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#Die wichtigsten Ausstellungen in Berlin: Was ihr jetzt unbedingt sehen solltet

Die wichtigsten Ausstellungen in Berlin: Was ihr jetzt unbedingt sehen solltet

Alle Ausstellungen auf einmal: Mit diesen Worten lässt sich zusammenfassen, was jetzt in Berlin passiert. Museen, Kunstvereine, Projekträume und Künstlerinnen in ihren Ateliers zeigen, was sich über die Monate der Schließungen aufgestaut hat. Es lohnt sich, nicht nur auf die großen Großausstellungen zu achten, sondern auch auf verstecktere Schauen, in denen der Großstadtmensch zur Ruhe kommen kann. Wir haben die wichtigsten, schönsten, besten Austellungen in Berlin für euch.


Yael Bartana: Redemption Now

Yael Bartana: Standbild aus „Malka Germania“, 2021, Auftragsarbeit für das Jüdische Museum Berlin

Die Heilsbringerin, gekleidet in einen weißen, langen, weiten Mantel, reitet auf einem Esel in Berlin ein. Ein Schelm, wer da an Jesus denkt. Doch das Berliner Regierungsviertel ist nicht Jerusalem. Auf ihrem Weg Richtung Südwesten, zum Strandbad Wannsee, erlebt die geheimnisvolle Lichtgestalt eine Stadt, die nach wie vor von der nationalsozialistischen Diktatur geprägt ist – vor allem im kollektiven Gedächtnis ihrer Bewohner:innen.

Yael Bartanas aufwändige, dreikanalige Filminstallation „Malka Germania“ („Königin Germania“) ist eine Auftragsarbeit für das Jüdische Museum, die überlieferte und vielfach gebrauchte Motive aus Film und Fotografie zerlegt und neu verwendet – von Menschen Menschen mit Koffern, die auf Gleisen in den Wald gehen, von Soldaten, die mit israelischer Flagge um den Schultern aus der U-Bahn stürmen. Die provokative Installation bildet den Mittelpunkt einer großen Werkschau der in Amsterdam und Berlin lebenden Künstlerin aus Israel, die schon Polen auf der Venedig-Biennale vertrat. „Redemption“ heißt die Ausstellung. Bartana will wissen, ob es eine „Erlösung“ von der Geschichte geben kann. Ihre Fotografien, Filme, Neonarbeiten und Installationen aus zwei Jahrzehnten thematisieren weltliche und religiöse Versuche, einem besseren Leben näher zu kommen – noch hier auf Erden oder auch jenseits von ihr.

  • Jüdisches Museum Lindenstr. 9-14, Kreuzberg, Mo-So 10-19 Uhr, 8/3 €, bis 18 J. frei, Buchung: www.jmberlin.de 4.6.-10.10.

Artspring Berlin: Das Kunstfestival in Pankow

„Focus on Abstraction II“, kuratiert von Carlos Silva, Pavillon am Milchhof. Foto: Ralph Bergel

Im vergangenen Jahr musste das Pankower Kunstfestival artspring berlin pandemiebedingt ganz auf digitale Formate ausweichen. In diesem Jahr klappt es mit analogen Begegnungen: Am 5. und 6. Juni öffnen 320 Künstler und Künstlerinnen des Bezirks Türen ihrer Studios. Anlaufpunkte sind beispielsweise die Atelierhäuser an der Prenzlauer Promenade, im Milchhof Schwedter Straße und das Haus Pankow in der Schönfließer Straße. Als zentrale Station, an der es immer auch Informationsmaterial mit Wegbeschreibungen gibt, dient die Galerie Parterre in der Danziger Straße, in der während des Festivals Künstler:innen des Bezirks ausstellen.

  • Möglicher Startpunkt: Galerie Parterre Danziger Str. 101, Pankow, Eintritt frei, Öffnungszeiten und einzelne Ateliers tagesaktuell auf: www.artspring.berlin, Masken und Abstand nicht vergessen, 4.6.-6.6.

Rolf Julius und 25 Jahre Singuhr-Hörgalerie

Rolf Julius: „musik, weiter entfernt“, Parochialkirche 2021, Foto: aphexberlin 

Ein Meisterwerk, ohne Übertreibung. Vielleicht mussten ja erst 22 Jahre vergehen, musste der Hype um Berlins Ruinen verblassen und die Zuhörerin (hoffentlich) erwachsener werden, um zu begreifen, welche feine Komposition der Klangkünstler Rolf Julius für die Parochialkirche schuf. Die Singuhr-Hörgalerie, auf Klangkunst spezialisiert, hatte hier 1999 sein stück „musik, weiter entfernt“ installiert. Zu ihrem 25-jährigen Jubiläum hat sie jetzt (neben einer Ausstellung von Julio Lugon im Verein Meinblau auf dem Pfefferberg) die Arbeit des 2011 gestorbenen Künstlers in dem sanierten Gotteshauses neu eingerichtet – ein Erlebnis in den nach wie vor unverputzten Gemäuern. Unter Decke und Dachstuhl der Kirche, die von der benachbarten Gemeinde wieder genutzt wird, hängen nur wenige, kleine Lautsprecher.

