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#Elinas Weg nach Westen

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„Elinas Weg nach Westen“

In Wagen fünf wartet Elina darauf, dass die Fahrt nach Westen weitergeht. Doch erst müssen in Frankfurt an der Oder die Pässe kontrolliert werden, so wird es hier an diesem Samstag mit allen Zügen aus Polen gemacht. Beamte holen an diesem Wochenende auch Personen aus den Zügen, die nicht weiterfahren dürfen, weil sie mit ihren Papieren dazu nicht berechtigt sind. Elina hingegen kann mit ihrem ukrainischen Pass ungehindert weiterreisen.

Auf dem gelben Pullover der Neunzehnjährigen steht der Name einer Stadt: Los Angeles. Das sei ein besonderes Kleidungsstück, sagt die Studentin, weil sie die amerikanische Stadt immer schon mal besuchen wollte. Jetzt aber ist sie auf dem Weg nach Berlin. Der Zug wird durchfahren, darum steigt sie in Frankfurt an der Oder nicht aus. Für alle anderen, die hier umsteigen, haben die Katastrophenschützer auf dem Bahnhofsvorplatz Wärmezelte und Toiletten aufgestellt, Freiwillige verteilen Wasser, Gummibärchen und Bananen. Für Kinder wurden Tüten gepackt, mit Kuscheltieren und Malsachen.

Die Passkontrolle dauert so lange, dass der Zug den Grenzbahnhof erst mit 23 Minuten Verspätung wieder verlässt. Die Luft in den voll besetzten Waggons ist etwas verbraucht, zwischen Frauen und Kindern stapeln sich Sorgen und Gepäck. Auf einem Haufen Taschen sitzt eine Frau mittleren Alters, die blassen Lider geschlossen, den Kopf an die Wand gelehnt. Im Gang vor Elinas Sechser-Abteil schaut ein Jugendlicher zum Fenster hinaus und lässt mit verlorenem Blick die brandenburgische Landschaft an sich vorbeiziehen.

Flüchtlinge aus der Ukraine steigen am Samstag in Frankfurt (Oder) um.


Flüchtlinge aus der Ukraine steigen am Samstag in Frankfurt (Oder) um.
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Bild: Jana Mai

Mit den Passagieren in diesem Zug ist Elina Teil eines großen Flüchtlingsstroms, der unaufhaltsam anwächst. Unzählige haben sich aufgemacht. Am Sonntag spricht UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi von der „am schnellsten wachsenden Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg“. Nach Schätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind bisher 1,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, die meisten davon nach Polen. Das Land zählte bis Sonntagvormittag rund 922.400 Flüchtlinge aus der Ukraine, in Deutschland wurden laut Innenministerium 37.786 registriert. Die Zahl könne aber viel höher liegen.

Zeitenwende

Elina wollte sich in ihrer Heimat ein Leben aufbauen. Sie zog vom westukrainischen Lwiw nach Kiew, studierte Englisch und Deutsch. Wegen ihrer guten Noten bekam sie ein Stipendium. Sie unterrichtete nebenbei Englisch und war sogar kurze Zeit Animateurin für Touristen in Ägypten. In den vergangenen Wochen lebte sie in einem Hostel mitten in Kiew, weil Corona einsam macht und sie wieder mehr unter Leuten sein wollte. Doch das klingt jetzt wie eine Erzählung aus einer anderen Zeit.

Seit dem 24. Fe­bruar ist alles anders. Am frühen Morgen jenes Tages wird Elina im Mehrbettzimmer des Hostels von einer anderen jungen Frau geweckt. Sie hat Nachricht von den Eltern aus der Hafenstadt Mariupol erhalten: Der Krieg hat begonnen. Elina muss nicht lange überlegen. Sie räumt ihr Konto leer, nimmt ihre Sachen und fährt mit der Bahn zu ihren Eltern in den Westen nach Lwiw. Die Angst reist mit und der Gedanke, zu gehen.

An Tag zehn nach Kriegsbeginn macht ein aus Polen kommender Zug Zwischenhalt in Frankfurt (Oder).


An Tag zehn nach Kriegsbeginn macht ein aus Polen kommender Zug Zwischenhalt in Frankfurt (Oder).
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Bild: Jana Mai

Elinas Eltern haben Zweifel an der Idee mit der Flucht, aber auch die vertreibt der Krieg. Bald steht der Entschluss fest: Elina wird gehen, die Eltern bleiben. Der Vater darf, wie alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren, das Land nicht verlassen. Die Mutter will nicht ohne ihn gehen und auch die Arbeit und die Katze nicht zurücklassen. So erzählt es Elina. Ihre Mutter hoffe noch, dass alles gut werde. Sie selbst habe diese Hoffnung nicht.

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