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#Die schwierige Frage nach der Übersterblichkeit

Die schwierige Frage nach der Übersterblichkeit

Die Corona-Krise hat einen Nebeneffekt, der normalerweise vor allem in der Fußballszene zu beobachten ist. Sind es sonst Hobbytrainer, die am Spielfeldrand über die richtige Taktik diskutieren, wurden in der Pandemie plötzlich Laien zu Freizeit-Virologen. Inzidenzwerte wurden analysiert, über den R-Wert wurde philosophiert und über Impfquoten gestritten. Wie schwer es aber selbst für Experten ist, die Datenmengen zu interpretieren und aus den vorhandenen Informationen Schlüsse zu ziehen, hat Lucas Böttcher in seiner Forschungsarbeit beschrieben.

Der Achtundzwanzigjährige hat seit März 2021 eine Assistenzprofessur für Computational Social Science – rechnergestützte Sozialwissenschaften – an der Frankfurt School of Finance and Management inne.

Daten von 80 Ländern verglichen

Unter anderem hat er zur Aussagekraft von Fallstatistiken in Bezug auf erhöhte Sterblichkeitsraten durch Covid-19 geforscht. Dafür hat er die Daten von 80 Ländern miteinander verglichen. Fast noch wichtiger, als Studienergebnisse vorzustellen, ist es für Böttcher, deutlich zu machen, wie kompliziert es ist, die Daten zu interpretieren – wie unmöglich gar, sie zu vergleichen.

Denn während seiner Forschung ist der Mathematiker immer wieder auf Probleme gestoßen. Das wohl größte: Viele Datensätze waren nicht aussagekräftig und konnten nicht für internationale Vergleiche herangezogen werden. Unter anderem, weil sich die Testverfahren in den Ländern fundamental unterscheiden – genauso wie die Erfassung und Definition der jeweiligen Todesursachen.

Oftmals seien beispielsweise in der Berichterstattung über die Pandemie die gemeldeten Fallzahlen ins Verhältnis gesetzt worden zu den registrierten Todesfällen. Daraus sei dann die Wahrscheinlichkeit abgeleitet worden, an der Krankheit zu sterben.

Ein grober Fehler, wie Böttcher sagt. Denn es sei in dieser Rechnung nicht bekannt, wie viele Menschen einer Region tatsächlich infiziert gewesen seien. Dafür müssen seinen Worten zufolge Informationen über die Testverfahren vorliegen. „Wir brauchen die Anzahl der Gesamttests. Wir müssen wissen, wie viele dieser Tests im Mittel positiv zurückkommen.“

Weil die Datenlage oft unübersichtlich gewesen sei, werde es noch einige Zeit dauern, bis belastbare Aussagen zur Infektionssterblichkeit für einzelne Länder getroffen werden könnten, macht Böttcher deutlich. Es sei dennoch wichtig gewesen, die Auswertung gleichzeitig zum Infektionsgeschehen zu beginnen. „Die Übersterblichkeit ist ein sinnvolles Maß zur Beobachtung der Entwicklung einer Pandemie“, sagt er.

Potenzielle Fehlerquellen herausrechnen

Nur müsse eben kontinuierlich der Datensatz verfeinert werden, und potentielle Fehlerquellen seien herauszurechnen. Um einen ersten Eindruck potentieller Sterblichkeitsraten zu erhalten, würden die Todeszahlen in einer Region in den vergangenen fünf Jahren als Vergleichswert herangezogen.

Lucas Böttcher forscht an der Frankfurt School of Finance and Management.


Lucas Böttcher forscht an der Frankfurt School of Finance and Management.
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Bild: dpa

Die Abweichungen gäben einen ersten Hinweis, müssten aber im Einzelnen beleuchtet werden. Je mehr Informationen vorlägen, desto einfacher sei es, Rückschlüsse zu ziehen. Auch deshalb sei es wichtig, die Daten in den nächsten Monaten noch einmal aufzuarbeiten und zu bereinigen.

Durch das Öffentlichmachen der Probleme, die bei solchen Analysen entstehen, will Böttcher eines erreichen: „Ich will die Menschen dazu bewegen, noch einmal mehr nachzudenken, bevor sie voreilig Rückschlüsse ziehen.“ Langfristig sollen die Berechnungen helfen, Aussagen darüber zu treffen, welches Risiko gewisse Bevölkerungsgruppen haben, einen tödlichen Krankheitsverlauf zu erleiden.

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