Kaum zu sehen sind sie. Doch ihr Sound ist gewaltig, gerade weil er so behutsam herunter zu rieseln scheint. In den oberen Tonlagen britzelt und knistert es, als ob sich Partikel des Putzes lösen würden. In den unteren Lagen erklingen, präzise eingestreut, Töne wie von orff`schen Instrumenten und Klavier, dazu dann und wann Schlagen, Pochen, Klirren, Schrillen, Schnarren, Flöten, Schwirren, Sausen. Die Wände des Kirchenschiffs brechen die Sounds und werfen sie zurück, ohne dass der Klang verschwimmt, alles bleibt ganz genau. Denkt man gegenständlich, könnte man sich in einer Art tropfenden, tropischen Walds voller Insekten und Vögel wähnen. Aber vielleicht kommt diese Assoziation auch nur von dem Licht der Sonne, das die Schatten der realen Bäume draußen auf dem Steinboden der Kirche tanzen lässt.

  • Parochialkirche Klosterstraße, Mitte, Mi-So 14-20 Uhr, keine Terminbuchung, nötig sind jedoch Testergebnis, Maske und Adressangabe, bis 13.6.

Berliner Herbstsalon: Kunst und Szenografie am Theater

„Eyewitness Painting“ von Timur Çelik, Foto: Lutz Knospe/Timur Çelik

Jetzt noch einmal besser präsentiert: Zehra Dogans Zeichnungen aus ihrer Haft in der Türkei, die auf der 11. Berlin Biennale zu sehen waren, sind nun im Kiosk des Gorki ausgestellt, gut ausgeleuchtet und übersetzt. Sie eröffnen den diesjährigen, über Monate gestreckten Herbstsalon des Theaters unter dem Motto „stronger still“ Zu diesem Eröffnungsteil gehören ebenfalls Tarik Celiks Porträts von Verfolgten, Augenzeugen und Infhaftierten sowie Fakten über türkische Gefängnisse, die der ehemals inhaftierte Journalist Can Dündar mit dem Theater-Team im Hof und Verwaltungsgebäude eindrucksvoll in Szene gesetzt hat.

  • Gorki Eingang Dorotheenstr. 9, Mitte, Di-Do 12-21, Fr-So 14-22 Uhr, Eintritt frei, Zeittickets: gorki.de, bis 23.9

Grada Kilomba: Das Ungesagte tanzen

GrStandbild aus Grada Kilombas „Illusions Vol I“, 2017, Courtesy Gorki

Wer den Herbstsalon des Gorki-Theaters 2019 verpasst hat, kann eine Arbeit der damaligen Teilnehmerin Grada Kilomba jetzt in der McLaughlin Galerie nachsehen. „Illusions Vol. I-III“ zeigt in prächtigen Filmbildern Tänzer:innen. Sie verkörpern Szenen aus der griechischen Sagenwelt, die Grada Kilomba vorträgt, und vor allem das, was Kilomba dabei auslässt: Muster von Macht, Wiederholung von Gewalt, Ungleichgewicht zwischen Männer und Frauen, Göttern und Göttinnen. Das prächtige Ambiente des Gorki und der Bezug zum Theater fehlen in der Galerie natürlich. Dafür hängen hier Farbfotografien, die Momente der Tanzperformances wie in „lebenden Bildern“ verdichten.


Diversity United: Ein wackeliger Kontinent

Kris Lemsalu: „Sally, Go Around the Roses“, 2018 Gusskeramik, Textilien und Klettergriffe ca. 160 x 160 x 50 cm
Foto: Mark Blower / Kris Lemsalu / Courtesy Temnikova & Kasela Gallery und Koppe / Astner Gallery

Zum Thema Europa haben die Kurator:innen der Großausstellung „Diversity United” Arbeiten von 90 Künstler:innen aus drei Jahrzehnten und 34 Ländern in den Flughafen Tempelhof zusammengebracht. Ost und West, Arm und Reich, Staaten und Subjekte, Weltliches und Religiöses prallen hier aufeinander. Viele neue Auftragsarbeiten sowie bekannte Werke beispielsweise von Luc Tuymans, Yinka Shonibare CBE, Kris Lemsalu (Foto) und Katharina Sieverding zeichnen das widersprüchliche Bild eines Kontinents, der an seinem Zusammenwachsen nach 1990 noch deutlich nachbessern muss. Mehr zu Diversity United lest ihr auch hier.


