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#Was das Herz verdirbt

Die Azhar-Universität in Kairo gilt als wichtigste Institution des sunnitischen Islams. Mehr als tausend Jahre alt, wird sie in Tarik Salehs Film „Die Kairo-Verschwörung“ als „Leuchtturm der islamischen Wissenschaften“ eingeführt. Der schwedische Regisseur inszeniert hier ein Netz aus Intrigen zwischen Regierung, Muslimbrüdern und religiöser Führung.

Ganz unten in der Hierarchie

Der Beginn erinnert an amerikanische College-Filme. Der Fischersohn Adam, gespielt von Tawfeek Barhom, erhält ein Stipendium, um an der Azhar-Universität zu studieren. Dem Vater wäre es lieber, der Sohn würde in seine Fußstapfen als Fischer treten. Aber Gottes Wille ist nun einmal nicht aufzuhalten, also lässt er den Sohn in die große Stadt ziehen.

Dort muss sich Adam mit seinen Zimmernachbarn im Schlafsaal arrangieren und lernt schnell: Als schüchterner Neuling ist man ganz unten in der Hierarchie. Er bewundert die Coolness derer, die sich ihre eigenen Zigaretten drehen, und erlebt einen kurzen Moment der Freiheit in den Nachtklubs von Kairo, wo bunte Lichtpunkte über seinen Körper wandern. „Dein Herz ist noch rein“, bemerkt ein anderer Student, „aber mit jeder Sekunde, die du länger hier bist, wird es verdorben.“

Zum Spitzel gedungen

Schon kurz nach der Ankunft gerät Adam in die Schlingen der Machtkämpfe. Bei einer Ansprache an die Studenten hustet der Groß-Imam Blut ins Taschentuch und stirbt bald darauf. Der ägyptische Präsident will einen regierungsnahen Nachfolger als Oberhaupt der bedeutenden In­stitution installieren. Colonel Ibrahim (Fares Fares) soll dafür sorgen, dass der richtige Mann an die Spitze gelangt. Als sein Informant auffliegt, braucht er einen neuen Spitzel im Inneren der Universität. Die Wahl fällt auf den unscheinbaren Studienanfänger. Regelmäßig muss Adam dem Oberst Informationen über die Muslimbrüder und die Gelehrten zukommen lassen. Die Aufgabe überschattet schon bald seinen Alltag und zieht ihn immer tiefer in die Intrigen.

Die Geschichte spielt zwar in Kairo, doch Tarik Saleh musste den Film in der Türkei drehen. Der Regisseur, der einen ägyptischen Vater hat, wollte bereits 2017 den Thriller „Die Nile Hilton Affäre“ in Ägypten drehen, wurde aber nach wenigen Tagen des Landes verwiesen. Mit einer heiklen Geschichte müsse man aufpassen, nicht der nächste Salman Rushdie zu werden, ließ Saleh unlängst verlauten. In Cannes wurde „Die Kairo-Verschwörung“ im vergangenen Jahr für das beste Drehbuch ausgezeichnet.

Tarik Saleh inszeniert eindrückliche Bilder in den prachtvollen Gemäuern. Von oben sieht man ein Meer aus roten Punkten im Innenhof, die Kopfbedeckungen der Studenten, als Sinnbild der ihnen abverlangten Konformität. Der Film zeigt eine von männlicher Autorität geprägte Welt. Zu Hause ist es der schweigende Pa­triarch, der die Hände seiner Söhne peitscht, und auch in der Universität ist Pflichterfüllung das oberste Gebot. Die patriarchalen Machtstrukturen sind so stark ausgeprägt, dass Frauen überhaupt nur in einer einzigen Szene vorkommen.

Der kluge und pflichtbewusste Adam ist am Anfang nur Spielball. Sein Leben wird von anderen bestimmt. Erst gehorcht er dem Dorf-Imam und seinem Vater, dann dem Oberst, der ihn mit der Gesundheit seines Vaters erpresst. Getrieben von Angst, führt Adam die Befehle aus. Aber mit der Zeit wird er erwachsen. Die Umstände erfordern den Mut zur eigenen Meinung oder auch nur den Mut, seine Talente clever einzusetzen, um zu überleben. Eigenständiges Denken wird im starren Machtgefüge nur geduldet, wenn in religiöse Gleichnisse getarnt, sonst gilt es schnell als Übermut.

Die Handlung ist kompliziert. Der Zuschauer muss gut aufpassen, um den verschiedenen Intrigen zwischen Muslimbrüdern, dem Geheimdienst und den Gelehrten zu folgen. Trotz des schnellen Erzähltempos und der aufgebauten Spannung ist der Film für einen Thriller auffallend ruhig. In dieser Stille liegt seine Stärke. Nur in wenigen Szenen sieht man Blut spritzen. Gewalt und Autorität walten still: Vater und Sohn schweigen im Ruderboot. Die Familie schweigt beim Essen. In den Gemäuern der Universität hat die Stille etwas Andächtiges. Innerhalb der marmorgetäfelten Wände der Staatssicherheit hat sie etwas Totes. Und schließlich, in der letzten Szene im Fischerboot auf dem Wasser, etwas Melancholisches.

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