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#Ein Don Qujote unserer Zeit

Ein Don Qujote unserer Zeit

Der spanische Komponist Cristóbal Halffter hatte zwei Geburtstage. Der eine, der 24. März 1930, war der Tag, an dem er tatsächlich das Licht der Welt erblickte, der 27. März desselben Jahres war sein administrativer Geburtstag: Seine Eltern hatten die Geburt zu spät angezeigt, und der Standesbeamte wollte ihnen mit der Datums-Mogelei die Strafgebühr ersparen. Die Kuriosität einer scheinbaren Doppelexistenz sollte freilich bestimmend für sein gesamtes Leben werden. Cristóbal Halffter Jiménez-Encina, Nachkomme eines ostpreußischen Freiherrn und einer Andalusierin, Neffe der Komponisten Ernesto und Rodolfo Halffter, verband in seinem musikalischen Lebenswerk teutonische Strenge mit „südlicher“ Sinnlichkeit, eine kompromisslos moderne Klangsprache mit tief in der spanischen Musikgeschichte verwurzelten Formen, ohne je billigem Folklorismus zu erliegen.

Mit seinem Zwölfton-Orchesterstück „Cinco Microformas“ (Fünf Mikroformen) schreckte Halffter 1960 die von volkstümelndem Traditionalismus eingelullte spanische Musikwelt auf und sorgte für einen handfesten Skandal. Den Anschluss an die internationale Avantgarde fand er bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, die Thematik für viele seiner frühen Kompositionen lieferte ihm die politische und gesellschaftliche Situation im Spanien der Franco-Diktatur. Mit Stücken von beklemmender Wirkung wie der „Elegie auf den Tod dreier spanischer Dichter“ oder seiner „Klage um die Opfer der Gewalt“ und wegen seines Einsatzes für verfolgte Künstlerkollegen galt Halffter als aufrechter, wegen seiner internationalen Reputation unangreifbarer Widerstandsmusiker.

Im Spannungsfeld zwischen Freiheit der Kunst

Man drängte ihn, sich aktiv am demokratischen Neuaufbau nach Francos Tod 1975 zu beteiligen, doch Halffter blieb sich treu, lehnte die Übernahme höchster Staatsämter ab, mit der Begründung, als Musiker könne er weitaus nachhaltiger als moralische Instanz wirken. Er machte sich auch als Dirigent – nicht nur seiner eigenen Werke – einen Namen, erkundete intensiv die Substanz traditioneller Musikformen wie Tiento, Ricercar oder Batalla, komponierte Solokonzerte, Präludien und Kammermusik, fand aber auch wieder zur mahnenden Klangrede, etwa in seinem „Memento a Dresden“ (1995), einer so beeindruckenden wie unbequemen Festmusik zum hundertfünfzigjährigen Bestehen der Dresdner Philharmoniker.

Sein opus summum schuf Halffter mit der 2000 im Madrider Teatro Real in der grandiosen Inszenierung von Herbert Wernicke uraufgeführten Oper „Don Quijote“. In Miguel de Cervantes, dem Schöpfer des Ritterromans, erkannte Halffter sein alter ego: einen Autor, der sich im Spannungsfeld zwischen Freiheit der Kunst und politischer Barbarei für Humanität und Menschenwürde als unabdingbares Richtmaß entscheidet.

In den letzten Jahren lebte Halffter zurückgezogen am Camino de Santiago auf dem Schloss in Villafranca del Bierzo, das seine Frau Maria Manuela Caro y Carbajal als Angehörige einer spanischen Adelsfamilie in die Ehe eingebracht hatte. „Marita“ war seine treue Stütze und als Pianistin einfühlsame Interpretin der von ihm komponierten Klavierstücke und -partien. Ihr plötzlicher Tod im Dezember 2017 erschütterte ihn zutiefst. Allen Beschwernissen zum Trotz blieb Halffter künstlerisch produktiv. Sein zehntes Streichquartett vollendete er nach dem Tod seiner Frau, das neunte hatte er zwei Jahre zuvor Miguel de Cervantes gewidmet. Am 23. Mai ist Cristóbal Halffter in Ponferrada gestorben. Er wurde 91 Jahre alt. 

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