Island: Hidden People & From Magna to Mankind

Standbild aus Egill Saebjornssons Film „From Magna to Mankind“, Foto: Egill Saebjornsson/ Galerie im Körnerpark

Niemand muss Island-Fan sein, um sich in dieser Ausstellung wohl zu fühlen. Maria und Natalia Petschatnikov haben fast die ganze Galerie im Körnerpark zu einer Landschaft umgestaltet, in der Schafe grasen, Hänge rutschen, Eis splittert. Aus ganz einfachen Materialien wie Packpapier. In diese künstliche Wildnis haben die Schwestern zarte Aquarelle von Island und seinen menschlichen, tierischen wie pflanzlichen Bewohner:innen gehängt. Es ist eine Einladung, den Menschen nicht mehr als Krönung der Schöpfung zu sehen. Im hinteren Videoraum läuft Egill Saebjornssons humorvoller Projektfilm „From Magna to Mankind“ mit ernstem Inhalt.

Der in Berlin lebende Konzeptkünstler sieht den Ursprung allen Lebens in Vulkanen, er denkt Lebewesen, Metalle, Mineralien und Magna zusammen. Wissenschaftlich betrachtet, hat er sogar Recht, man muss nur an die Schwarzen Raucher in der Tiefsee denken, an denen sich Bakterien bilden und den Anfang einer Kette des Lebens begründen. Galerieleiterin Dorothee Bienert führt am Freitag, den 4. Juni, 18 Uhr, gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Yolanda Kaddu-Mulindwa auf der Terrasse der Galerie in die Kunst ein. Danach spielt die Musikerin Dorit Chrysler auf dem Theremin.

  • Galerie im Körnerpark Schierker Str. 8, Neukölln, Mo-So 10-20 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung Tel: 030/5682 39 39, bis 22.8.

Mario Pfeifer: Künstler auf Recherche

Aus Mario Pfeifer: „Zelle 5 – 800° Celsius: Act I“, 2020, 4K-video, 24 min. Foto: Courtesy Mario Pfeifer and KOW, Berlin (Filmstill)

Auf der 10. Berlin Biennale zeigte Mario Pfeifer eine Filminstallation, für die er Bürger und Bürgerinnen in einer Art Geschworenen-Runde zusammenbrachte. Sie waren eingelaen, anhand neu zusammengetragenen Dokumentarmaterials noch einmal über einen Fall im mittelsächsischen Arnsdorf befinden: über einen gewaltsamen Übergriff auf einen Asylbewerber, der später – kurz vor seiner Aussage gegen die möglichen Täter – tot in einem Wald gefunden wurde. In der Galerie KOW zeigt der Künstler nun einen neuen Film über einen anderen Fall, in dem die Behörden offenbar nicht genau gearbeitet haben: Oury Jallohs Tod durch Verbrennen 2005 in einer Polizeizelle von Dessau-Roßlau. In Zusammenarbeit mit der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V.“ hat Mario Pfeifer ein neues Brandgutachten erstellen lassen. Die Bilder seinen Films sind so sparsam wie ästhetisch. Nichts lenkt von den eindringlich eingesprochenen Ergebnissen der Untersuchung ab.

  • Galerie KOW Lindenstr. 35, Kreuzberg, Di-Sa 12-18 Uhr, Anmeldung: www.kow-berlin.com, bis 12.6.

Demokratie heute: eine kurze Bestandsaufnahme

Democratic Self-Administration of Rojava and Studio Jonas Staal: „New World Summit – Rojava, 2015 – 2018“.
Foto: Tom Janssen / Rojava and Studio Jonas Staal

Kurz und knackig ist die Ausstellung mit dem langen Titel „Demokratie heute – Probleme der Repräsentation“ im Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst. Unter anderem Jonas Staal, Marina Naprushkina und Oliver Ressler machen mit. Unbefangen können wir nicht darüber berichten, denn Kurator und Kunstkritiker Raimar Stange schreibt auch für den tip Berlin. Deshalb hier nur kurz: Es geht um den prekären Zustand der Demokratie an verschiedenen Orten der Welt, auch in Deutschland. Interessant ist da nicht zuletzt das Video der Berliner Künstlerin Julia Lazarus: Es konzentriert sich auf die Gestik von Politiker:innen, die im Bundestag sprechen. Bestürzend.

  • Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst Am Sudhaus 3, Neukölln, Do-So 12-18 Uhr, Mi 12-20 Uhr, 5/3 €, Anmeldung: www.kindl-berlin.de, bis 4.7.

Geumhyung Jeong: Under Maintenance

Geumhyung Jeong, Under Maintenance, 2021, installation view, Klemm’s, Berlin

Nein, das hier ist weder Heimwerkermarkt noch Bastelkeller. Eher eine Bühne für den Versuch, mit Laienwissen Roboter zusammenzubauen, die auch wirklich tun, was ihre Erfinderin von ihnen will. Der Performance-Star Geumhyung Jeong hat sich zunehmend der Form der Installation zugewendet. Sie tritt noch immer auf, sie arbeitet noch immer ganz körperlich mit den Maschinenteilen, wovon die Filme an den Gerüsten zeugen. Und sie erforscht dabei noch immer die Grenzen zwischen weiblichem Körper und (vermutlich) von Männern erdachten Maschinenteilen. Doch im Mittelpunkt stehen nun Funktion und Form der Bauteile. Beklemmend präzise aufgebaut, oder besser: geradezu angerichtet auf den Tischen in der Kreuzberger Galerie Klemm’s.

  • Galerie Klemm’s Prinzessinnenstraße 29, Kreuzberg, Di-Sa 11-die Stadt 18 Uhr, nur mit Anmeldung, Termine bis Ende Juli

Susan Philipsz: Slow Fresh Fount

Susan Philipsz: „Slow Fresh Fount“, 2021, 4-Kanal-Klanginstallation und sechs Stahlfässer, 3′ 12 “.
Foto: Roman März / Courtesy Susan Philipsz and Konrad Fischer Galerie

Etwas Zeit mitzubringen empfiehlt sich für Susan Philipsz‘ Ausstellung „Slow Fresh Fount“, denn es geht ja „slow“ zu. Die Laienstimme der Berliner Künstlerin, die aus versteckten Lautsprechern klingt, tastet die Geschosse der Galerie Konrad Fischer ab, die Philipsz mit weißen Silos und schwarzen Fässern unterschiedlich gestaltet hat. Philipsz singt alle vier Stimmen einer Vertonung von „Slow Fresh Fount“, eines berühmten Gedichts des englischen Dramatikers Ben Jonsons aus seinem Stück „Cynthia`s Revel“, 1600 am Blackfriars Theatre uraufgeführt. In Philipsz‘ fragmentierender Bearbeitung für Lautsprecher entfaltet es eine große räumliche Wirkung, die die Industriearchitektur des ehemaligen Umspannwerks würdigt.

  • Konrad Fischer Galerie Neue Grünstr. 12, Mitte, Di-Sa 11-18 Uhr, Anmeldung: konradfischergalerie.de, bis 17.7.

Skulpturenpark: Ausflug aufs Schlossgut Schwante

Toshihilo Mitsuya: „The Aluminum Garden-Structural Study of Plants“, 2020, im Park von Schlossgut Schwante.
Foto: Schlossgut Schwante

Westlich von Oranienburg, gut zu erreichen über die Autobahn, liegt das Gutshaus Schwante bei Oberkrämer. Neben einem Restaurant und einem Hofladen erstreckt sich hier ein großer Garten für zeitgenössische Skulptur. In diesem Park stehen beispielsweise eine Art Mediationsraum von Carsten Nicolai, eine Treppe von Monika Sosnowska und eine Neonarbeit von Martin Creed. Zur neuen Saison sind weitere Arbeiten hinzugekommen, unter anderem die Hasenfigur „Usagi Greeting“ der Berliner Kunstprofessorin Leiko Ikemura und „The Wind Rose“ von der Berliner Installationskünstlerin Susan Philipsz. Willkommen im Grünen.

  • Schlossgut Schwante Schloßplatz 1-3, 16727 Oberkrämer, Fr-So ab 11 Uhr, ab 4.6. bis in den Herbst

Pablo Picasso: „Les Femmes d’Alger“

Pablo Picasso,: Les Femmes d’Alger (Version A), 13.12.1954, Öl auf Leinwand, 61,5 × 72,2 cm, Wadsworth Atheneum Museum of Art, Hartford, CT. Gift of the Carey Walker Foundation © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2021 / Allen Phillips / Wadsworth Atheneum

Im Museum Berggruen sind erstmals seit mehr als 60 Jahren in Deutschland Variationen von Pablos Picassos „Les Femmes d’Alger“ als Serie zu sehen, zusammen mit dem Vorbild, Eugène Delacroix „Femmes d’Alger dans leur intérieur“ (1849). Chronologisch gehängt von Sammlungskurator Gabriel Montua, machen all die Leihgaben den Zusammenhang transparent, in dem das einzige Gemälde der Serie entstand, das sich dauerhaft unter dem Dach des Museums befindet: die Version L vom 9. Februar 1955.

