#Edler Bote aus der Tiefe
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„Edler Bote aus der Tiefe“
Anfang der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts wurde aus der Orapa-Mine in Botswana, dem größten Diamant-Tagebau der Welt, ein 428 Karat schwerer Diamant gefördert. Trotz seiner Größe war der Stein auf dem Markt für Rohdiamanten nicht erfolgreich. Der Edelstein hat eine grünliche Färbung, und in seinem Inneren gibt es mehrere dunkle Flecken, die von Einschlüssen anderer Mineralien herrühren. Das minderte seinen Verkaufswert auf dem Juwelenmarkt erheblich.
Der Stein ging durch mehrere Hände, bevor er im Jahre 1987 von einem Diamantenhändler an einen Mineralogen am California Institute of Technology in Pasadena, einem Vorort von Los Angeles, verkauft wurde. Dort wollte George Rossman mit seinen Studenten herausfinden, warum manche Diamanten grün und nicht „glasklar“ erscheinen. Bei den Experimenten stellte sich zwar heraus, dass der Edelstein Einschlüsse von Kohlendioxid (CO₂) enthält, sie lieferten aber keine schlüssige Antwort auf die Frage nach der Farbe. Daraufhin landete der Diamant in einer Schublade der Hochschule in Pasadena.
Dort schlummerte der Edelstein bis vor knapp zehn Jahren, als der mittlerweile an der University of Nevada in Las Vegas lehrende deutsche Mineraloge Oliver Tschauner der Frage nach den CO₂-Einschlüssen nachgehen wollte. Zusammen mit Rossman setzte er den Diamanten dazu intensiver Röntgenstrahlung aus, um aus dessen Beugungsmuster mehr über die Natur der mineralischen dunklen Flecken zu erfahren. Über das Kohlendioxid lernten die Forscher zwar nichts, dafür gab es aber eine kleine Sensation: Der Edelstein enthielt „Eis VII“, eine extrem seltene Hochdruckphase von herkömmlichem Wassereis.
Kalzium-Silikat in einer besonderen Hochdruck-Form
Auch nach diesem die Fachwelt überraschenden Fund ließen Tschauner die Einschlüsse im Edelstein aber keine Ruhe. Sie gleichen schließlich einem Fenster, das einen Blick in den chemischen und physikalischen Zustand des Erdmantels erlaubt, der Geburtsstätte der meisten Diamanten. Diese Kohlenstoffverbindungen entstehen bei enormem mechanischen Druck in Tiefen von mehreren hundert Kilometern und gelangen dann über Vulkanschlote, die sogenannten Kimberlite, an die Erdoberfläche. Vor allem das südliche Afrika ist reich an diesen längst erloschenen Resten von Vulkanen.
Ansicht der Orapa-Mine in Botswana. Dort wurde der Diamant mit den rätselhaften Einschlüssen in den achtziger Jahren gefunden.
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Bild: www.debswana.com
Am Synchrotron des Argonne-Laboratoriums in der Nähe von Chicago setzte Tschauner eine kleine polierte Scheibe des Diamanten abermals starker Röntgenstrahlung aus. Und nochmals gab es eine Überraschung: Einige der Einschlüsse waren reich am Element Kalzium. Mit verschiedenen anderen Verfahren konnte Tschauner inzwischen bestätigen: Der Diamant enthält ein Mineral, von dem Forscher bisher geglaubt hatten, es könne an der Erdoberfläche überhaupt nicht existieren. Es handelt sich um ein Kalziumsilikat (CaSiO₃) der mineralischen Form von Perowskit. Dieses Mineral entsteht nur unter einem extrem hohen Druck, wie er beispielsweise im unteren Erdmantel in fast tausend Kilometer Tiefe herrscht.
Ebenso wie das zuvor entdeckte Eis VII ist dieser Perowskit bei der Entstehung des Diamanten im tiefen Erdmantel vom Kohlenstoff eingefangen worden. Entgegen aller Erwartung überstand er dann aber die mehrere hundert Kilometer lange Reise durch den Mantel und die Gesteinskruste unseres Planeten unbeschadet. Anstatt bei abnehmendem Druck auf der Reise nach oben zu zerfallen, blieb das Mineral als winziger dunkler Fleck im Diamanten enthalten.
Der Fund, über den Tschauner und seine Kollegen nun in der Zeitschrift Science berichten, bestätigt eine bisher nur theoretische Annahme der Geowissenschaftler über den inneren Aufbau der Erde: Im unteren Erdmantel, unterhalb von 660 Kilometer Tiefe, kommen die meisten Mineralien nur als Perowskite vor. Das gilt für das ebenfalls von Tschauner nachgewiesene Mineral aus Magnesium-Eisen-Silikat, das Mineral Bridgmanit sowie das nun gefundene Kalziumsilikat. Zusammen machen diese beiden Perowskite mehr als 40 Prozent des Volumens des Erdmantels aus.
Inzwischen hat das neue Perowskitmineral auch einen Namen. Nach einem der Pioniere der Hochdruckmineralogie, Ho-Kwang (Dave) Mao, wurde es Davemaoit genannt. Der Diamant ist unterdessen im Museum für Naturgeschichte in Los Angeles ausgestellt und ist dort für alle Forscher für weitere Untersuchungen zugänglich. Wer weiß, welche anderen Überraschungen er noch bereithält.
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