalt das reale Geschehen mit einer Fiktion. Seit Jahren wird in Deutschland lautstark über den Wiederaufbau zerstörter historischer Gebäude debattiert. Die Rekonstruktion von Geschichte im Fernsehen (und, seltener, im Kino) steht nicht zur Diskussion. Dabei ist sie eine der zwiespältigsten Formen kollektiven Erinnerns, die es gibt.

Matti Geschonnecks „Die Wannseekonferenz“ bietet dafür ein anschauliches Beispiel. Es ist bereits der dritte Film, der die Geschehnisse vom 20. Januar 1942 im Gästehaus der SS am Berliner Wannsee in eine erzählerische Form zu bringen versucht. In Heinz Schirks Verfilmung von 1984 wurde Reinhard Heydrich, der Gastgeber des Treffens zwischen hohen SS-Chargen und Vertretern verschiedener nationalsozialistischer Reichsministerien in der ehemaligen Fabrikantenvilla Marlier, von Dietrich Mattausch dargestellt, in Frank Piersons Kinofilm „Conspiracy“ von 2001 war es Kenneth Branagh. Keiner der beiden Akteure hatte große Ähnlichkeit mit dem realen Heydrich, vor allem traf keiner dessen Stimmlage, die von Zeitzeugen als ho­he, durchdringende Fistelstimme be­schrie­ben wird. Deshalb fällt es schwer, wie üblich zu sagen, die beiden hätten die Rolle verkörpert. Sie haben sie nur gespielt.

Heydrich ist ein Ausbund an Verbindlichkeit

Für Geschonnecks „Wannseekonferenz“ ist der österreichische Schauspieler Philipp Hochmair in die Heydrich-Rolle ge­schlüpft. Hochmair lässt den Chef der Si­cher­heits­po­li­zei und des SD und stellvertretenden Reichsprotektor für Böhmen und Mähren in einem leicht wienernden Singsang reden, wogegen nichts spricht, außer dass Heydrich im mitteldeutschen Halle aufgewachsen ist. Schwerer wiegt der Gestus seines Auftretens. Hochmairs Heydrich ist, gemessen an nationalsozialistischen Standards, ein Ausbund an Verbindlichkeit. Der Ton, in dem er den Anwesenden im Gartensaal der Wannseevilla er­klärt, die „Ausmerzung des Judentums bis zum Ural“ sei eine „Aufgabe, die das Schicksal uns gestellt hat“, hat keinen Beigeschmack jener kalten Schärfe, für die der historische Heydrich gefürchtet war. Er passt aber auch nicht zum administrativen Umgangston des „Dritten Reiches“.

Die Wannseekonferenz, bei der die Massenvernichtung der europäischen Juden offiziell verabredet wurde, diente nicht zu­letzt der Feststellung der Zuständigkeit von SS, SD und Reichssicherheitshauptamt für die „Endlösung“. Es ging um Macht, die den zivilen Vertretern der Reichsregierung mit deren Zustimmung entwunden werden musste. Der Film macht das deutlich, in­dem er die Anzugträger auf der einen, die Uniformierten auf der anderen Seite der langen Tafel platziert. An der Kopfseite sitzt Heydrich mit seinen Paladinen. Nach der Konferenz soll er ge­­gen seine sonstige Ge­wohn­heit geraucht und Alkohol getrunken haben. Das Treffen, scheint es, hätte auch anders ausgehen können, et­wa mit einem Einspruch des Innenstaatssekretärs Stuckart gegen die ge­planten Maßnahmen. Aber von dieser Anspannung ist bei Hochmairs Heydrich nichts zu spüren. Als er die Sitzung unterbricht und Stuckart in sein Dienstzimmer bestellt, en­det das Du­ell in einem Männergespräch über Familiendinge. Machtfragen wurden unter dem Hakenkreuz meistens anders geklärt.

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