So wird erfahrbar, wie Picasso in Gemälden, Zeichnungen und Drucken Formen ausprobierte. Mit Zwei- und Dreidimensionalität experimentiert, mit Farben und Nichtfarbe, wie er sich an Matisse abarbeitete, die Frauen entkleidete und ihre Körper verdrehte und fragmentierte. Nicht zuletzt aber erhellt eine ganzen Etage Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der Serie. Denn Picasso begann sie, als in Algerien der Unabhängigkeitskrieg gegen die Kolonialmacht Frankreich begann. (cwa)

  • Museum Berggruen Schloßstr. 1, Charlottenburg, Di-Fr 10-18, Sa/So 11-18 Uhr, 12/ 6 € (inkl. Sammlung Scharf-Gerstenberg), bis 18 J. frei, Ticketbuchung: www.smb.museum/tickets, bis 8.8.

Spätgotik. Aufbruch in die Neuzeit

Gemälde / Öl auf Eichenholz (vor 1437) von Konrad Witz [um 1400 – um 1445], 85,80 x 80,30 cm,
Foto: bpk / Gemäldegalerie, SMB / Jörg P. Anders

Die Spätgotik gilt als das Schwarzbrot der Kunstgeschichte, immens wichtig, aber anstrengend. Deshalb zeigt die Gemäldegalerie mit dem Zusatz „Aufbruch in die Neuzeit“ gleich die Richtung an, auch wenn sich die Schau nicht wirklich vom kunsthistorischen Ansatz löst. Muss sie auch nicht, denn Meisterwerke von Nicolaus Gerhaert, Martin Schongauer und Tilman Riemenschneider zeigen in ihrer realistischen Menschendarstellung sehr eindrücklich, wie die Entdeckung des Individuums im 15. Jahrhundert auch die Kunst prägte.

Die Künstler begannen, ihre Werke zu signieren. Auch die Medienentwicklung – in der Zeit wurden der Buchdruck, Holzschnitt und Kupferstich erfunden – ist ein wichtiges Thema. Dass in Berlin so viele hochkarätige Stücke der Spätgotik in den Museumsbeständen sind, ist übrigens das Verdienst mit von Karl Friedrich Schinkel. Er hat der Epoche wiederentdeckt und für den Ankauf vieler, damals billig zu habender Spitzenwerke gesorgt.

  • Gemäldegalerie Matthäikirchplatz am Kulturforum, Tiergarten, Di–Fr 10–18 Uhr, Sa/ So 11–18 Uhr, Zeitfenstertickets über www.smb.museum/tickets, bis 05.09.

Bettina Pousttchi: „Ampilfier“ am Konzerthaus

„Ampilfier – Konzerthaus 200“, nstallation Bettina Pousttchi , Foto: Jens Ziehe

Die Berliner Fotografin und Bildhauerin Bettina Pousttchi überzeugte letztens mit einer großen Einzelausstellung: Sie hatte unter anderem aus Fahrradbügeln und Leitplanken grazil balancierende Plastiken geschaffen. Zudem gestaltete sie mit einer Fotoinstallation auf der Fassade der Kunsthalle Rostock diese zum Palast der Republik um, der 2008/9 abgerissen worden war. Jetzt ist sie wieder in Berlin präsent: Sie beglückwünscht das Konzerthaus zu seinem 200. Geburtstag mit der Fassadeninstallation „Ampilfier“, die Schinkels Architektur und die Umgebung am Gendarmenmarkt verfremdet. Pandemiegerecht ist die Installation jederzeit vom Platz aus zu sehen. (cwa)

  • Konzerthaus Berlin Gendarmenmarkt, Mitte, tägl. 0-24 Uhr, bis 30.6.

Marc Brandenburg: „Hirnsturm II“

Marc Brandenburg: „Camouflage Pullover „(Stills), 2018, Videoinstallation, Wolle, Foto: Marc Brandenburg/ Palais Populaire

„Brainstorm“ hieß der erste Teil dieser Ausstellung, sie fand in New York statt. Das Kunstwort „Hirnsturm“ ist kantiger, fast schmerzhaft, passt aber genau zur aktuellen Ausstellung des Berliner Künstlers. Müll, Graffiti, Schmuckstücke, Werbung, Filme, die Schlafplätze von Obdachlosen – solche Motive finden sich in Marc Brandenburgs neuer Schau im Palais Populaire, wie immer bei ihm schwarzweiß gezeichnet, meist inversiv, also Schwarz und Weiß vertauscht, und mit Schwarzlicht beleuchtet. All diese Versatzstücke der Großstadt und der Popkultur hämmern heftig ins Hirn.

