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#Die Schmierentragödien des Obama

Die Schmierentragödien des Obama

Ein solches Ausstellungsformat begegnet nicht alle Tage. Die einundfünfzigjährige afroamerikanische Künstlerin Kara Walker ist in der Frankfurter Schirn mit ihrem gesamten Archiv angetreten – 650 Arbeiten, darunter Gemälde, Pastelle und ihre abgründigen Scherenschnitte, die sie berühmt gemacht haben, überhaupt viel Arbeiten auf Papier, aber ebenso auch Filme, die sie eigens für die Schau produziert hat. Der sprechend mehrdeutige Ausstellungstitel „A Black Hole Is Everything a Star Longs to Be“ pendelt zwischen Poesie und Chaos, zwischen Stolz und Abgrund: Einerseits das Selbstbewusstsein der Titel-Behauptung, der sehnlichste Wunsch eines Sterns sei seine Verwandlung in ein Schwarzes Loch, andererseits wimmelt es in der Schau nur vor solchen auf körperlicher Ebene, Körperöffnungen von Sklaven etwa, die in der Vergangenheit auf jede nur denkbare Weise malträtiert oder deren Münder in der Jetztzeit wie im Fall George Floyds geknebelt und erstickt werden.

Mutmaßliches Selbstbild: Kara Walkers „Untitled“ aus der Präsidentschaftswahl-Serie „Only I can solve this (The 2016 Election)“ mit insgesamt 31 Werken von 2016.


Mutmaßliches Selbstbild: Kara Walkers „Untitled“ aus der Präsidentschaftswahl-Serie „Only I can solve this (The 2016 Election)“ mit insgesamt 31 Werken von 2016.
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Bild: Kara Walker

Es ist ein verwirrendes, anfangs überforderndes All-Over an den Wänden, von der Künstlerin oft in Petersburger Hängung selbst arrangiert. Überfordernd auch deshalb, weil sich außer der Drastik lakonisch geschilderter Grausamkeiten und sexueller Ausschweifungen lange Zeit kein roter Faden finden lassen will. Mit einer Ausnahme: Der einzige Themensaal ist dem einstigen US-Präsidenten Obama gewidmet. Hier findet sich etwa das fulminant gezeichnete „Barack Obama Tormented Saint Anthony Putting Up With the Whole ,Birther‘ Conspiracy“ von 2019, das Martin Schongauers zeitlose Dämonen aus dem fünfzehnten Jahrhundert um den sichtlich leidenden „Heiligen“ Obama kreisen lässt, nicht ohne einem davon Züge und Frisur Donald Trumps wegen dessen infamer Geburtsrecht-Verleumdungskampagne zu verleihen. Oder auch sein monumental repräsentatives „Schauspieler“-Porträt mit dem shakespearehaften Titel „Barack Obama as Othello ,The Moor‘ With the Severed Head of Iago in a New and Revised Ending by Kara E. Walker“. Obama sitzt auf einem Stein, Bein neben Bein, wobei er seinen linken Schuh mit goldener Schnalle thea­tralisch auf einen erhöhten Felsen aufsockelt, während sein Blick aus Augen, die ebenso irisierend weiß sind wie sein Hemd, unsicher in die Finsternis um ihn herum starrt. Im Schoß aber hält er wie Hamlet weiland den Totenschädel das abgetrennte und übel zugerichtete Haupt von Trump, dem er zusätzlich seinen linken Daumen tief in die Augenhöhle bohrt.

Ebenfalls aus der Serie „Only I can solve this“: Schriftbild Kara Walkers.


Ebenfalls aus der Serie „Only I can solve this“: Schriftbild Kara Walkers.
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Bild: Private Archive Kara Walker

Als Verweis auf die klassische Historienmalerei führt seine karmesinrote Schärpe ein Naturgesetzen spottendes Eigenleben als bewegtes Beiwerk und strolcht in Richtung eines mächtigen Felsbrockens hinter ihm; die lediglich in grellweißer Contékreide auf dem dunkelbraunen Untergrund angedeuteten Hemdsärmel flackern wie wild vor dem Auge. Genauso wie Walker hier die zwei großen Zweifler Shakespeares in einem Bild verschmilzt, verbindet sie auch unauflöslich die Schicksale zweier aufeinanderfolgender Präsidenten miteinander, indem sie einen völlig neuen Ausgang der Geschichte – wie bereits im barocken Bildtitel angekündigt – erfindet. Walker beansprucht für sich das, was über Jahrhunderte von in den allermeisten Fällen nichtschwarzen „Geschichtsschreibern“ für selbstverständlich genommen wurde – eine Revision von Historie aus der Siegerperspektive. Bei ihr hat der Mohr auch seine Schuldigkeit getan, er geht aber nicht ohne die Kopftrophäe seines Nachfolgers.

Abgründiges „Blackfacing“ betreibt Walkers Obama insofern, als der Friedensnobelpreisträger bei ihr die Rolle des gewaltbereiten Mohren von Venedig usurpiert – statt Trumps abgeschlagenem Kopf könnte auch Osama bin Ladens Haupt in seinem Schoß ruhen. Gegenüber der Othello-Jago-Schmierentragödie mit vertauschten Rollen hängt Walker ein reines Stereotyp-Bild: Obama thront, als Zulu verkleidet, mit einem phallischen Speer auf einem erlegten Schwein. Wer angesichts solcher Klischeevorführung nicht schlucken muss, kann nur die Vorwürfe der unzivilisierten afrikanischen Herkunft Obamas aus dem Trump-Lager teilen.

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