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#Die Schoko-Villa wird zur Barbie-Bude

„Die Schoko-Villa wird zur Barbie-Bude“

Als die Villa Ludwig eines Morgens aus wie immer ruhigen Träumen erwachte, fand sie sich in ihrem gepflegten Garten in eine ungeheure Barbie-Hütte verwandelt. Vielleicht, formt sich da eine Frage im Hinterkopf, ist das die späte Rache der Popmoderne? Bescheidenheit auf hohem Niveau zeichnet das Aachener Refugium von Peter und Irene Ludwig nämlich eigentlich aus, eine dezidiert bürgerliche, eher gemütliche als protzende und trotz der Lage auf einem Hügel leicht versteckte Villa im Stil der Jahrhundertwende, die der Architekt Hans Küpper Anfang der Fünfzigerjahre samt pittoresker Terrasse um zahlreiche in den Bau integrierte Spolien herum errichtet hat.

Mäzene, Kunstsammler, Museumsgründer

Die Ludwigs, erfolgreiche Schokoladenunternehmer, Mäzene, unermüdliche Kunstsammler und Museumsgründer, die mit ihrer Sammlung aus mehr als vierzehntausend Objekten (verteilt auf sechsundzwanzig öffentliche Häuser) kräftig Kunstpolitik betrieben, mögen mitverantwortlich dafür sein, was heute als (Welt-)Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts – insbesondere im Bereich der Pop-Art – kanonisiert ist.

Privat aber lebten sie von frühen Jahren an lieber inmitten der handwerklich-gegenständlichen Kunst der Antike, des Mittelalters oder des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Ihr Haus, das heute die Peter und Irene Ludwig Stiftung beherbergt, im Erdgeschoss allerdings unangetastet blieb, ist innen wie außen über und über mit wertvollen Kacheln, Vasen, Ziertellern, Porzellan-Services, Statuen und Antiquitäten wie Türen, Kirchengittern oder steinernen Gedenkplatten dekoriert. Heimelig wirkt es. Ein umlaufender Vorhang ziert die Dunstabzugshaube. Vom Garten her winkt eine athletische Statue Arno Brekers.

Magenta ist hier die Farbe der Wahl: die Villa des Sammlerpaars Ludwig in Aachen.


Magenta ist hier die Farbe der Wahl: die Villa des Sammlerpaars Ludwig in Aachen.
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Bild: Oliver Jungen

Dass das Haus jetzt bis September in knalligem Magenta bis in das nahe Belgien hinüber leuchtet, hat seinen Grund im fünfundzwanzigjährigen Jubiläum der 1997, ein Jahr nach Peter Ludwigs Tod, von seiner Frau Irene (neu) gegründeten Ludwig Stiftung (es gab eine anders gelagerte Vorgängereinrichtung). Die Kunsthistorikerin Carla Cugini, die seit September 2021 die Stiftung leitet, hat sich vorgenommen, den lange etwas verschlafen wirkenden Stiftungssitz zu einem lebendigen Ort der Debatten zu machen. Mit der Beauftragung des für seine raumumgestaltenden Installationen bekannten Düsseldorfer Künstlers Andreas Schmitten, der sich ganz nach eigener Fasson mit dem Gebäude und seiner Historie befassen durfte, ist Cugini ein wuchtiger Auftakt gelungen.

Herausarbeiten, was schon da ist

Zum Zeitpunkt des Besuchs waren noch letzte Handgriffe nötig. Außerdem hatten die Handwerker gekleckert. Frech wirkt der Umgang mit dem Gebäude nur auf den ersten Blick. „Ach, das sind zehn Eimer Farbe“, winkt Schmitten denn auch die Frage ab, ob er mit den Mitteln des Pops die bürgerliche Selbstinszenierung ad absurdum führen wolle. Neben dem Anstrich mit einer für ihn nicht mit einer bestimmten Bedeutung besetzten Signalfarbe hat der Künstler dem Aachener Pink Tank Markisen und Baldachine in der Anmutung einer Fünfzigerjahre-Eisdiele angedübelt; ein Erkennungszeichen von Schmittens Rekonfigurationen, wie sie etwa schon bei Mies van der Rohes Krefelder Haus Lange zum Einsatz kamen (dort allerdings dystopischer gewendet). Es sind Pseudomarkisen aus festem Kunststoff, die so künstlich und verspielt wirken wie ein riesiges Lego-Utensil.

Farbenfroh: Andreas Schmitten vor der Villa Ludwig.


Farbenfroh: Andreas Schmitten vor der Villa Ludwig.
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Bild: Oliver Jungen

Vor die Wahl gestellt, sieht sich Schmitten aber doch eher als Desillusions- denn als Illusionskünstler, weil er in seinen Arbeiten bei aller Verfremdung herausarbeite, was schon da sei. In diesem Fall habe ihn vor allem die barocke Ornamentfülle des Gebäudes beeindruckt. Die sticht auf dem pinkfarbenen Untergrund nun tatsächlich stark hervor. Er glaube, sagt Schmitten, Peter Ludwig habe seine Obsessionen in Strukturen gelebt. Das sehe man schon daran, dass er die Lebensbereiche klar voneinander trennte, also die moderne Kunst, die er so intensiv, fast „irre“ sammelte, ohne je etwas zu verkaufen (mit Ausnahme einer wertvollen Manuskriptsammlung, die an das Getty Center in Los Angeles veräußert wurde), nicht in sein mit der Tradition verschliffenes Heim ließ.

Das Sendungsbewusstsein der Sammler

Und doch sei selbst da immer dieser „Wahn“ Peter Ludwigs zu finden, der sich in all die „Setzungen“ und „Behauptungen“ fortziehe. Diese Dimension des Kunstclusters Ludwig (meist auch namentlich gestempelt) will Schmitten offenlegen. Despektierlich meint er das nicht. Seine eigene Kunstwahrnehmung sei durch das Sendungsbewusstsein der Ludwigs von Kindertagen an geprägt und geschärft worden. Und dass ein Sammler ohne jedes Kunstmarktkalkül agiere, sei „ganz groß“.

Ein wenig erinnert das Haus nun an eine Hollywoodvilla wie den Pink Palace von Jayne Mansfield, und auch Schmitten macht den Bezug zur amerikanischen Architektur auf, die ihm ehrlicher vorkommt in ihrem Bekenntnis zur Künstlichkeit. In Deutschland braucht es eben manchmal zehn Eimer Farbe, um zu zeigen, dass auch Traditionen oft nur Simulationen sind. Was wohl die Ludwigs zu der Travestie ihres Heims – nun mehr Candy als Schokolade, mehr Jahrmarkt als Biedermeier – sagen würden? Sie hätten es geschätzt, sind sich Schmitten und Cugini einig. Nur sammeln lässt sich so ein Anstrich natürlich nicht, das hätte den Kunst-Großwildjäger dann vielleicht doch gestört.

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