Den zweiten Teil der Schau bildet die dreikanalige Videoinstallation „Camouflage Pullover“ von 2018. Sie geht zurück auf die Strickarbeit „Tarnpullover für Ausländer“, die unter dem Eindruck der rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992 entstanden sind. An die Pullover sind auch gleich noch Hälse, Gesichter und Haare drangestrickt, in verschiedenen Hautfarben, ganz stereotyp. Diese Strickgesichter-Männer gehen durch Berlin, nur wenige Passanten sind irritiert. Eine eindrückliche Ausstellung mit Themen, die für Berlin aktuell super wichtig sind. (SD)


Schulboom: „Bildungsschock“

Ausstellungsansicht aus der Ausstellung „Bildungsschock. Lernen, Politik und Architektur in den 1960er und 1970er Jahren“ im HKW
Foto: Silke Briel / HKW

Gastkurator Tom Holert hat im Haus der Kulturen der Welt mit „Bildungsschock“ eine wunderbar gestaltete Ausstellung aufgebaut: Modelle, Fotos, Filme, Druckerzeugnisse und Kunst führen in den Mikrokosmos Schule und den Makrokosmos Weltpolitik ein. Thema ist der Bildungsboom, den die sogenannten geburtenstarken Jahrgänge erlebten. Er spiegelte sich auch in der Schularchitektur, in gewaltigen Komplexen aus Beton.

Hintergrund des schnellen Bauens: Die militärischen Blöcke wetteiferten nicht nur auf den Gebieten von Rüstung und Technik, sondern auch um die besseren Fachkräfte. Die UdSSR exportierte ganze Schulsysteme in sogenannte Entwicklungsländer. Erschütternd bleiben: die Gründe für den Abbruch der Bildungsoffensive – und das Manifest heutiger Berliner Schüler*innen, das für diese Ausstellung entstand. Es enthält konkrete Forderungen für bessere Schulen, von der Sitzecke bis zum Schulessen – lauter Dinge, die man eigentlich für selbstverständlich halten würde. (cwa)

  • Haus der Kulturen der Welt John-F.-Dulles-Allee 10, Tiergarten, Mi-Mo 12-20 Uhr, 7/3 Euro, bis 18 J. frei (eigene Kopfhörer empfohlen), Zeittickets und Online-Angebote: www.hkw.de, bis 11.7.

Anja Ehrenstein: Gewinnerin des C/O-Talent-Wettbewerbs

CO Berlin Talent Award 2021 Gewinnerin Anna Ehrenstein: „Franceline II“, 2019
Foto: Anna Ehrenstein / Courtesy Office Impart and KOW Berlin

Bilder spiegeln Macht und verfestigen sie: Davon ist Anja Ehrenstein, 28, überzeugt. Sie macht nicht nur Fotos, sie klaubt Bilder zusammen, aus dem Netz vor allem und sie gibt die Kamera ab an Menschen in Dakar, in Deutschland, in Albanien. Um die Macht über die Bilder zu teilen und alternative Motive den Weg an die Öffentlichkeit zu ebnen. Mit dieser Methode hat sie die Jury des Talent-Wettbewerbs am Fotohaus C/O Berlin überzeugt. Und nun findet endlich die verschobene Ausstellung dazu statt – zeitgleich zu einer Soloschau der britischen Modefotografin Nadine Ijewere und einer Themenausstellung zu Social-Media-Bildern, die die gute alte Ansichtskarte oft ersetzen. (cwa)

Vor dem C/O Berlin stehen drei Enten – die Installation „What The Duck“. Foto: David von Becker
  • C/O Berlin Hardenbergstr. 22-24, Charlottenburg, 10/6 Euro, bis 18 J. frei, aktualisierte Öffnungszeiten und Zeittickets auf: https://co-berlin.org, bis 2.9.

Joseph Beuys: Der Erfinder der Elektrizität

Joseph Beuys in seiner Wohnung in Düsseldorf, 1981
Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, Sammlung Marzona / Winfried Göllner / Reprofotograf: Dietmar Katz

Bevor der Hamburger Bahnhof Mitte Juni seine große Ausstellung zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys beginnt, kann das Publikum sein Wissen über Beuys´ Schaffen und Wirken auffrischen: In der Kirche St. Matthäus hat Kurator Eugen Blume, ehemals Leiter des Museums Hamburger Bahnhofs, eine Ausstellung zum religiösen Strang in Beuys Werk zusammengestellt.

