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#„Tótem“ von Lila Avilés – ein mexikanischer Großfamilienfilm

Lila Avilés’ „Tótem“ ist ein polyphoner Großfamilienfilm, der zugleich von den vielen Dimensionen der mexikanischen Kultur erzählt.

Der Name Tonatiuh ist in Mexiko mit Bedeutung aufgeladen. Bei den Azteken hieß der Sonnengott so. Der Zy­klus des Auf- und Untergehens der Sonne wurde mit Menschenopfern aufrechterhalten. Wie kommt, mit diesem Wissen, ein Elternpaar, zumal ein „weißes“, dazu, ihren Sohn Tonatiuh zu nennen? Diese Frage ist hintergründig präsent, wenn man den Film „Tótem“ von Lila Avilés sieht. Sie macht sich allerdings erst nach einer Weile geltend, denn zu Beginn ist immer nur von Tona die Rede.

Tona hat Geburtstag, für den Abend werden viele Gäste erwartet, den ganzen Tag schon herrscht Betriebsamkeit in einem Haus, in dem einen große, weitverzweigte Familie lebt. Wenn die Erwachsenen etwas vorbereiten, haben die Kinder die Freiheit, sich nach eigenem Gutdünken zu beschäftigen. Und so streift die zweite Sonnenfigur in „Tótem“ auf leisen Sohlen herum: Sol (Solecito) ist die Tochter von Tona. Sol ist acht Jahre alt. Das ist alt genug, um schon viel von dem mitzukriegen, was die Großen vielleicht lieber für sich behalten wollen.

Sol ist aber auch noch Kind genug, um sich auf eine sehr unbefangene Weise von allem ein eigenes Bild zu machen. Und sie sieht überall Tiere. Das Haus ist für sie ein Bestiarium. Sie sammelt Schnecken ein und setzt sie auf den Gemälden wieder aus, die in großer Zahl an jeder Wand hängen. Als eine Schamanin ins Haus kommt, die vor dem großen Fest die Atmosphäre reinigen soll, nimmt sie zuerst Anstoß an den vielen Bildern. Schlechte Geister erhielten dadurch Zutritt. Später sagt sie aber auch noch: „Wir sind alle Geister, wir sind alle Familie.“

Damit ist die Kosmologie etabliert, auf die Lila Avilés hinauswill. Der intime Raum, in dem Sol sich bewegt, enthält nicht nur die ganze Welt dieser Familie aus Tanten, Onkeln, Kindern, Freunden, Haustieren. Der intime Raum, ein labyrinthisches Haus mit Garten hinter Mauern, ist offen für die vielen Dimensionen, von denen Lila Avilés erzählt. Es sind die Dimensionen der mexikanischen Kultur, von indigener Mythologie bis zu moderner Kunst. Tona ist Maler. Dass seine Bilder von den Wänden verschwunden sind, bemerkt Sol sofort.

Es ist eines von vielen Abschiedsmotiven, die den Tag strukturieren. Denn das große Fest steht in einem doppelten Zeichen: Tonas Geburtstag soll gefeiert werden, aber auch sein Tod ist bereits gegenwärtig. Tona ist sterbenskrank, eigentlich würde er am liebsten in dem Zimmer bleiben, um das Sol ein paar Stunden lang herumschleicht. Sie darf noch nicht zu ihrem Vater, er ist zu schwach, er möchte nicht, dass seine Tochter ihn so hinfällig sieht. Als er sich schließlich halbwegs präsentabel fühlt, gibt es für Sol auch ein Abschiedsgeschenk – ein letztes Bild, eine Versammlung von Tieren.

Mexikanische Mythen in moderner Gestalt

Als Tona sich schließlich der wartenden Festgemeinde zeigt, erlebt er eine merkwürdige Überraschung: Alle tragen eine Maske, auf der sein Gesicht zu sehen ist. „Wie gruselig“, entfährt es ihm, und tatsächlich ist das der Moment, in dem die vielen Motive eines magischen Denkens, die Lila Avilés andeutet, in einen neuen Mythos umzukippen drohen. Die höchst anspruchsvolle Aufgabe, der sich die festliche Gesellschaft gegenübersieht, wird mit einer Fratze von Gemeinsamkeit bewältigt. Aber auch diese zweideutige Geste, mit der ja im Grunde alle Versammelten das bedrückende Schicksal von Tona auf sich zu nehmen versuchen, ist nur eine weitere Facette der Metaphysik von „Tótem“.

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