#Die Tante und der kleine Mönch
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„Die Tante und der kleine Mönch“
Die Hand Gottes hat im zwanzigsten Jahrhundert keine Kriege beendet und keine Krankenhäuser gebaut. Sie hat ein Tor geschossen, das 1:0 von Diego Maradona im Viertelfinalspiel Argentiniens gegen England bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko. So steht es im Online-Lexikon, und deshalb weiß man, wenn ein Film „Die Hand Gottes“ heißt und in Neapel spielt, ungefähr, wovon er handeln wird: von den Achtzigerjahren, in denen Maradona für eine bis dahin undenkbare Ablösesumme aus Barcelona zum SSC Napoli kam, der mit ihm den ersten Meistertitel seiner Vereinsgeschichte gewann.
Es gibt allerdings auch eine Stimme Gottes in diesem Film, und sie ist viel leiser und melodischer als das Brüllen der Fankurve im Fußballstadion. Es ist die Stimme des Regisseurs Federico Fellini. Sie erklingt, als Fabietto, der Held der Geschichte, mit seinem großen Bruder Marchino ein Casting besucht, bei dem keiner der beiden angenommen, aber Fabiettos Leben für immer verwandelt wird. Was die Stimme sagt, spielt keine Rolle, viel wichtiger ist, was die Kamera dazu zeigt: eine Pinnwand voller Fotos von Frauen. Fabietto richtet seinen Blick darauf. „In diesem Augenblick wusste ich, dass ich Filmregisseur werden wollte.“ Das ist Fabietto, der in Wirklichkeit Paolo Sorrentino heißt, tatsächlich geworden, und darum hat er diesen Film gedreht.
Das Fußballspiel rettet dem Jungen das Leben
„Die Hand Gottes“ gehört zu einem Genre, das Fellini erfunden hat. Vor fünfzig Jahren befreite er sich aus einer seiner vielen Schaffenskrisen, indem er seine Kindheit in Rimini im Studio nachstellte. „Amarcord“ handelte vom Faschismus, von Familien, Schulfreunden, Prostituierten, Autorennen und Ozeandampfern, aber eigentlich erzählte er vor allem von Fellinis Weg zu sich selbst. Das ist bei Sorrentino nicht anders, und deshalb geht es in „Die Hand Gottes“ auch nur am Rand um Maradona und seine Jahre als Profispieler in Neapel. Trotzdem hat der Argentinier eine viel wichtigere Funktion in Fabiettos Geschichte als, beispielsweise, der Dampfer Rex in „Amarcord“. Denn er rettet Fabietto das Leben, nicht direkt, aber durch Fernwirkung. Weil der Junge ein Maradona-Spiel zu Hause im Fernsehen ansehen will, fährt er an einem Herbstwochenende nach der Fußball-WM nicht mit seinen Eltern in deren Ferienhaus in den Abruzzen und entgeht so der Katastrophe, die diesen Film in zwei Hälften reißt, eine Hälfte Unschuld und eine Hälfte Trauer.
Wenn es einen gemeinsamen Zug in allen Filmen Sorrentinos gibt, ist es der, dass seine Helden durch Katastrophen nicht aus der Fassung zu bringen sind. Der Mafiabuchhalter in „Die Konsequenzen der Liebe“ versinkt in tadelloser Haltung in der Betonpfütze, in der ihn seine Auftraggeber entsorgen. Der Kulturjournalist Jep, die Hauptfigur von „La Grande Bellezza“, erträgt mit stoischem Gleichmut den Tod seiner Geliebten Ramona. Diese Seelenruhe wird in „Die Hand Gottes“ für einen Moment aufgegeben. Fabietto gerät außer sich, als er in das Krankenhaus gebracht wird, in dem seine Mutter und sein Vater liegen, er brüllt und tritt gegen die Wände, bis seine Kräfte erlahmen. Es ist die einzige Stelle, an welcher der Film zu erkennen gibt, dass er mehr ist als bloß ein weiteres Opus von Paolo Sorrentino, und man wünschte sich, die Szene – oder das, was an erzählerischer Energie in ihr ist – würde weiterwirken in dieser Geschichte.
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