In kleineren plastischen Arbeiten, Filmen von Performances sowie Plakaten wird deutlich, wie der Düsseldorfer Künstler unter anderem christliche Symbolik variierte. Zugleich erinnert die Schau an die ungeheure Wirkung von Beuys in der alten Bundesrepublik, nicht zuletzt, weil er zu den Gründungsmitgliedern der Grünen-Partei zählte. Nicht verpassen: Lothar Wollehs Fotografien auf der Galerie über den Kirchenbänken, die Beuys beim Aufbau einer Ausstellung in Schweden zeigen. Übrigens: Einen exklusiven Siebdruck zum 100. Geburtstag von Beuys gibt es hier. (cwa)

  • St. Matthäus-Kirche Matthäikirchplatz, Tiergarten, Di-Fr 12-16, Sa/ So 12-18 Uhr sowie zu Andachten und Gottesdiensten, Eintritt frei, kein Covid-Test und keine Anmeldung notwendig, bis 12.9.

Hans Haacke: „Wir (alle) sind das Volk“

Plakataktion zum Statement von Hans Haacke: ‚Wir (alle) sind das Volk‘ am Bauzaun des Museum des 20. Jahrhunderts. 03.05.2021, Copyright: SPK/photothek/Thomas Koehler

Wer aus der Beuys-Ausstellung in der St.-Matthäus-Kirche kommt, steht unmittelbar vor einer Arbeit Hans Haackes. Sie klebt am Zaun, der die Baustelle des umstrittenen Museums des 20. Jahrhunderts umgibt. Auf ihn hat der in New York lebende deutsche Konzeptkünstler eine weiter Variation seiner Posterserie anbringen lassen, die in einer anderen Fassung zur Berlin Art Week 2020 in Berlin zu sehen war. „Wir (alle) sind das Volk“ heißt es in verschiedenen Schriften und Sprachen auf den leuchtenden Plakaten. Die auf den ersten Blick aussehen, als trügen sie die Farben des Regenbogens, doch auf den zweiten irritieren. Denn verschiedene Töne des Farbspektrums fehlen. (cwa)

  • Bauzaun am Matthäikirchplatz rund um die Uhr, bis auf Weiteres

Rembrandts Orient

Pieter Lastman: Jephta und seine Tochter, 1611, Öl auf Holz, 122,5 x 200 cm © Kunst Museum Winterthur, Geschenk der Stiftung Jakob Briner, 2018

Als der große Rembrandt malte, handelten und kämpften sich die Niederlande zur Weltmacht empor. Die Ausstellung „Rembrandts Orient“ im Museum Barberini in Potsdam thematisiert anhand von 110 Exponaten, wie sich dieses Kapitel der Weltgeschichte in damaligen Porträts, Stilleben und und biblischen Szenen spiegelte. Die Tickets für das Haus in Potsdam sind immer ruckzuck ausgebucht, immer drei Tage vorher werden neue freigeschaltet.

  • Museum Barberini Alter Markt, Humboldtstraße 5-6, Potsdam, Mi-Mo 10-19 Uhr, bis 18.7.

Yayoi Kusama: „A Bouquet of Love I Saw in the Universe”

Yayoi Kusama im Gropius Bau: Bis 15. August sind die pinken Tentakel im Lichthof zu sehen. Foto: Imago/Pacific Press Agency

Kürbisse, Punkte und leuchtende Farben: Die japanische Künstlerin Yayoi Kusama hat eine große Soloschau im Gropius Bau. Kusamas revolutionäre Interventionen, ihre fantastischen Installationen und ihre Neudefinition ihrer Rolle als Frau in der Kunst – immer wieder wurde sie selber Teil ihrer Ausstellungen in einem performativen Akt – machen sie sie zu einer der einflussreichsten Künster:innen weltweit. Die Retrospektive, derzeit wohl Berlins begehrtestes Tickets, beleuchten wir ausführlich hier: Yayoi Kusama im Gropius Bau – so spektakulär ist die Retrospektive.

  • Gropius Bau Niederkirchnerstraße 7, Kreuzberg, Mi bis Mo 10:00–21:00, Di geschlossen, 9-21 Uhr, Infos + Tickets hier, bis 15.8.

