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#Die Provinz widersetzt sich dem Lockdown

Die Provinz widersetzt sich dem Lockdown

Schöner geht es nicht auf der Seiser Alm. Die Sonne strahlt. Auf dem Schneekleid, das anderthalb Meter dick auf dem Hochplateau liegt, glitzern die Kristalle. Es ist unwirklich ruhig. Am Wochenende kommen Ausflügler vom Eisack- und Etschtal herauf. Aber unter der Woche verliert sich auf dem größten Hochplateau Europas kaum eine Menschenseele.

Matthias Rüb

Matthias Rüb

Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

Die Seiser Alm, zwischen 1700 und 2300 Meter Höhe gelegen, gilt von Dezember bis April als schneesicher. Die Nationalmannschaften der nordischen Langläufer aus Italien, Schweden und den Vereinigten Staaten kommen regelmäßig zum Höhentraining. Auch jetzt könnten sich die Athleten auf gut 70 Kilometern präparierten Loipen weitere Sekunden abringen, ohne von vielen Freizeitläufern gestört zu werden. Aber man sieht dieser Tage kaum Langläufer, und alpine Skiläufer so gut wie gar nicht. Alle Skilifte und Seilbahnen sind geschlossen – bis mindestens 15. Februar.

Südtirol hat wieder „geöffnet“

Auch die meisten Hotels auf der Seiser Alm sind zu, obwohl es kein Beherbergungsverbot gibt. Geöffnet haben dagegen Geschäfte, Cafés und Restaurants. Vor der Kaffeebar „Zentral“ sind Tische aufgestellt, im Hygieneabstand. Obwohl das Thermometer minus sieben Grad zeigt, ist es für einige Pärchen und Grüppchen in der Nachmittagssonne warm genug, um den Aperol im Freien zu nehmen. Menschenansammlungen gibt es freilich keine, man hält sich an die Maskenpflicht. Die gilt in Südtirol nicht nur in Geschäften, öffentlichen Gebäuden und im Nahverkehr, sondern auch im Freien, wenn der erforderliche Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten werden kann.

Nach dem gut zweiwöchigen Lockdown über Weihnachten und Neujahr in ganz Italien hat Südtirol seit dem 7. Januar wieder „geöffnet“. Und während die meisten Regionen mit dem Präsenzunterricht an den Schulen erst im Februar beginnen, haben die Südtiroler Schulen und Kindergärten nach Dreikönig den Betrieb aufgenommen. Auch weiterführende Schulen bieten zu 75 Prozent Präsenzunterricht an. Für den Transport wurden zusätzliche Busverbindungen eingerichtet.

Die Wintersaison ist kaum mehr zu retten

Den Südtiroler Sonderweg ermöglicht das Autonomiestatut der norditalienischen Provinz, wobei es regelmäßig Gerangel gibt zwischen der Provinzregierung in Bozen und der Zentralregierung in Rom. Gemäß der Farbskala der Regierung in Rom war Südtirol bis zum Wochenende gelbe Zone mit einem moderaten Infektionsrisiko. Seit Sonntag aber hat Rom Südtirol sowie die Lombardei und Sizilien zu roten Zonen mit Ausgangssperre und Schließung von Einzelhandel und Gastronomie erklärt. Doch die Regierung in Bozen ignoriert die Einschränkungen und hält an den zum 7. Januar gewährten Lockerungen fest. In einem Brief legt die Regierung dar, Rom hantiere mit veralteten und falschen Zahlen. Ursprünglich hatte Bozen am 18. Januar auch die alpine Wintersaison starten wollen, doch Rom verfügte die Sperrung der Skigebiete bis mindestens Mitte Februar.

Vermutlich werden die Verwaltungsgerichte den Streit zugunsten Roms entscheiden, und auch in Südtirol werden Läden, Gaststätten und womöglich Schulen wieder schließen müssen. Aber auch wenn sich Bozen mit der „weichen“ Linie durchsetzen sollte, scheint die Wintersaison kaum mehr zu retten. Denn seit Montag gilt für alle 60 Millionen Italiener, dass Reisen über die Grenzen der Region des Hauptwohnsitzes verboten sind. 48 Millionen von ihnen dürfen nicht einmal die Grenzen ihrer Heimatgemeinde verlassen, denn 15 der 20 Regionen wurden als orangefarbene Zone eingestuft. Selbst wenn in Südtirol die Skigebiete wie geplant am Montag geöffnet worden wären, hätten nur die 530.000 Einwohner der autonomen Provinz sie nutzen können. Auch mit Touristen aus Österreich und Deutschland ist wegen der dort geltenden Einschränkungen vorerst nicht zu rechnen. Und der Betrieb nur mit einheimischer Kundschaft wäre unrentabel.

Auf der Seiser Alm gehört das Hotel Urthaler in Compatsch zu den wenigen Häusern, die seit dem 7. Januar wieder offen sind. Wirtschaftlich sei das wenig sinnvoll, sagt Barbara Urthaler, die das Haus in vierter Generation führt: „Aber wir können unsere Mitarbeiter, die wir zum ursprünglich geplanten Start der Skisaison hergeholt haben, jetzt nicht einfach wieder nach Hause schicken.“ Also bleibt das Hotel vorerst offen, obwohl kaum Zimmer belegt sind. Zumal die Deutschen, im Januar und Februar die wichtigste Besuchergruppe, haben ihre Reservierungen fast ausnahmslos storniert.

Für den Tourismus dürfte auch der Sonderweg der Provinz keinen Ausweg aus der wirtschaftlichen Sackgasse bieten. Etwa 10.000 saisonal im Tourismus Beschäftigte sind ohne Einkommen, viele auch ohne Arbeitslosenhilfe. Für die Schönheit und die Ruhe auf der Seiser Alm zahlen sie einen hohen Preis.

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