#Ein ganz normaler Mitarbeiter
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„Ein ganz normaler Mitarbeiter“
Der Kalender eines Chefs von 330.000 Mitarbeitern ist üblicherweise übervoll, doch für manches nimmt sich Richard Lutz gerne Zeit. Für regelmäßige Gespräche mit Inhabern der Bahncard 100 etwa. Während die Bahn diese „Treuesten der Treuen“ schon für sich eingenommen hat – zumindest für ein Jahr – gilt es andere für das „Unternehmen Zukunft“ noch zu gewinnen. Vor allem die junge Generation.
Es ist ein schwieriges Geschäft. Selbst wer es nicht am eigenen Leib im wahrsten Sinne des Wortes erfährt, liest und hört in Sachen DB wenig Gutes. Unpünktlichkeit, Zugausfälle, unfreundliche Mitarbeiter und das Infrastrukturchaos sind die Themen in Dauerschleife. Dazu gesellen sich Krawallmacher wie Mario Barth und Jan Böhmermann, die entweder dreiviertelstündige Live-Videos über ihren „Maskenzoff“ im ICE drehen und die die Bahn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gleich komplett als „Witz“ abtun.
Seit geraumer Zeit hat der Konzern sein Social-Media-Team verstärkt. Längst sind die Bahner auch auf Plattformen wie Tiktok aktiv. Und ab und zu muss der Chef persönlich ran. Zwar bekannte Richard Lutz vor drei Jahren in einem Interview zu seiner Mediennutzung, mit Twitter und Facebook „weniger zu tun zu haben“. Dafür sei er „wahrscheinlich schon zu alt“. Doch warum nicht mit jungen Tiktok-Influencerinnen und einigen Zwölftklässlern über die „Mobilität der Zukunft“ diskutieren und die Bahn dabei als die Autoalternative positionieren?
Hier stimmt jedes Wort
Vor kurzem wurde das laut Bahn „einzigartige Format“ via Online-Konferenz umgesetzt. Schülerinnen und Schüler aus der 12. Klasse des Aachener Inda-Gymnasiums sowie die Bonner Zwillinge Leonie und Sophie, deren Tiktok-Kanal „Lesotwins“ rund 2,5 Millionen Follower aufweist, durften Lutz eineinhalb Stunden lang mit Fragen aller Art löchern. Der eigentlich so Social-Media-ferne Bahnchef präsentierte sich dabei überraschend gut – in einer Mischung aus Bodenständigkeit und Zukunftsoptimismus.
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Am Anfang wurde ein Video eingespielt. Der Amtsinhaber hat kein Problem damit, ganz vorne anzufangen. „Mein Name ist Richard Lutz, bin in der Pfalz groß geworden, hab dort meine Jugendliebe kennengelernt und geheiratet. In 94 bei der Bahn angefangen als ganz normaler Mitarbeiter. Und ja, irgendwie unterwegs dann mal, äh, Bahnchef, äh, geworden. Hab’s nie bereut. Toller Job, macht unheimlich viel Spaß.“
Nach allem, was von Lutz öffentlich bekannt ist, der als ebenso unprätentiös wie detailverliebt gilt, darf man davon ausgehen: Hier stimmt jedes Wort. Vielleicht nicht immer, aber häufig. Denn dass der „tolle Job“ nicht jeden Tag „unheimlich viel Spaß“ macht, stellt Lutz zum Schluss kurz klar. Ein Schüler will wissen, wie sich Lutz gefühlt habe, als Jan Böhmermann kürzlich die Deutsche Bahn „exposed“ habe – sprich: bloßgestellt.
„Nicht von allem kirre und irre machen lassen“
„Ich muss Euch ein Geheimnis verraten: Ich hab‘ das nicht gesehen“, sagt Lutz ganz ungezwungen. Er sei nicht jemand, „der jeden Tag in die Zeitung guckt, was an Lob und Anerkennung oder an Kritik steht“. Man solle das eigene Seelenleben nicht davon abhängig machen, was andere über einen sagen oder schreiben, findet der Bahnchef. Manchmal sei das „alles andere als schön“. Und in den sozialen Medien sei doch manchmal viel negative Energie unterwegs. „Nicht davon anstecken und runterziehen lassen“, lautet seine Devise.
Doch als beratungsresistent mag er auch nicht erscheinen. „Das heißt nicht, dass ich immun gegen Kritik wäre, aber es ist wichtig, eine gute Balance zu finden.“ Und zwar zwischen Feedback bekommen und zuhören können, aber sich trotzdem „nicht kirre und irre machen“ lassen von allem, was an einen herangetragen werde – das finde er persönlich die größte Herausforderung.
Werktags um 12.30 Uhr
Macht es sich da jemand allzu leicht? Diesen Vorwurf könnte man Richard Lutz nur machen, wäre er nicht im Thema. Doch der 57-Jährige, der aus einer Eisenbahnerfamilie stammt, hat auf die Schülerfragen immer Antworten – ohne vorzugeben, sie seien stets optimal.
Normalität an der Spitze
Hohe Preise? Ja, aber wer nicht sehr kurzfristig buche, könne sehr günstig mit der Bahn fahren. (Und gerade für die Jugend gebe es „Young“-Superspartarife für 12,90 Euro.) Dauernde Arbeiten und ständige Baustellen im Schienennetz? Ja, doch man stecke jetzt und in Zukunft viele Milliarden Euro in das Schienennetz, um das zu verbessern. Hat sich die Bahnreform gelohnt? Klar – 40 Prozent mehr Fahrgäste seit 1994 und 80 Prozent mehr Güter. Und wie ist das mit dem Konzern – wäre es nicht besser, Infrastruktur und Betrieb zu trennen? Natürlich nicht – quasi alle erfolgreichen Bahnen auf diesem Planeten seien integriert, nur 2 Prozent nicht.
So vergeht die Zeit. Zwischendurch erzählt Lutz noch von seiner Zeit als Jugendlicher. Alles ganz normal. „Wir waren eine ganz normale Clique. Ich war ein relativ normaler Schüler, nicht auffällig, weder in die eine noch in die andere Richtung. Man hat versucht, ein Stück weit seinen Weg zu finden.“ Ein perfekter Schüler sei er nicht gewesen: „Habe ein Zweier-Abi gemacht, was, glaube ich, okay war.“ Sein Leitspruch? „Warum soll ein schlaues Pferd höher springen als es muss?“
Vielleicht ist es gerade diese Normalität, die die einen noch heute an Lutz schätzen und die anderen eben nicht. Gerade in einem politischen Betrieb wie der Bahn ist der Charakterzug an der Spitze eher selten. Vorgänger wie Hartmut Mehdorn standen für die andere Seite. Aber auch sie waren am Ende nicht erfolgreicher.
Nach rund eineinhalb Stunden, viel Privatem und vielen Bahnthemen, senkt sich der virtuelle Vorhang. Hat Lutz die Jugendlichen nun vom Verkehrsmittel Bahn überzeugt? Der Bahnchef ist ein Freund des Happy-Ends in Filmen. An diesem Tag bleibt offen, ob es schon soweit ist oder sich Lutz doch noch ein wenig mehr anstrengen muss.
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