Neo Rauch: Der Beifang

Neo Rauch: „Ausbruch 2010“, Filzstift, Öl auf Papier 29,5 × 42 cm Foto: Uwe Walter, Berlin / © Neo Rauch und VG Bild-Kunst, Bonn 2020 / Courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig/Berlin und Galerie David Zwirner, New York/London/Hong Kong/Paris

Nachdem der erste Ansturm vorüber ist und sich die Website für die Besucheranmeldung erholt zu haben scheint, sind vor allem werktags wieder Tickets für Neo Rauchs Ausstellung im Gutshaus Steglitz zu haben. Der Maler, der das klassizistische Gebäude kennenlernte, als hier seine Frau Rosa Loy ausstellte, zeigt unverkäufliche Arbeiten auf Papier, vor allem aus dem Besitz des Paares. Sie sind gemalt, getuscht, gezeichnet, manchmal gar mit Kugelschreiber. Es handelt sich um „Beifang“, aber nebensächlich sind die guten Stücke nicht: Der ganze Kosmos des Leipziger Malers entfaltet sich hier im Kleinformat (cwa)


Tim Eitel: „Vie imaginaire, chapitreII: Ensemble”

Tim Eitel: „Vie imaginaire, chapitre II: Ensemble“, Ausstellungsansicht, 2021 Galerie EIGEN + ART Berlin
Foto: Uwe Walter, Berlin / Tim Eitel / Galerie EIGEN + ART Berlin

Wie Neo Rauch kommt der Maler Tim Eitel aus Leipzig, lebt aber schon länger in Paris, wo er auch Kunst lehrt. Im dortigen Lockdown hat er die Gemälde geschaffen, die seine Berliner Stammgalerie Eigen + Art noch bis 6. Juni zeigt: wunderbar zärtliche Gemälde von Menschen, die sich nahe kommen. Man muss nicht wissen, wer sie sind (zum Beispiel das Nachbarpaar aus der Wohnung gegenüber der Eitels), um von der Intimität und dem Respekt gegenüber den Abgebildeten berührt zu sein. (cwa)

  • Galerie Eigen + Art Auguststraße 26, Mitte, Di-Sa 11-18 Uhr, Anmeldung online hier, bis 5.6.

Christian Boltanski: Danach

Christian Boltanski : „Crépuscule (detail)“, 1996, Glühbirnen und Kabel, Maße variabel,
Foto: Christian Boltanski / Centre Pompidou / Philippe Migeat / ADAGP, Paris, 2019

Das ganze prächtige Gebäude der Galerie Kewenig hat Christian Boltanski für seine Ausstellung „Danach“ in Beschlag genommen: etwa mit Dias, die über Wände huschen, leuchtenden Glühbirnen, die Hitze verströmen, jeden Tag etwas weniger, weil täglich einige erlöschen. Und mit Körper und Gehör penetrierenden Bassschlägen, den Herztönen des Künstlers aus Frankreich. Es geht um das Alter, um ein Leben, das eines Tages zu Ende geht, und die Frage, was „danach“ kommt – falls da etwas kommt. (cwa)

  • Galerie Kewenig Brüderstr. 10, Mitte, Di-Sa 11-18 Uhr, Anmeldung: https://kewenig.com, bis 26.6.

TOUCHE MOI! at TROPEZ im Sommerbad Humboldthain

Im Sommerbad Humboldthain findet in diesem Sommer die Ausstellung mehrerer Künstler:innen statt. Hier kann man analog und digital Werke zum Thema Berührung sehen. Foto: Tropez

Vom 29. Mai bis zum 5. September hat der Projektraum und Kiosk TROPEZ Künstler:innen eingeladen, neue Kunstwerke und Darbietungen rund um das Thema Berührung zu produzieren. Es werden analoge sowie digitale Werke im Sommerbad Humboldthain ausgestellt. Es gibt Außenskulpturen sowie (Sound-)Installation, welche die Bedeutung des Tastsinns sowie von Zuwendung behandeln. Mit TOUCHE MOI! holt das TROPEZ Kultur aus dem geschlossenen Umfeld klassischer Präsentationsorte und ermöglicht einem diversen Publikum verschiedene Kunstformen als etwas Nahbares zu erfahren.

  • TROPEZ im Sommerbad Humboldthain, Wiesenstraße 1, 13357 Berlin, Mo-So, 10-18 Uhr, es müssen Zeittickets für das Schwimmbad gebucht werden, tropeztropez.de, bis 5.9.

Mehr Kunst und Ausstellungen in Berlin

Sie war mit David Bowie und Iggy Pop befreundet, der junge Martin Kippenberger wohnte in ihrer Kreativzentrale, der Kreuzberger Fabrikneu. Im Interview erzählt Claudia Skoda aus ihrem aufregenden Leben. Im Sommer soll es wieder so weit sein: Die Halle am Berghain plant eine neue immersive Kunstausstellung. Was ist gerade eigentlich möglich? Wir haben zusammengestellt, welche Galerien und Museen geöffnet sind.

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