#Du bremst zu früh!
„Du bremst zu früh!“
„Du bremst zu früh“, sagt der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz. Sie nennen ihn hier Instructor, das klingt freundlicher, ist im Prinzip aber das Gleiche. Er gibt Anweisungen, wann Gasgeben sinnvoll und wann Entschleunigung angesagt ist, wo die Ideallinie der Kurve liegt und welcher Gang dabei zu wählen wäre. Wir sind auf der Rennstrecke in Silverstone, Herz und Tradition der Formel 1. Der Tacho zeigt 280 km/h, die Rechtskurve kommt recht rasch näher, es bleiben zwei Sekunden fürs Bremsen, Runterschalten, Finden der Linie, Zielen. Kurve getroffen, aber arg langsam, zu früh gebremst eben, schon peinlich. Wieder Vollgas, was sich einigermaßen beeindruckend anfühlt, jemand muss den Helm mit Pattex an die Kopfstütze fixiert haben. Zur Einordnung: 0 auf 100 km/h in 2,8 Sekunden, 200 km/h in 7 Sekunden, 300 km/h in 18Sekunden. Höchstgeschwindigkeit 330km/h, die wir nie erreichen, weil die Maschine immer mehr kann als der Fahrer, der beileibe nicht zum ersten Mal am Steuer eines Supersportwagens sitzt. Der hier heißt McLaren 765 LT und kostet 335.000 Euro Grundpreis, zuzüglich um 100.000 für unabdingbare Extras, darunter ein 2200 Euro teurer Nummernschildhalter aus Karbon. Wir zaudern, ob womöglich die gute Laune unserer Verlagsleitung strapaziert würde, reichten wir nach Bekanntschaft mit der Leitplanke die Rechnung ein.
Holger Appel
Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Technik und Motor“.
Der Instructor bleibt hartnäckig. Anflug auf die Schikane. „Zweiter Gang“, sagt er, „spät und hart bremsen und draufbleiben.“ Zweiter? Wir sind im siebten und irgendwas jenseits von 200km/h schnell. Die Kurve ist längst da. Erst muss das Auto fertig sein, dann wird eingelenkt. Sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei geht flink mit den Paddeln am Lenkrad, aber nicht flink genug. Einlenkpunkt verpasst, Kurve versaut, Zeit dahin. Der McLaren hat zwar eine Straßenzulassung, aber Formel 1-Gene. Er möchte auf der Rennstrecke bitte auch so behandelt werden. Die Karbonbremsen bringen ihn aus 200 km/h nach 108 Metern zum Stehen, das hat was von Anker. Also gut, später bremsen. Und härter. Die Vierpunktgurte sind gut angelegt, richtiger Gang, Ideallinie getroffen. Schwung am Scheitelpunkt mitnehmen, wieder rauf aufs Gas, aber mit Bedacht, weil der 4-Liter-V8 mit seinen 765 PS und 800Nm Drehmoment sonst ansatzlos die Hinterachse wegwirft, wir sind schließlich im Race-Modus, da schlummern die Versicherungsvertreter.
Die nächste Runde sitzt, Pilot und Bremse sind auf Betriebstemperatur, verschmelzen zu einer Einheit, kein Fahrfehler, Kurven getroffen, feine Rundenzeit, der Instructor ist zufrieden. Jubel, Adrenalin, Wow. Obacht! Schon im folgenden Umlauf passt die Kurve nicht mehr, Tempo und Fliehkräfte zehren an der Konzentration, das Heck kommt beim Beschleunigen abrupt rum, gegenlenken, abfangen, klappt zum Glück spielerisch in diesem atemraubenden Gefährt. „Unsere Autos sollen dem Fahrer über den gesamten Geschwindigkeitsbereich Vertrauen und Kontrolle schenken“, sagt Testfahrer Kenny Bräck. Ist so.
McLaren
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Du bremst zu früh
Knisternd kühlt der McLaren in der Boxengasse ab, Zeit für quälende Fragen. Warum vier Auspuffrohre und nicht ein entschlossenes? Sie haben das ausprobiert, aber vier haben mehr Wumms, die Resonanzen befeuern einander, mehr Drama halt. Guter Punkt. Selbstredend ist das keine gewöhnliche Auspuffanlage, sie ist aus Titan und 40 Prozent leichter als eine aus Stahl. Gewicht ist ein Faktor im Sport, wer wüsste das nicht. 1229 Kilogramm trocken wiegt der McLaren, das ist rekordverdächtig wenig. Beim Bremsen stellt sich am Heck eine zusätzliche Luftbremse in den Wind, Stabilität und Entschlossenheit sind Tugenden im Grenzbereich. In demselben benötigt der Fahrer genau genommen auch nur eine Information, die Drehzahl. Alles andere sollte er spüren, weshalb der Tacho im Rennmodus in das Cockpit hinein rotiert und stattdessen ein LED-Balken übernimmt. Ein Gag, aber ein guter.
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