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#Die Panzerfaust auf Facebook kaufen – zoon politikon

Die Panzerfaust auf Facebook kaufen – zoon politikon

Ich habe im letzten Post einen Eintrag versprochen, der zur Abwechslung nicht auf irgend das Aufreg-Thema des Tages zurückgeht. Ein Grund warum es hier in den letzten Wochen und Monaten eher still war, ist meine Arbeit. Diejenigen, die hier schon länger mitlesen werden gemerkt haben, dass die Blogfrequenz ungefähr gleichzeitig mit einer Änderung im Bloggerprofil zur rechten Seite einherging.

Kleinwaffen und leichte Waffe sind ein riesiges Problem. Eine beträchtliche Zahl an Menschen stirbt alleine wegen Unfällen und wegen Missbrauch von solchen Waffen (was als legitimer Gebrauch gilt ist nochmals eine andere Diskussion). Gleichzeitig fehlen Informationen darüber, auf welchen  oft verworrenen Wege diese Waffen zu ihren Endbenutzer_innen kommen. Entsprechend fehlt auch die Grundlage um die Weiterverbreitung und den Missbrauch dieser Waffen einzudämmen.

Diese Lücke versucht die Organisation, für  die ich arbeite, die Small Arms Survey, zu füllen. Ich bin zuständig für ein Projekt, dass sich spezifisch dem Nahen Osten, Nordafrika und der Sahelzone  widmet. Und unsere letzte Publikation hat ein relativ grosses Medienecho ausgelöst, die BBC, die New York Times  und viele andere haben darüber berichtet. Es ist somit vielleicht auch einen Blogeintrag wert.

Libyen ist ein Fokus meiner Arbeit im Moment. Nachdem Umsturz und dem Absetzen von Gaddafi wurde die Situation immer chaotischer. Schon als die Revolution im Gange war lösten sich Teile der Polizei und Streitkräfte auf, Magazine wurden geplündert und eine riesige Menge an Kleinwaffen und leichten Waffen überschwemmten das Land. Überall im Land werden viele staatliche Sicherheitsfunktionen nach wie vor von nicht regulierten Milizen wahrgenommen. Das muss aber für ein anderes mal warten. Diese Waffen wurden überall in der Region wiedergefunden (zum Beispiel in Tunesien und sogar in Mali).

A MIRA thermal sight for MILAN series ATGWs advertised in a Libyan social media group used to trade arms

Bildquelle: ARES 2016

Es ist schwer sich bewusst zu machen, wie einfach es ist, in Libyen Kleinwaffen zu kaufen. Man findet auf Märkten Stände mit einem beträchtlichen Angebot and Faustfeuerwaffen und anderer Gerätschaft. Und dann gibt es natürlich das Internet. Dazu haben wir nun eine Studie veröffentlicht (hier als pdf).

Die Veröffentlichung bezieht sich nur auf leichte Waffen. In ein paar Wochen wird eine längere Publikation zu Kleinwaffen im Libyschen Netz folgen.

Es existieren verschiedene Definitionen was leichte Waffen sind, aber keine die universell anerkannt wäre. Wir folgen mehr oder weniger der Definition des UN Panels of Government Experts (UNGA) von 1997. Eine unwissenschaftliche aber für die Zwecke dieses Eintrags nützliche Definition könnte wie folgt lauten: Als Kleinwaffen gelten Waffen, die von einer Person transportiert und benutzt werden (zB Sturmgewehr, Faustfeuerwaffe). Leichte Waffen sind hingegen eigentlich nur leicht im Vergleich zu schweren Waffen. Es brauch für diese meist eine zweite Person oder ein kleines Gefährt oder Anhänger um sie operieren zu können (zB MANPADs, Mörser).

Wer bis hier mitgelesen hat wird sich nun vielleicht fragen: Moment, leichte Waffen über das Internet kaufen? Das ist genau das Problem in Libyen. Der Staat ist quasi verschwunden und gleichzeitig zirkuliert eine enorme Zahl an Waffen jedes Kalibers. Teilweise haben die Menschen sogar Zugang zu schweren Waffen ohne jegliche Ausbildung wie mit diesen Umzugehen ist.

A WPF89-2 advertised in a Libyan social media group used to trade arms

Bildquelle: ARES 2016

Die Studie beobachtete diverse geschlossen Gruppen im Netz. Nicht zuletzt auf dem populärsten sozialen Netzwerk wurden die Autoren fündig, obwohl solche Verkäufe dort gar gegen die Richtlinien verstossen (übrigens selbst im Fall von legalen Waffengeschäften).

Seit September 2014 tauchten auf den Seiten unter Beobachtung fast 100 solcher Waffen auf, darunter Raketen, schwere Maschinengewehre oder Granatwerfer. Wie schon erwähnt, dies ist ohne die Kleinwaffen. Diese werden in einer späteren Publikation analysiert werden.

Wenn man waffentechnisch versiert ist, kann man oft Produktionsland und -Jahr schätzen (oder manchmal ist diese Information sogar erhältlich). Dies ist im Fall von Libyen spezielle interessant, denn zwischen 1992 und 2003 hätten internationale Sanktionen gegen Gaddafi den Import verhindern sollen. Selbst nach der Aufhebung der Sanktionen wurden innerhalb des Landes kaum Waffen gehandelt. Dinge änderten sich nach dem Umsturz von 2011.

In der Mehrheit der Fälle konnte das Ursprungsland identifiziert werden. 73% kamen aus der ehemaligen Sowjetunion oder der Russischen Föderation. An zweiter Stelle finden wir Belgien (8%) und an dritter China (6%). Die meisten der nicht-identifizierten leichten Waffen wurden vermutlich in Warschauer Pakt Ländern produziert.

Die Autoren vermuten, dass ein grosser Teil des Handels von Leuten vollzogen wird, die Verbindungen zu den diversen Milizen haben zwecks Anschaffung von neuem Material oder um Überschüsse loszuwerden. Wegen der angewandten Methode, ist beim Preis nur der Angebots- aber nicht der Endpreis bekannt.

Für ein schweres Maschinengewehr wurde im Durchschnitt 8125 Libysche Dinar (LYD) verlangt (5’900 USD). Für ein Fliegerabwehr-Maschinengewehr wie zB eine ZPU-2 wurden 85’000 LYD (62’000 USD) verlangt. Das durchschnittliche rückstossfreie Geschütz war ein Schnäppchen für 5’417 LYD (4’000 USD) und ein Raketenwerfer war den Verkäufern 9’000 LYD (6’500 USD) wert.

Die meisten der Waffen stammten aus von vor 1992 (dem Beginn des Embargos). Aber es tauchen auch einige neuere und technologischer fortgeschrittenere Waffen auf. Panzerabwehrlenkwaffen (9M111M oder MILAN F3) aber auch MANPADS (Boden-Luft Raketen) wurden gefunden.

Die technischen Details hier sind vermutlich zweitrangig (es ist auch ganz klar nicht mein Kerngeschäft) aber die einfache Erhältlichkeit dieser Waffen auf online Platformen gibt zu denken. Einige dieser geplünderten Waffen liegen unter Betten, in Küchenschränken und in Kellern. Der Zugang scheint einfach zu sein. Alleine das Potential für Unfälle ist enorm. Von den Risiken für den Konflikt oder den Zugang durch terroristische Organisationen gar nicht erst zu reden.

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