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#Die meisten Rekruten stammten aus der Arbeiterschaft

Für den „neuen Typus Freikorpskämpfer ist es vollkommen belanglos, aus welchem gesellschaftlichen Lager er stammte“, schrieb Ernst von Salomon 1936. Damals waren die paramilitärischen Verbände, deren gewaltsame Interventionen die frühen Jahre der Weimarer Republik geprägt hatten, gerade erst Geschichte geworden. Salomon verarbeitete seine Erfahrungen als Freikorpskämpfer in Deutschland, im Baltikum, in Oberschlesien und als Helfer bei der Ermordung Walther Rathenaus in mehreren Büchern – am erfolgreichsten in seinem autobiographischen Bestseller-Roman „Der Fragebogen“ von 1951.

Sein Desinteresse an einem genaueren sozialhistorischen Blick auf das Personal der Kampfverbände hat die Geschichtswissenschaft lange geteilt. Wenn die soziale Zusammensetzung der paramilitärischen Einheiten überhaupt zur Sprache kommt, dominieren pauschale Aussagen, die weniger auf datengestützten Untersuchungen als auf vorgefassten Meinungen beruhen. Danach erscheinen die Freikorps vor allem als Sammelbecken ausgemusterter Weltkriegsoffiziere, vom sozialen Abstieg bedrohter Mittelständler und militaristischer Studenten, die die wegen ihrer Jugend verpasste Fronterfahrung kompensieren wollten.

Die Arbeiterschaft hingegen gilt als selbstverständliche Antagonistin der Freikorps. Das ist auf den ersten Blick plausibel: Innerhalb der Reichsgrenzen wurden die Freikorps von der sozialdemokratischen Regierung vor allem eingesetzt, um aufständische Arbeiter – meistens aus dem linksradikalen Spektrum – zu bekämpfen. Davon ausgehend setzen viele Historiker voraus, dass auch die große Mehrheit der Arbeiter, die weder Kommunisten noch in solche Auseinandersetzungen involviert waren, die Freikorps ablehnte.

Zeitfreiwillige unter dem Kommando lokaler Reichswehrstellen

Jan-Philipp Pomplun nimmt in seinem Buch eine längst überfällige Überprüfung dieser Einschätzungen vor und beschreitet dafür neue Wege: Als Quellen dienen ihm die Stammrollen – Mitgliederverzeichnisse mit Angaben zu Alter, Ausbildung, Beruf und anderen Merkmalen – von elf Freikorps aus Bayern, Baden und Württemberg, die an allen wichtigen Schauplätzen zum Einsatz kamen. Organisiert waren hier fast 20.000 Männer, was geschätzt einem knappen Zehntel aller Freikorpsmitglieder entspricht. Pompluns unmittelbare Datenbasis bildet eine diesem Material entnommene repräsentative Stichprobe mit den Angaben zu fast 3200 Kämpfern. Nord- und mitteldeutsche Freikorps mussten außen vor bleiben, weil zu ihnen keine quantitativ vergleichbaren Informationen vorliegen.

Jan-Philipp Pomplun: „Deutsche Freikorps“. Sozialgeschichte und Kontinuitäten (para)militärischer Gewalt zwischen Weltkrieg, Revolution und Nationalsozialismus.


Jan-Philipp Pomplun: „Deutsche Freikorps“. Sozialgeschichte und Kontinuitäten (para)militärischer Gewalt zwischen Weltkrieg, Revolution und Nationalsozialismus.
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Bild: Vandenhoeck & Ruprecht Verlag

Den möglichen Einwand, dass mit der geographischen auch eine soziologische Schlagseite einhergehen könnte, weist der Autor mit guten Gründen zurück: Da­durch dass die berücksichtigten Gebiete sehr verschiedenartige, sowohl landwirtschaftlich als auch industriell geprägte Regionen umfassen, sind sie in sozialer und ökonomischer Hinsicht hinreichend repräsentativ für das gesamte Reich.

Pompluns Ergebnisse zeichnen ein neues Bild vom sozialen Profil der Freikorps: In ihnen spielten weder Offiziere noch Kadetten oder deklassierte Mittelschichtangehörige eine zahlenmäßig hervorstechende Rolle. Dasselbe gilt für die Studenten. Diejenigen, die sich paramilitärisch betätigen wollten, taten das vor allem als Zeitfreiwillige unter dem Kommando lokaler Reichswehrstellen. Dort konnten sie – anders als in den Freikorps – ihre Anführer wählen und zudem weiterhin studieren, weil sie nur periodisch Dienst leisteten.

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