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#Diese Prognose zerstört sich selbst

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Diese Prognose zerstört sich selbst

Diese Prognose zerstört sich innerhalb von sechs Wochen selbst: Was im ersten Moment nach einem schlechten Agentenfilm klingt, scheint das inoffizielle Motto einiger Corona-Prophezeiungen in Deutschland zu sein. Mitte März zum Beispiel schrieb das Robert-Koch-Institut: „Die Extrapolation der Trends zeigt, dass in Kalenderwoche 14 mit Fallzahlen über dem Niveau von Weihnachten zu rechnen ist.“ Der Satz war hochoffiziell als Prognose bezeichnet. Andere Modelle zeigten noch schlimmere Verläufe. Doch es kam anders. Das exponentielle Wachstum der Infektionszahlen wurde bald gebrochen. Ende April begannen sie sogar zu sinken, und zwar schon bevor die Bundes-Notbremse richtig wirken konnte.

Patrick Bernau

Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Woran lag’s? An der Saisonalität des Virus, am Impffortschritt? Werden die Menschen gar vorsichtiger, wenn sie einen Impftermin in Aussicht haben – oder lag es doch an etwas ganz anderem? Institutschef Lothar Wieler formulierte vergangene Woche beispielhaft, was auch manch anderer Modellierer sagt: Es lag daran, dass die Menschen auf die Prognose reagiert haben. „Das ist ja auch ein Appell an die Bevölkerung“, sagte Wieler. Und: „Das ist ja auch das Ziel von Prognosen.“ Die Deutschen hätten die Gefahr erkannt, über Ostern seien sie weniger mobil gewesen als gedacht. Die Prognose hat sich also wirklich selbst zerstört. Geht das nicht besser? Vielleicht schon.

Als „Präventionsparadox“ wird dieses Phänomen seit Monaten diskutiert. Das Problem daran: Unabhängig davon, wie groß der Prognoseanspruch in den einzelnen Modellen genau ist – wenn die vorausgesagten Zahlen systematisch über dem tatsächlichen Geschehen liegen, dann bleibt im besseren Fall ihr Nutzen begrenzt. Im schlimmeren Fall verliert die Wissenschaft mit jeder Fehlprognose an Vertrauen in der Bevölkerung.

Das Problem ist nicht neu

Die Sozialwissenschaften kennen solche Probleme schon lange. Und haben einige Antworten gefunden. „Anders als alle anderen natürlichen Systeme reagieren Menschen auf Prognosen oder Theorien über sie“, sagt Jens Beckert, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. „Das macht die Sozialwissenschaften ja so komplex.“ So bekannt ist das Phänomen, dass es dafür viele Wörter gibt. Die Soziologie spricht seit 1948 von selbsterfüllenden oder selbstzerstörenden Prophezeiungen, die Ökonomie von sogenannten Endogenitäten, die Psychologie von „Feedback-Schleifen“ – alles sind verwandte Konzepte. Der Psychotherapeut Jan Kalbitzer, der die Stressmedizin der Oberberg Kliniken leitet, setzt solche Phänomene oft in der Therapie ein. Manchem Patienten sagt er: „Aus meiner Erfahrung glaube ich: Das wird bei Ihnen schon wieder.“ Das Ziel: die Stimmung aufzuhellen und dem Patienten zur Besserung zu verhelfen.

Ganz zentral sind Feedback-Schleifen in der Ökonomie. Gerade das Wirtschaftsstudium vermittelt nicht nur Faktenwissen, sondern auch eine Denkweise: immer die Reaktionen der Menschen zu berücksichtigen. Geradezu versessen suchen Ökonomen nach dem sogenannten Gleichgewicht, in dem die Lage der Welt und die entsprechende Reaktion der Menschen einen stabilen Zustand erzeugen. „Es gibt Physiker, die sagen, wir könnten nicht richtig rechnen“, sagt der ehemalige Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Lars Feld. „Wir verweisen dann immer darauf, dass wir nicht mit Teilchen zu tun haben, sondern mit Menschen.“

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