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#„Ein Auto wie aus dem vorigen Jahrhundert“

„Ein Auto wie aus dem vorigen Jahrhundert“

Vor der Aegean-Plaza in Schanghais Minhang-Bezirk steht ein gigantischer Trichter aus Glas. Gehen in dem Monument abends die Neonleuchten an, sieht es aus, als werde die Zukunft hinunter gesaugt in das größte Einkaufszentrum der Stadt mit 25 Millionen Einwohnern.

Drinnen gibt ein Showroom den Blick auf zwei der neuen Elektroautos von Volkswagen frei. Doch von Futurismus ist hier wenig zu spüren. Die Verkäufer bieten eine Probefahrt bis vor die Haustür des Kunden an, doch gegen die Gesetze der Physik können sie nichts tun: Der günstigere der beiden ID.4 mit kleinem Batteriemotor kommt zwar mit einer Ladung ordentliche 400 Kilometer weit, braucht aber für die Beschleunigung von 0 auf 100 Stundenkilometer 10,9 Sekunden.

Da sind Chinas Autokunden von ihren heimischen Anbietern ganz anderes gewöhnt. Auch die chinesischen E-Autobauer haben hier im Aegean-Einkaufszentrum Verkaufsräume und stellen die Leistungswerte ihrer schnittigen Vehikel in übergroßen Zahlen heraus: Der P7 des Herstellers XPeng beschleunigt auf Tempo 100 mit dem stärksten Motor in gerade einmal 4,4 Sekunden, etwas langsamer als ein Tesla Model 3. Der ES6 von Nio, ebenfalls eine chinesische Marke, ist ein großes SUV, braucht für den Spurt aber ebenfalls nur 4,7 Sekunden und kommt laut Eigenwerbung 610 Kilometer weit.

Schlechte Rezensionen in den sozialen Medien

Dass sie Autos nun vor der eigenen Haustür beim Einkaufsbummel am Wochenende vergleichen können wie Smartphones, hat jüngeren Chinesen über VW und das Modell, an dem die Hoffnung von Deutschlands größtem Autokonzern hängt, seit dem Verkaufsstart Ende März ein eindeutiges Urteil fällen lassen: „Für Menschen mittleren Alters ohne Leidenschaft ist der ID.4 genau richtig“, schreibt „Catdog“ vertretend für viele Meinungen in den sozialen Medien. „Die Beschleunigung fühlt sich an wie bei einem Benziner“, befindet Duge Shuo, der auf dem Kurznachrichtendienst Weibo 1,7 Millionen Follwer hat. „Der ID.4 wirkt wie ein Golf“, kommentiert ein anderer Nutzer. „Nicht nur, dass VW nicht mit Tesla mithalten kann. Es kann noch nicht mal gegen chinesische Marken bestehen. Ein Auto wie aus dem vorigen Jahrhundert.“

Genau 3341 ID.4 der Modellvarianten X und CROZZ wurden laut dem langjährigen Branchenbeobachter Jochen Siebert bis Ende Mai in China zugelassen – ein „Desaster“, wie ein Manager gegenüber der F.A.Z. anonym eingesteht: „Die Menge produzieren wir im Handumdrehen.“ Allein im Mai verkaufte Marktführer Tesla in China 33.463 hauptsächlich vor Ort hergestellte Autos. XPeng verkaufte in dem Monat rund 5700 Fahrzeuge, Nio kam noch einmal auf rund 1000 Stück mehr.

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Zwar teilte Volkswagen am Freitag mit, im Juni habe sich der ID.4 auf 2900 Auslieferungen gesteigert. Der Start des als „Weltauto“ angepriesenen Modells auf dem mit riesigem Abstand größten Einzelmarkt China sei „gut“ gelaufen, heißt es aus Wolfsburg gegenüber der F.A.Z. Doch nennt VW eben keine Absatzzahlen, sondern die Auslieferungen an die Händler. Das größte chinesische Autoportal Autohome.com zählt im Juni nur 2014 Verkäufe. Das ist nicht mal ein Drittel so viel wie Xpeng und Nio und nur ein Bruchteil der Summe von Tesla, das 33.155 Autos in China verkaufte.

China ist für Volkswagen mit Abstand der wichtigste Markt. Die Milliardennation kommt für rund 40 Prozent der gesamten Auslieferungen auf; bei der Marke VW ist es sogar mehr als jedes zweite Auto. Konzernchef Herbert Diess hat Volkswagen deswegen auch ein chinesisches Unternehmen genannt. Vor diesem Hintergrund hätten die schlechten Absatzzahlen des ID.4 „im Haus einen Schock ausgelöst“, sagt ein Manager aus der Niederlassung in Peking. Scheitere seine Elektrostrategie in China, auf dem der Abschied vom Verbrenner so schnell Realität werden dürfte wie auf keinem anderen großen Automarkt, habe VW ein echtes Problem.

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